Im Rahmen der Hausarbeit soll das Beratungssetting im Krankenhaus und die dafür notwendigen Kompetenzen der Pflegekräfte dargelegt werden. Primäres Ziel der Arbeit ist es, nach der Darstellung der Besonderheiten im pflegerischen Beratungsgespräch, Möglichkeiten des Erwerbens von Beratungskompetenz in der Praxis für Auszubildende in Gesundheits- und Krankenpflege herauszuarbeiten. Hierfür werden die Rahmenbedingungen beleuchtet, sowie notwendige Voraussetzungen beschrieben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung in das Thema und Ausgangslage
1.1 Beratung als pflegerische Aufgabe
1.2 Beratungskompetenz erwerben: Ziel der Arbeit
2. Der Beratungsbegriff in der Pflege
2.1 Gesetzliche Regelungen und Ausbildungsinhalte
2.2 Beratungstheorien der Bezugswissenschaften als Orientierung für Beratung in der Pflege
2.3 Beratung aus pflege- und gesundheitswissenschaftlicher Sicht
2.4 Pflegerische Leitgedanken als Beratungsprinzipien
2.5 Kurzübersicht über etablierte Beratungskonzepte in der Pflege
3. Der Beratungsprozess in der Pflegepraxis
3.1 Besonderheiten des Beratungssettings in der Pflege
3.2 Chancen des Beratungssettings in der Pflege
4. Beratungskompetenz erwerben
4.1 Dimensionen der Beratungskompetenz einer Pflegekraft
4.2 Beratung in der theoretischen Pflegeausbildung
4.3 Beratung in der praktischen Pflegeausbildung
4.3.1 Möglichkeiten zur Gestaltung der Lernsituation in der Praxis
4.3.2 Lern-Arrangements für den Erwerb von Beratungskompetenz
4.3.3 Die Rolle der Praxisanleiter(innen) / Pflegelehrer(innen)
4.3.4 Anforderungen an Auszubildende in der Pflege
4.3.5 Kompetenzmessung in der praktischen Pflegeausbildung
5. Zusammenfassende Empfehlungen für den Erwerb von Beratungskompetenz
5.1. Institutionelle Voraussetzungen und günstige Rahmenbedingungen
5.2. Schritte innerhalb der theoretischen Ausbildung
5.3. Schritte innerhalb der praktischen Ausbildung
5.4. Mögliche Themen der Pflegeforschung in Bezug auf Beratung
6. Ausblick
Literaturverzeichnis
Anlagen
1. Einführung in das Thema und Ausgangslage
1.1 Beratung als pflegerische Aufgabe
Die Beratung von Patienten und ihren Angehörigen ist eine bedeutendeAufgabe in der Gesundheits- und Krankenpflege. Die pflegerischeBeratung im Krankenhaus unterscheidet sich in vielfältiger Weise vonBeratungssituationen in anderen sozialen Bereichen, da sie nicht immergeplant stattfindet, sondern häufig in den normalen Tagesablauf miteinfließt. Desweitern stellt die Nähe zum aktuellen Alltag und daskörpernahe Arbeiten in der Pflege für die betroffenen Menschen eine Ausnahmesituation dar. Es entsteht ein „dichter Kontakt“ zum psychosozialen Erleben des Pflegebedürftigen, der diese Arbeitsbeziehung als eine besondere kennzeichnet (vgl. Koch-Straube 2008: 223). Nicht nur die Durchführung von pflegerischer Beratung, sondern auch das Erkennen des Beratungsbedarfs stellt eine professionelle Pflegeleistung mit hohen Kompetenzanforderungen dar (vgl. Petter-Schwaiger 2011:30).
