In der folgenden Arbeit soll die Begrifflichkeit dieses Phänomens geklärt werden und im Zusammenhang damit, inwiefern sich sogenannte parasoziale Interaktionen zu parasozialen Beziehungen entwickeln. Dies soll schließlich am Beispiel der deutschen Seifenoper "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten" verdeutlicht werden.
Schon seitdem die ersten Filme und Fernsehsendungen in den Vereinten Nationen starteten, konnten die Psychologen Horton und Wohl unvorhersehbare Reaktionen der Zuschauer*innen feststellen. Im Jahr 1956 entwickelten sie ein Konzept, welches die Interaktion zwischen Publikum und Medienakteuren beschreibt. Nach ihren Beobachtungen benehmen sich viele Zuschauer*innen gegenüber den TV-Personen so, als ob ein direkter persönlicher Kontakt vorliege und die Medienakteure real seien.
Heutzutage wachsen Menschen in einer fernsehsozialisierten Generation auf, in der das Massenmedium Fernseher häufig als Freizeitaktivität bezeichnet wird. Dadurch gewinnt das Fernsehen immer mehr an gesellschaftlicher Bedeutung und Einfluss. Das Schauen von Filmen und Serien gehört zum Alltag dazu und nimmt eine selbstverständliche Beschäftigung ein.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffserklärung
2.1. Vergleich sozialer mit parasozialer Interaktion
2.2. Identifikation
3. Entwicklung von parasozialen Interaktionen zu parasozialen Beziehungen
4. Beispiel „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“
5. Fazit
6. Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Einleitung
„David finde ich voll fies und Emily setzt ganz schön was aufs Spiel, um ihn loszuwerden. Ich fände es cool, wenn Bommel zurückkäme. Vielleicht wäre Katrin dann mal wieder glücklich.“ (Userin gundelgaukeley aus einem Forum für „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ am 26.06.2015)
Schon seitdem die ersten Filme und Fernsehsendungen in den Vereinten Nationen starteten, konnten die Psychologen Horton und Wohl unvorhersehbare Reaktionen der Zuschauer*innen feststellen. Im Jahr 1956 entwickelten sie ein Konzept, welches die Interaktion zwischen Publikum und Medienakteuren beschreibt. Nach ihren Beobachtungen benehmen sich viele Zuschauer*innen gegenüber den TV-Per- sonen so, als ob ein direkter persönlicher Kontakt vorliege und die Medienakteure real seien.1 Heutzutage wachsen Menschen in einer fernsehsozialisierten Generation auf, in der das Massenmedium Fernseher häufig als Freizeitaktivität bezeichnet wird. Dadurch gewinnt das Fernsehen immer mehr an gesellschaftlicher Bedeutung und Einfluss. Das Schauen von Filmen und Serien gehört zum Alltag dazu und nimmt eine selbstverständliche Beschäftigung ein.2 Dabei ermöglicht das Fernsehen, gewünschte Stimmungen der Rezipient*innen gewissermaßen per Knopfdruck auszulösen. Viele Anhänger*innen von beliebten „soap operas“, aber auch von anderen Fernsehangeboten, vergleichen zwischen ihrer eigenen Lebenssituation und derer ihrer TV-Lieblinge, sodass Gefühle wie Empathie, Trauer oder Spott entstehen. Sie versuchen sich mit den Serienfiguren zu identifizieren, allerdings kann dies nur durch das Hineinversetzen in die soziale Perspektive des Medienakteurs und in Bezug auf die persönliche Lebenserfahrung stattfinden. Sowohl in Internetforen als auch in alltäglichen Gesprächen unterhalten sich Zuschauer*innen über das Seriengeschehen, wobei der Übergang zwischen fiktiver und realer Welt fast fließend erscheint. Häufig werden die Figuren in den Gesprächen in das alltägliche Leben involviert, als ob man über Nachbarn oder Freunde sprechen würde.3
Zwar ist es riskant zu behaupten, dass die meisten Zuschauer*innen die fiktive Serienwelt als real ansehen, aber dennoch hat der Konsum einer Fernsehserie einen großen Einfluss auf das soziale Leben der Rezipient*innen.
In der folgenden Arbeit soll die Begrifflichkeit dieses Phänomens geklärt werden und im Zusammenhang damit , inwiefern sich sogenannte parasoziale Interaktionen zu parasozialen Beziehungen entwickeln. Dies soll schließlich am Beispiel der deutschen Seifenoper „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ verdeutlicht werden.
