Der Schleier als Kopfbedeckung ist in der heutigen Zeit ein häufig diskutiertes Thema. Oftmals wird ihm ein negativer Charakter zugeschrieben. Besonders in der Beziehung zwischen der islamischen und der westlichen Gesellschaft ist er ein kritisiertes Objekt. Die Diskussionen über den Schleier und die Verschleierung der Frau werden auch in der Kunst thematisiert. In diesem Zusammenhang kann die Künstlerin Shirin Neshat genannt werden, die den Schleier in ihren Arbeiten in den Vordergrund stellt und mit den Vorurteilen und Stereotypen der westlichen Gesellschaft spielt.
In der vorliegenden Arbeit wird anhand der Fotografie "Identified" auf die Frage nach Grenzen in Bildern eingegangen. Für eine genaue Verortung des Untersuchungsobjekts wird zu Beginn eine Kurzbiografie der Künstlerin Shirin Neshat vorgestellt. Darauf aufbauend folgt eine Beschreibung der Fotoserie "Women of Allah" und der aus dieser Serien stammenden Fotografie "Identified".
Im Anschluss folgt die Untersuchung von Bildergrenzen. Hierbei wird zuerst das Verhältnis zwischen Bild und Betrachter in den Fokus genommen. Daran schließt sich die Analyse des Schleiers als Grenze an. Abschließend wird die Schrift im Bild als zweiter Schleier im Bild untersucht.
Die Schlussbetrachtung soll die gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse zusammenfassen.
Inhaltsverzeichnis
1. Analyseziel
1.1. Der Forschungsstand
2. Shirin Neshat – Kurzbiographie
3. Werkvorstellung
3.1. Fotoserie Women of Allah (1993-1997)
3.2. „Identified”
4. Bildgrenzen
4.1. Bild und Betrachter
4.2. Der Schleier als Grenze
4.3. Text im Bild – Der Schrift-Schleier
5. Schlussfolgerung
6. Bibliografie
7. Abbildungsverzeichnis
1. Analyseziel
Der Schleier als Kopfbedeckung ist in der heutigen Zeit ein häufig diskutiertes Thema. Oftmals wird ihm ein negativer Charakter zugeschrieben. Besonders in der Beziehung zwischen der islamischen und der westlichen Gesellschaft ist er ein kritisiertes Objekt. Die Diskussionen über den Schleier und die Verschleierung der Frau werden auch in der Kunst thematisiert. In diesem Zusammenhang kann die Künstlerin Shirin Neshat genannt werden, die den Schleier in ihren Arbeiten in den Vordergrund stellt und mit den Vorurteilen und Stereotypen der westlichen Gesellschaft spielt.
In der vorliegenden Arbeit wird anhand der Fotografie Identified (Abb.1) auf die Frage nach Grenzen in Bildern eingegangen.
Für eine genaue Verortung des Untersuchungsobjekts wird zu Beginn eine Kurzbiografie der Künstlerin Shirin Neshat vorgestellt. Darauf aufbauend folgt eine Beschreibung der Fotoserie Women of Allah und der aus dieser Serien stammenden Fotografie Identified.
Im Anschluss folgt die Untersuchung von Bildergrenzen. Hierbei wird zuerst das Verhältnis zwischen Bild und Betrachter in den Fokus genommen. Daran schließt sich die Analyse des Schleiers als Grenze an. Abschließend wird die Schrift im Bild als zweiter Schleier im Bild untersucht.
Die Schlussbetrachtung soll die gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse zusammenfassen.
Das Abbildungsverzeichnis zeigt die für die Untersuchung verwendete Fotografie.