Da die Grundlagen für die Ausführung von Beratungsaufgaben in derPflege innerhalb der Ausbildung gelegt werden, muss es Auszubildendenermöglicht werden die notwendigen Beratungskompetenzen zu erwerben.Hierfür ist es von Bedeutung, geeignete Lernbedingungen undLernmethoden sowie Lernzielüberprüfungen zu etablieren. Es stellt sichdie Frage, wie Auszubildende in der Gesundheits- und Krankenpflege dieKompetenzen für "Beratung in der Pflege" erwerben können und wiedieser Lernerfolg in der Pflegepraxis evaluiert werden kann.
Im Rahmen der Hausarbeit soll das Beratungssetting im Krankenhaus unddie dafür notwendigen Kompetenzen der Pflegekräfte dargelegt werden.Primäres Ziel der Arbeit ist es, nach der Darstellung der Besonderheitenim pflegerischen Beratungsgespräch, Möglichkeiten des Erwerbens vonBeratungskompetenz in der Praxis für Auszubildende in Gesundheits- undKrankenpflege herauszuarbeiten. Hierfür werden die Rahmenbedingungenbeleuchtet, sowie notwendige Voraussetzungen beschrieben.
1.2 Beratungskompetenz erwerben: Ziel der Arbeit
Im Krankenpflegegesetz wird vorgeschrieben, dass die zukünftigPflegenden bereits in der dreijährigen Erstausbildung auf diegewachsenen Anforderungen im Bereich Beratung und Anleitungvorbereitet werden sollten. Beratungskompetenz kann nur erreichtwerden, wenn sich das in der Theorie erworbene Beratungswissen mitLernmöglichkeiten in der Praxis vereinbaren lässt. Da Beratung imPflegealltag häufig nicht fest etabliert ist und eher handlungsbegleitendstattfindet, werden in dieser Arbeit zunächst die Rahmenbedingungen undsomit das Lernumfeld in der Pflegepraxis beschrieben. Dazu gehören dieBesonderheiten des Beratungssettings in der Pflege, aber auch dieLernbegleiter, Lern-Arrangements und nicht zuletzt die Auszubildendenselbst. Ein Ziel dieser Arbeit ist es, unter Berücksichtigung dieserVoraussetzungen, verschiedene Möglichkeiten herauszuarbeiten, denProzess des Erwerbs von Beratungskompetenz zu gestalten.
2. Der Beratungsbegriff in der Pflege
In der Literatur werden die Begriffe „Anleitung“, „Information“, „Schulung“,„Patientenedukation“ und „Beratung“ unterschieden. Es wird davonausgegangen, dass sich diese unterschiedlichen Aktivitäten (wie Anleitenoder Informieren) in Pflegesituationen häufig verschränken, auch wennihnen jeweils sehr unterschiedliche Interventionen zu Grunde liegen(Petter-Schwaiger 2011: 20). Deutlich wird dies in der folgenden Definitionvon Beratung in der Pflege: „ Die pflegerische Beratung als Hilfeangebot unterst ü tzt kranke und pflegebed ü rftige Menschen und deren Bezugspersonendabei, Krankheit und Krisen zu bew ä ltigen. Sie hilft den Betroffenen trotz krankheitsbedingter Einschr ä nkungen, eine m ö glichst gro ß e Handlungsf ä higkeit und Entscheidungsfreiheit zu erhalten, bzw. wieder zu erlangen. Durch Kompetenzf ö rderung wird weitgehende Unabh ä ngigkeit, die Steigerung des Wohlbefindens und der Lebensqualit ä t angestrebt. “ (Petter-Schwaiger 2011:67) In einer Definition von Koch -Straube wird die Beratung in der Pflegekonkretisiert, in dem sie das „Besondere“ von pflegerischer Beratung im Unterschied zu anderen Professionen darstellt. In ihrem leiborientierten Ansatz beschreibt sie Beratung in der Pflege als ein professionellesHilfsangebot, das den Menschen ganzheitlich wahrnimmt und sich auf diebio-psycho-sozialen Ressourcen bezieht (vgl. Koch-Straube 2008: 222).