2. Begriffserklärung
Das Phänomen der aktiven und direkten Auseinandersetzung zwischen Fernsehangeboten und Zuschauer*innen wird in der Literatur als parasoziale Interaktion bezeichnet. Dabei sprechen die Personen oder Figuren in den Medien ihr Publikum scheinbar direkt an, sodass die Zuschauer*innen demzufolge auf bestimmte Äußerungen oder Handlungen der Medienakteure reagieren. Als „Personen“ werden Individuen bezeichnet, die offenbar wechselseitig an einer Kommunikation teilnehmen und aus diesem Grund real sein müssen, wie beispielsweise ein Moderator einer Fernsehsendung. Im Gegensatz dazu sind „Figuren“ fiktive Gestalten und können nicht wechselseitig kommunizieren, sodass eine einseitige Interaktion seitens des Publikums entsteht, die parasoziale Interaktion4 Wichtig dabei ist die aktive Rolle des Publikums, denn zum einen nimmt es die Rolle der Zuschauenden ein und zum anderen die Rolle der Mitmachenden. Die Rezipient*innen sind sich der gleichzeitigen Ausführung beider Rollen bewusst, sodass sie eine „Intimität auf Distanz“ verspüren. Sowohl die Zuschauer*innen als auch die Figuren im Fernsehen handeln so, als ob ein direkter persönlicher Kontakt besteht. Daraus entsteht die Illusion einer Face-to-Face-Beziehung, demnach das gegenseitige „Aufeinan- der-Bezugnehmen“ von Medienakteuren und Rezipierenden.5 Um dies aufrecht zu erhalten, geben die Medienfiguren vor, dass sie sich an den Zuschauerreaktionen orientieren. Auch die Rezipient*innen können sich durch die Annahme des direkten Kontakts so benehmen, als würde die Figur tatsächlich auf ihre Reaktionen Wirkung zeigen.6
Erste Erkenntnisse und Forschungen zu diesem Themenbereich überlieferten die amerikanischen Psychologen Donald Horton und Richard Wohl im Jahr 1956 mit ihrem Aufsatz und Konzept „Mass-Communication and Parasocial Interaction“, welches ein Modell zur Analyse zur Rezeption von Massenkommunikation darstellt. Horton und Wohl nennen ihr Modell Symbolischer Interaktionismus, wobei sie medienbezogene Kommunikation als einen Prozess konzipieren, welcher zum einen wie soziale Interaktion abläuft, zum anderen allerdings auch sehr davon abweicht.7
2.1. Vergleich soziale und parasoziale Interaktion
Wenn wir uns in alltäglichen sozialen Interaktionssituationen mit realen Personen befinden, beziehen wir uns meistens auf vorausgegangene Handlungen. Durch bestimmte vorhergehende Ereignisse und Gespräche bilden wir uns eine Meinung über die andere Person und benehmen uns dementsprechend. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zwischen sozialer und parasozialer Interaktion. Gegenüber Fernsehfiguren kann sich das Publikum relativ willkürlich, unverbindlich und folgenlos verhalten, da in parasozialen Interaktionen vorausgehende Handlungen weit weniger von Bedeutung sind. Deshalb haben Rezipient*innen in parasozialen Interaktionen große Handlungsfreiheiten. Zuschauer*innen beurteilen das Verhalten von Figuren in dem Augenblick, in dem sie die Fernsehserie schauen, jedoch verbleiben die moralischen Verurteilungen allerdings weitestgehend ohne Folgen. Die Rezipi- ent*innen sind jedoch nicht in der Lage, parasoziale Interaktionen zu bedingen, weil sie lediglich zwischen vorgegebenen Angeboten entscheiden können und für den weiteren Verlauf der Interaktion ohne Bedeutung sind. Jede einzelne parasoziale Interaktionssituation nimmt im Gegensatz zu sozialen Interaktionen einen bestimmten Verständnisbereich ein, welcher durch mediale Richtlinien und den Intentionen der Zuschauer*innen gesteuert wird. Demnach gelten parasoziale Interaktionen als Modulation von sozialen Interaktionen, weil sie Teil einer anderen Sinnwelt sind. Da bei der parasozialen Interaktion nur die Annahme eines persönlichen Kontakts vorherrscht, dies in Wirklichkeit aber nicht der Fall ist, können sich die Rezipi- ent*innen ohne Handlungsdruck mit den Medienfiguren auseinandersetzen, da sie sich nicht, wie bei der sozialen Interaktion, selbst präsentieren müssen. Reale Menschen, denen wir im alltäglichen Leben wirklich begegnen, nehmen wir als Personen wahr. In Kontrast dazu nehmen wir fiktive Fernsehfiguren meistens wie Personen wahr, wobei Zuschauer*innen häufig in der Lage sind, zwischen den beiden Ebenen problemlos zu wechseln. Das Publikum kann Personen und Figuren unterscheiden, doch in extremen Fällen werden die Figuren allerdings als Teil der Alltagswelt wahrgenommen, sodass parasoziale Interaktion zu Realitätsverlust führen kann.8 Aufgrund der einseitigen Kommunikation durch einen fehlenden Rückkanal mit Figuren ist die soziale Interaktion eingeschränkt, weshalb dieses Phänomen in der Wissenschaft als parasoziale Interaktion bezeichnet wird.9
2.2. Identifikation
Figuren wecken das Interesse des Publikums, wenn ihr Verhalten gegenüber den Zuschauer*innen verwandt wirkt. Um die fiktiven Personen, aber auch reales Personal, medial zu inszenieren, werden sie von Kameras in Szene gesetzt.10 Durch die gering wahrgenommene räumliche Distanz zwischen Publikum und Figur aufgrund von Kameragroßaufnahmen und Kameraschwenk können sich die Zuschauer*in- nen deutlich besser in die Figuren hineinversetzen bzw. ihre Handlungen nachvollziehen sowie sich selbst in der Figur erkennen. Ebenfalls trägt non-verbale Kommunikation, insbesondere Gestik und Mimik, und verbale Bezugnahme zu Auseinandersetzungen mit den Figuren bei.11 Um die Zuschauer*innen an sich zu binden, thematisieren viele Fernsehserien familiäre Handlungssituationen, die aus dem eigenen Leben vertraut sind.
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1 vgl. Krämer 2016,
2 vgl. Hickethier 2012,
3 vgl. Vorderer 1996, S. 12ff.
4 vgl. Vorderer 1996,
5 vgl. Mikos 2015, S. 171ff
6 vgl. Vorderer 1996,
7 vgl. Vorderer 1996, S. 73ff.
8 vgl. Vorderer 1996, S. 14ff.
9 vgl. Krämer 2016,
10 vgl. Mikos 2015, S. 162f.
11 vgl. Krämer 2016, S.253