1.1. Der Forschungsstand
Die Fotoarbeiten von Shirin Neshat wurden in den Jahren nach ihrer Publikation oftmals in der Forschung untersucht. Besonders der Schleier als Objekt und die Verwendung von Text und Schrift im Bild lagen dabei im Fokus der Untersuchungen. Für die biografische Angaben zu Shirin Neshat wurden die Schriften von Katrin Ströbel und Valeska von Rosen verwendet. Auch sie gehen in ihren Aufsätzen besonders auf die Verwendung des Schleiers und der Schrift im Bild ein. Valeska von Rosen versucht die Bedeutung der Verschleierung zu untersuchen. Dabei geht sie auf die Forschung von Viktoria Schmidt-Linsenhoff ein, welche für die Bearbeitung des Themas von Bedeutung war. Nicht nur die Verschleierung in Neshats Fotoarbeiten wird bei Schmidt-Linsenhoff analysiert, sondern auch der Hijab im Allgemeinen und in der Verbindung zur kolonialen und postkolonialen Fotografie. Neben den erwähnten Autoren werden Werke von Anna Flammersfeld und von Alicja Wawryniuk miteinbezogen. Beide Autorinnen setzen sich in ihren Arbeiten besonders mit der Geschichte des Schleiers und der Schrift auseinander. Daneben beschäftigen sie sich intensiv mit den Arbeiten der Fotostrecke Women of Allah und den verschiedenen Filmarbeiten . Anne-Kathrin Hillenbachs Dissertation über Literatur und Fotografie erwies sich in der vorliegenden Untersuchung ebenfalls als hilfreich, da auch sie sich auf die oben genannten Autorinnen stützt.
2. Shirin Neshat – Kurzbiographie
Shirin Neshat wurde 1957 in Qazvin, im damaligen Persien geboren. Heute zählt das Gebiet zur Islamischen Republik Iran. Die damals ca. 17-Jährige verließ 1974 ihre Heimat, um in die Vereinigten Staaten zu ziehen. Dort studierte sie an der University of California, Berkeley, Fine Arts.1
Nach ihrem Studium zog Neshat nach New York und arbeitete dort als Kuratorin an einem Institut für zeitgenössische Kunst.2
Zum Zeitpunkt ihrer Auswanderung in die USA begannen in ihrem Heimatland erste Unruhen, die 1979 den Anstoß zum Zusammenbruch des Pahlavi-Regimes gaben und die Machtübernahme durch den Ajatollah Khomeini ermöglichten.3
Fünfzehn Jahre nach der islamischen Revolution besuchte Neshat ihre Heimat im Jahre 1990 zum ersten Mal wieder.4
Diese Rückkehr verleitete sie dazu, künstlerisch Tätig zu werden. Es entstand die Fotoserie Women of Allah (1993-1997), die ihr den internationalen Durchbruch brachte.5 Im gleichen Zeitraum entwickelte sie eine ähnliche Fotostrecke mit dem Titel Unveiled. 6
Neben dem Medium der Fotografie stellte die Produktion von Filmen bzw. Kurzfilmen eine Erweiterung ihrer Arbeiten als Künstlerin dar. Die in der Zeit von 1997 bis 20007 entstandenen Kurzfilme von etwa vier Minuten Länge „thematisieren in weiterem Sinne das Geschlechterverhältnis und die geschlechtsspezifische Zuordnung von Räumen [...].”8
Heute lebt und arbeitet Shirin Neshat weiterhin in New York und ist mit Shoja Atari verheiratet. Reisen in ihre Heimat unternimmt sie nicht mehr. Inwieweit diese Entscheidung mit der jetzigen Regierung und mit ihren künstlerischen Tätigkeiten zusammenhängt, kann nicht genau beantwortet werden. Ob eventuelle Verwarnungen, Androhungen oder sogar Anfeindungen stattgefunden haben, wird von Shirin Neshat nicht oder nur andeutungsweise beantwortet.9
3. Werkvorstellung
3.1. Fotoserie Women of Allah (1993-1997)
Wie im vorigen Kapitel erwähnt, bedeutete die Serie Women of Allah für Shirin Neshat den internationalen Durchbruch. Im Zusammenhang mit dieser Fotostrecke wird oftmals ihre andere Fotoserie Unveiling erwähnt. Anna Flammersfeld macht in dem Punkt deutlich, dass von Valeska von Rosen keine klare Unterteilung der Arbeiten in den Serien unternommen hat. Sie datiert die Arbeiten von 1993 bis 1994 und von 1994 bis 1997.10 Von Bedeutung ist diesbezüglich, dass im Jahre 1994 einige Arbeiten entstanden, die den beiden Serien nicht genau zugeordnet werden können. Im Jahr 1993 nimmt Neshat mit unterschiedlchen Galerien Konakt auf und stellt dabei ihre Arbeiten aus. Zu diesem Zeitpunkt liefen die Werke aus den Jahren 1993 und 1994 unter dem Serientitel Unveiling, Jahre später dann unter dem Namen Wo m e n of Allah.11 Trotz der Unterscheidungsschwierigkeiten werden in beiden Serien Fotoarbeiten ausgestellt, die eine konforme Inszenierung aufweisen.