In den Definitionen werden unterschiedliche Schwerpunktsetzungen deutlich, die sich auf das zugrunde gelegte theoretische Konzept und die Rolle, bzw. das Rollenverständnis der Berater(innen) auswirken. Grundlegend und einheitlich für alle Beratungen in der Pflege ist Vorgabe durch das Krankenpflegegesetz.
2.1 Gesetzliche Regelungen und Ausbildungsinhalte
Das pflegerische Handlungsfeld „ Beratung, Anleitung und Unterstützungvon Patienten und Patientinnen und ihren Bezugspersonen in derindividuellen Auseinandersetzung mit Gesundheit und Krankheit“ ist alseine der vier eigenständigen Aufgaben im Krankenpflegegesetz festgelegt.Laut § 3 soll die Ausbildung zur eigenständigen Ausführung von„Beratung, Anleitung und Unterstützung von zu pflegenden Menschen undihrer Bezugspersonen in der individuellen Auseinandersetzung mitGesundheit und Krankheit befähigen.“ (KrPflG 2003, § 3 Abs. 2, Nr. 1c)
Auch in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung sind Ausbildungszieleund Inhalte zum Thema Beratung formuliert: „Der theoretische undpraktische Unterricht umfasst folgende Themenbereiche (…)Unterstützung, Beratung und Anleitung in gesundheits- undpflegerelevanten Fragen fachkundig gewährleisten.“ (KrPflAPrV 2003,Anlage 1 zu §1 Abs.1) Am 13. Januar 2016 hat das Bundeskabinett denEntwurf eines Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe vorgelegt. DasKranken-, Kinderkranken- und das Altenpflegegesetz wird voraussichtlich2017 abgelöst und die Ausbildung in den Pflegeberufen durch einPflegeberufsgesetz (PflBG) neu strukturiert. Als ein Ausbildungsziel wirdformuliert, dass Pflege neben „präventiven, kurativen, rehabilitativen,palliativen und sozialpflegerischen Maßnahmen zur Erhaltung, Förderung, Wiedererlangung oder Verbesserung der physischen und psychischen Situation der zu pflegenden Menschen, ihre Beratung sowie ihre Begleitung in allen Lebensphasen und die Begleitung Sterbender umfasst (vgl. PflBRefG 2016: Teil 2, § 5 (2). Diese gesetzlichen Änderungen, die voraussichtlich 2018 in Kraft treten werden, machen deutlich, dass Beratung weiterhin ein eindeutiger Schwerpunkt pflegerischer Tätigkeit sein wird. Die konkreten gesetzlichen Forderungen, besonders die Forderung nach Basierung auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, machen neue Ausbildungskonzepte zu dem Thema notwendig.
Die pflegerische Beratung hat des Weiteren mit der Entwicklung derExpertenstandards des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung inder Pflege stark an Einfluss gewonnen. Übergreifende Zielsetzung desDNQP ist die Förderung der Pflegequalität durch evidenzbasierte Praxis-und Expertenstandards in allen Einsatzfeldern der Pflege. Neben derfachlichen Kompetenz der Pflegefachkräfte ist die Beratung derBetroffenen und deren Angehörigen ein wichtiger Aspekt, um dieAnforderungen der Expertenstandards zu erfüllen. Die Implementierungund Umsetzung der Inhalte der Expertenstandards ist für allezugelassenen Pflegeeinrichtungen verbindlich.
Aus diesen Vorgaben heraus wurden Konzepte für die theoretische Begründung von Beratungskonzepten entwickelt.
2.2 Beratungstheorien der Bezugswissenschaften als Orientierungfür Beratung in der Pflege
Da es (noch) keine pflegespezifischen Beratungstheorien gibt, dienen vorhandene Beratungsansätze aus dem Bereich der Psychologie und der Soziologie als Orientierung für Beratung in der Pflege.
- Der humatistisch-personenzentrierte Ansatz aus der humanistischenPsychologie ist auf die Förderung der Stärken und der Selbstbestimmung ausgerichtet. Er gewährleistet in der Beratungshaltung und -handlung die Unterstützung auf der Basis einervertrauensvollen Beratungsbeziehung. In der Pflege bedeutet dies, Anteil am Schicksal der Betroffenen zu nehmen, sie bei der Bewältigung von schwierigen, krankheitsbedingten Lebenslagen zu unterstützen und in Krisensituationen Beistand zu bieten.
- Schwerpunkt des vermittlungs- und verhaltensorientierten Ansatzes aus den Lerntheorien ist es, Informationsdefizite auszugleichen undKrankheitseinsicht und Verhaltensänderung zu fördern. DiePflegeperson ist Wissensvermittler oder „Trainer“. Diese Ansätze sind im Zusammenhang mit Patientenschulungen und Verhaltenstraining zufinden, aber auch bei der pflegerischen Beratung und Anleitung zumVerhalten bei oder nach bestimmten Erkrankungen oder Therapien.
- Der handlungsorientierte Ansatz aus der Soziologie soll selbstbestimmte Entscheidungen ermöglichen, indem gemeinsame Ziele ausgehandelt werden. Die pflegerische Beratung orientiert sich demnach an der Lebenswelt der Patienten.
- Im systemisch-konstruktivistisch Ansatz soll ein Perspektivwechsel im System ermöglicht werden, dafür nimmt der Berater die Perspektive aller Betroffenen ein. Dies ist bei der pflegerischen Beratung vor allem bei chronisch Kranken von Bedeutung, mit dem Ziel, Netzwerke mit einzubeziehen und bei dem Erwerb von Kompetenzen zur Bewältigung der krankheitsbedingten Krise zu unterstützen.
- Der l ö sungs- und ressourcenorientiere Ansatz, der aus der systemischen Therapie / Beratung stammt, ist auf die Unterstützung derFähigkeiten und der Lösungsentwicklung ausgerichtet. In der Beratungwird gemeinsam nach Potentialen und Ressourcen gesucht, was auchein übergeordnetes Prinzip pflegerischer Arbeit darstellt. DieRessourcenorientierung stellt nicht die Defizite in den Vordergrund,sondern unterstützt die Bewältigungsstrategien des Patienten (vgl.Petter-Schwaiger 2011: 44 ff).
Die Festlegung auf eine einheitliche, umfassende Beratungstheorie odereine Beratungskonzept für die Pflege ist aufgrund der sehrunterschiedlichen Zielgruppen und Handlungsfelder nur bedingt möglich.Mit dem Konzept der Integrativen Beratung schlägt Koch-Straube, anstattder (beliebigen) Addition verschiedener Beratungsansätze, eineIntegration vor, die der ganzheitlichen Situation und ihren differenzierten Problemlagen gerecht wird. Schwerpunkte dieses Konzeptes sind Korrespondenz, Integration und Leiblichkeit. (vgl. Koch-Straube 2008:112). Zusammenfassend bedeutet dies für die Beratung in der Pflege,nicht die Krankheit in den Mittelpunkt der Interaktion zu stellen, sonderndas Kranksein und dessen subjektive Bedeutung für den Betroffenen. DasZiel integrativer Beratung ist die Stärkung von Kompetenzen undFörderung von Ressourcen. Menschen sollen in ihrer Aufgabe, schwer zubewältigende oder kritische Ereignisse in ihr Leben zu integrieren,unterstützt werden. Zusammengefasst stehen drei „Lösungsangebote“ zurWahl, welche die Vorgehensweise des Beraters widerspiegeln und in derPraxis häufig miteinander verbunden sind: Informations- undOrientierungsangebote, Deutungs- und Klärungsangebote und Handlungs-und Bewältigungsangebote (vgl. Petter-Schwaiger 2011: 116).