Die Schwarz-Weiß-Fotografien zeigen zum einen verschleierte Frauen in verschiedenen Positionen, zum anderen auch nur bestimmte Körperteile in einer Nahaufnahme, wie Augen, Hände oder Füße.
Alle enthüllten Bereiche sind mit schwarzer und teils auch roter Schrift bedeckt. Hierbei handelt es sich um Farsi, eine persische Sprache.12 Teilweise erinnert die Beschriftung durch ihren kalligrafischen Charakter an Ornamentik. Es ist zu bemerken, dass laut Valeska von Rosen eine Grenzziehung zwischen Bild und Sprache besonders in den fotografischen Darstellungen Untitled und Identified schwierig ist.13
Im Falle der Beschriftung gilt es darauf hinzuweisen, dass diese nicht direkt auf den Körper, sondern erst im Bearbeitungsverfahren auf die Fotografie aufgetragen wurde.14
Möchte man sich als Betrachter nun näher mit den Werken auseinandersetzen, wird vermutlich die Frage aufkommen, welchen Inhalt die Beschriftung aufweist. Ist man der persischen Sprache nicht mächtig, ist es unmöglich die Schrift zu lesen und zu verstehen. Jedoch stellt sich heraus, dass auch der des Persischen kundige Betrachter durch die Fragmentierung und teilweise Unschärfe der Schrift es schwer haben wird, sich den Inhalt zu erschließen.15
Zweifellos handelt es sich bei der Inschrift um Gedichte. Sie stammen von der Dichterin Tahere Saffarzadeh. Shirin Neshat hat also eine Dichterin ausgewählt, die einen ähnlichen Lebensweg erkennen lässt wie sie selbst, sich jedoch schlussendlich in eine „diametral entgegengesetzte Richtung entwickelt hatte.”16
Tahere Saffarazdah verließ nach ihrer Scheidung ebenfalls den Iran, um in den USA zu studieren. Seit ihrer Rückkehr in den 70er Jahren, begann sie in der Zeit der iranischen Revolution Gedichte zu schreiben, in denen Gewalt zum Inhalt ihrer Poesie wird.17 Wie Katrin Ströbel in ihrem Buch veranschaulicht, widmet die strenggläubige Muslimin Saffarazdah ihre Werke sich selbst und gleichzeitig der iranischen Revolution Khomeinis, „da sie die religiös-revolutionäre Bewegung als die einzige Rettung ihres bereits ,verwestlichten’ Heimatlandes sah.”18 Die Fotografien der Serie wurden nicht von Neshat selbst aufgenommen, sondern nur von ihr arrangiert. Sie selbst stand dabei als Model vor der Kamera. Fotografiert wurde sie von ihrem damaligen Ehemann Kong Park, Larry Barns, Cynthia Preston und Plauto.19
3.2. „Identified”