2.3 Beratung aus pflege- und gesundheitswissenschaftlicher Sicht
Es existieren verschiedene pflegespezifische Beratungskonzepte, jedochgibt es keine einheitliche umfassende Beratungstheorie im Pflege- undGesundheitsbereich. Die pflegespezifischen Beratungskonzepte sind denunterschiedlichen Handlungsfeldern und Patientengruppen angepasst.Dennoch haben sie eine gemeinsame Grundlage auf der Basis einerPflegetheorie. Die meisten europäischen Pflegetheorien nutzen die„Lebensaktivitäten“ als Grundlage, die Förderung von Ressourcen istdabei ein zentraler Bestandteil. In der Patientenedukation, die ein Teildes Konzeptes zur Gesundheitsförderung in der Pflege ist, spielen gesundheitswissenschaftliche Modelle eine Rolle. Als Patientenedukationwerden alle Maßnahmen in Bezug auf Schulung von Patienten in Hinblickauf ihre Erkrankung mittels Anleitung, Information und Beratungbezeichnet. Alle psychologischen und pädagogischen Maßnahmen derPatientenedukation dienen der Verbesserung des Gesundheitszustandesund der Gesundheitskompetenz (Health Literacy) des Patienten. Alsleitende gesundheitswissenschaftliche Modelle dienen das Salutogenese-Modell von Antonovsky (Kohärenzförderung) und das Stress-Coping-Modell von Lazarus/Folkmann. Eine weitere Rolle spielt der Ansatz des Empowerments aus der Sozialarbeit. Er beinhaltet die Förderung der Fähigkeit des selbständigen oder selbstbestimmten Handelns, die mitMotivation und Partizipation einhergeht (vgl. Menche 2015, S.187). Diesepflegespezifischen Beratungskonzepte weisen Gemeinsamkeiten auf, dieals pflegerische Leitgedanken zur Beratung formuliert werden können.
2.4 Pflegerische Leitgedanken als Beratungsprinzipien
Der Beratungsbegriff kann durch folgende Gemeinsamkeiten der pflegerischen Beratungskonzepte konkretisiert werden:
- Die Zielgruppe sind Menschen mit gesundheitlichen Problemen.
- Beratung wird im professionellen Zusammenhang als „Hilfe zur Selbsthilfe“ verstanden.
- Ein Ziel ist, durch Kompetenzförderung beim Selbstmanagement und bei der Alltagsbewältigung zu unterstützen.
- Beratung unterstützt als integrativer Bestandteil pflegerischer Arbeit dabei, ein hohes Maß an Lebensqualität (wieder) zur erlangen (vgl. Petter-Schwaiger 2011: 66).
Die Orientierung an pflegerische Leitgedanken ist auch für das Erlernenvon Beratung von Bedeutung, da hieraus konkrete Beratungsprinzipienabgeleitet werden können. Thematische Schwerpunkte sind hierbei imRahmen der theoretischen Pflegeausbildung: Salutogenese, Ressourcenorientierung, Biografie-Orientierung, Fallverstehen, Leiborientierung, Alltags- und Lebensweltorientierung, das humanistische Menschenbild und die Patienten- und Subjektorientierung (siehe Anlage 1, S. 31).
Die pflegerischen Leitgedanken können auch zur Orientierung für die Planung und Durchführung von etablierten Beratungskonzepten in der Pflege dienen (vgl. Petter-Schwaiger 2011: 103).
2.5 Kurzübersicht über etablierte Beratungskonzepte in der Pflege
Pflegerische Beratung findet auch innerhalb zentral organisierterBehandlungsprogramme für chronisch kranke Menschen statt (Disease-Management-Programme). Beispielsweise wurden zielgruppenspezifisch„Das Pflegeberatungsmodell für chronisch Kranke“ von Hüper undHellige, „Die biografieorientierte Beratung für chronisch Kranke“ von Abt-Zegelin, „Das systemische Beratungsmodell für die Onkologie“ vonHummel-Gaatz und Doll und die „Leiborientierte Beratung“ von Koch-Straube entworfen (vgl. Petter-Schwaiger 2011: 53 f). Bei dem Konzeptder Mikroschulungen des Netzwerkes Patienten- und Familienedukationin der Pflege e.V. liegt der Fokus eher auf dem Erlernen einer Verhaltensweise, einer (pflegerischen) Intervention oder auf Wissenszuwachs zu einem bestimmten Thema. In den letzten Jahren sind Patienteninformationszentren (PIZ) entstanden, deren Schwerpunkt eher eine Informationsweitergabe ist, in denen Pflegende aber auch beratend tätig sind. Von den Pflegekassen werden unentgeltlich Kurse für pflegende Angehörige angeboten. Diese sind als Schulungskurse konzipiert, haben aber auch Anleitung und Informationen, Beratung und Unterstützung zu den unterschiedlichsten Themen als Ziel.
Immer häufiger werden in Krankenhäusern Pflegefachpersonen mitExpertenwissen und / oder akademischer Ausbildung, sog. AdvancedNursing Practice (ANP), eingesetzt. Sie übernehmen in dergesundheitlichen Versorgung erweiterte Aufgaben, zu denen auch dieBeratung in dem jeweiligen Fachgebiet gehört, z. B. Beratung im BereichStomaversorgung, Wundmanagement, Kontinenzförderung, Diabetes,Schmerzmanagement (Pain-Nurse), Stillberatung (Breast-Care-Nurse)oder bei bestimmten chronischen Erkrankungen (z.B. Parkinson-Nurse).
Abzugrenzen ist der Begriff „ Pflegeberatung “, der innerhalb des SGB XIverankert wurde. Es besteht ein gesetzlicher Anspruch auf eineindividuelle Pflegeberatung, wenn Leistungen nach SGB XI in Anspruchgenommen werden. Beratungsthemen sind eher organisatorischer undrechtlicher Art. Pflegeberatungen dieser Art finden in Pflegestützpunkten,bei ambulanten Pflegediensten und an kommunalen Stellen statt.
Die genannten Beratungskonzepte werden in einem definierten Setting umgesetzt, d.h. die Beratung ist geplant und zeitlich, räumlich und inhaltlich strukturiert. Ein mögliches, gemeinsames Gliederungsinstrument stellt der Beratungsprozess dar.
3. Der Beratungsprozess in der Pflegepraxis
In einer Arbeit von Doll und Hummel-Gaatz wurde aufgrund der Analysevon fünfzehn Beratungsmodellen beschrieben, dass Beratung einArbeitsprozess mit aufeinander aufbauenden Handlungsschritten ist. AlsGliederungsinstrument wurde, in Anlehnung an den etabliertenPflegeprozess, die Beratung in der Pflege als Problemlösungsprozessdargestellt: Phase 1: Beziehung herstellen o Phase 2: Beratungsbedarfe /-bed ü rfnisse erfassen o Phase 3: Beratungsziele aushandeln o Phase 4: L ö sungen entwickeln o Phase 5: Beratungsprozess reflektieren o Phase 6: Beratungsprozess beenden (vgl. Doll, Hummel-Gaatz 2006:209). Dieser Prozess verläuft eher zirkulär und verschränkt. In allenProzessmodellen wird Beratung als ein interaktiver Prozess beschrieben,dessen Voraussetzung eine gute Vertrauensbasis ist.
Aus den Phasen des Beratungsprozesses ergeben sich die Bausteine als Schritte auf dem Weg zur Beratungskompetenz:
- eine professionelle, personenzentrierte Beratungshaltung entwickeln(Wertschätzung, Empathie, Kongruenz)
- Orientierung an pflegerischen Leitgendanken (Empowerment als Haltung)
- Beratungsangebote dem individuellen Bedarf anpassen (Beratungsbedarf erfassen und einschätzen)
- Den Beratungsprozess lösungsorientiert gestalten (vgl. Hadeland 2013: 2).
Theoretische Konstrukte dieser Art sind u.a. Bestandteil der theoretischenAusbildung zum Thema Beratung in der Gesundheits- und Krankenpflege.Die praktische Anwendung ist, außerhalb der institutionalisierten Beratungen, im „Pflegealltag“ erschwert, da das Pflegesetting durch besondere Bedingungen geprägt ist.