Die ausgewählte Fotografie erschien 1995 in der Serie Women of Allah.20 Zu sehen ist die portraitähnliche Darstellung einer verschleierten Frau. Die Schwarz-Weiß- Fotografie lässt das Bild dabei sehr markant erscheinen. Der Hijab oder Tschador ist, anders als bei den anderen Arbeiten der Serie, ein helles Tuch mit Blumenmustern und verhüllt den Kopf, die Schultern sowie die Arme. Enthüllt bleiben dabei das Gesicht mit den für muslimische Frauen ungewöhnlich stark geschminkten Augen21 und die Hände, die wie zum Gebet zusammengefaltet Mund und Nase bedecken, wirken sehr dunkel und kontrastvoll zum Rest des Bildes. Bereits durch diese verdeckende Haltung, wirken sie wie eine art Schleier. Die Hände werden durch die bereits erwähnte Schrift verziert, wobei es sich bei dem ausgewählten Werk eher um ornamentalische Verzierungen handelt als um ein ausgesuchtes Gedicht wie bei den übrigen Arbeiten der Serie.22 Flammersfeld identifiziert dabei in der Aufschrift neben der persischen Schrift Zahlen, florale Motive und Kartuschen.23 Auf den Handrücken sind diese erwähnten Kartuschen zu sehen, die die Aufschrift „ya mohammad” tragen. Übersetzt bedeutet das soviel wie „Heil Mohammad”.24 Der Text setzt sich auf der linken Hand fort, und zwar folgendermaßen (übersetzt und transkribiert):
ahl – Bürger (Zeigefinger),
gens – Geschlecht (Mittelfinger),
tawalod – Geburtsdatum (Ringfinger).
Auf der rechten Hand, aus der Betrachterstandpunkt links, ist zu lesen:
[...]
1 Vgl.Von Rosen, Valeska: Verschleierung. Frauen im Tschador in Shirin Neshats Photoarbeiten, S.75-93, in: Ikonologie des Zwischenraums. Der Schleier als Medium und Metapher, hrsg. v. Johannes Endres, München 2005, S. 86.
2 Vgl. Ebd. S. 86.
3 Vgl. Ebd. S. 86.
4 Vgl. Ströbel, Katrin: Wortreiche Bilder. Zum Verhältnis von Text und Bild in der zeitgenössischen Kunst, Bielefeld 2013, S. 275.
5 Vgl. Ebd. S. 275.
6 Vgl. Von Rosen: Verschleierung, S. 86.
7 Hier erwähnte Filme sind folgendermaßen namentlich zu nennen und zu datieren: Anchorage, The Shadow under the Web (1997), Turbulent (1998), Rapture (1999), Soliloqui (1999), Fervor (2000).Vgl. Ebd. S. 86.
8 Ebd. S. 86.
9 Vgl. Flammersfeld, Anna: Shirin Neshat: Das Oeuvre der Künstlerin von den Women of Allah (1993- 1997) bis zu den Women without Men (2009) im Spannungsfeld der Kritik an ihrem Werk, Köln 2014, S. 128.
10 Vgl. Ebd. S. 414f.
11 Vgl. Ebd. S. 414.
12 Vgl. Von Rosen: Verschleierung, S. 77.
13 Vgl. Ebd. Fußnote 6, S. 77.
14 Vgl. Ebd. S. 77.
15 Vgl. Ebd. S. 81.
16 Ströbel: Wortreiche Bilder, S. 277.
1 7 Vgl. Von Rosen: Verschleierung, S. 84.
18 Ströbel: Wortreiche Bilder, S. 277.
19 Flammersfeld: Shirin Neshat, S. 146.
20 Vgl. Von Rosen: Verscgleierung, Fußnote 6, S. 77.
21 Viktoria Schmidt-Linsenhoff verweist dabei auf das Schminkverbot für muslimische Frauen. Schmidt-Linsenhoff, Viktoria: Der Schleier als Fetisch. Bildbegriff und Weiblichkeit in der kolonialen und postkolonialen Fotografie, in: Fotogeschichte 20,2000, S. 27.
22 Vgl. Van Rosen: Verschleierung, S.
23 Vgl. Flammersfeld: Shirin Neshat, S.167.
24 Ebd. S. 167.