3.1 Besonderheiten Beratungssettings in der Pflege
In „Pflege Heute“, einem Standardlehrbuch für die Pflegeausbildung,beschreibt Menche, dass für Patientenberatung hohe fachliche,methodische und personale Kompetenz notwendig ist, die Pflegende inihrer Ausbildung erwerben. Gleichzeitig beschreibt sie die schlechtenRahmenbedingungen, in denen Gespräche stattfinden. Hierzu gehörtbeispielsweise, dass Gespräche häufig unter Zeitdruck und ungeplantstattfinden, so dass die Pflegenden sich nicht darauf vorbereiten können.Die räumliche Situation ist häufig so, dass kein ausreichender Schutz derPrivatsphäre gewährleistet werden kann. Diese Rahmenbedingungenerschweren den Erwerb von Beratungskompetenz in der Praxis odermachen ihn in vielen Situationen beinahe unmöglich. Hinzu kommt, dassdie (häufig ungeplanten) Beratungsthemen mit existenziellen Krisenzusammenhängen, die sich aus der akuten oder langfristigenPflegesituation ergeben. Zum Teil ist psychologisches Wissen nötig, wennes um Zukunftssorgen, mangelndes Zugehörigkeitsgefühl undAnerkennung, um Verlust der Selbstständigkeit und Abhängigkeitsgefühlgeht. Seelische Unterstützung ist oft ein Teil der Beratung, wenn Patientenoder Angehörige z.B. mit einer Amputation oder einer Demenz fertigwerden müssen (vgl. Menche 2015: 192).
Die Widersprüche zwischen dem Anspruch an eine pflegerische Beratungund den Möglichkeiten der Umsetzung im Pflegealltag können eineBegründung dafür bieten, dass Beratung für viele Pflegende eine großeHerausforderung ist. Menche führt weiter aus, dass Pflegende befürchten,keine Antwort zu wissen und dies als „Versagen“ zu empfinden. Siebeschreibt die mangelnde Anerkennung der Beratungstätigkeit imRahmen der Pflegearbeit. (vgl. Menche 2015: 193). Eine weitereBesonderheit des Pflegesettings ist, dass aufgrund der Arbeitsverdichtungkaum zeitlichen Ressourcen vorhanden sind. Lt. Zegelin zeigen Studien, dass bei Engpässen die interaktive Arbeit als erstes aufgegeben wird (vgl. Zegelin 2013: 637). Ähnliches wird beispielhaft von Koch-Straubebeschrieben: „Da sich Pflegende in der Regel für eine professionelleBeratung noch nicht in der Lage fühlen, lenken sie ab und versuchen sichallgemein helfend zuzuwenden (trösten, ablenken ermuntern usw.). Wenndas nicht hilft, wenden sie sich praktischen Tätigkeiten zu oder brechenden Kontakt ab.“ (Koch-Straube 2008: 73). Als Begründung für dasVermeidungsverhalten vermutet sie Angst der Pflegeden vorÜberforderung durch die Beratungsthemen, die von Leiden, Ängsten undKonflikten geprägt sind. Zwar wird ein Beratungsbedarf von den Pflegeden(gerade in der leiborientierten Pflege) wahrgenommen, aber häufig wirdausweichend reagiert. Als Begründung beschreibt Koch-Straube ebenfallsUnsicherheit, Zeitmangel, Angst vor Überforderung, mangelndethematische Kompetenz oder fragliche Zuständigkeit der Pflegenden(Koch-Staube 2008: 81f).
Petter-Schwaiger resümiert, dass Beratungshandeln von Pflegenden zwarwahrgenommen wird, aber eher „nebenbei“, spontan und ungeplantstattfindet. Es ist eher an Defiziten orientiert und bleibt derzeit demEngagement einzelner Pflegekräfte überlassen. Zum Teil ist Beratungeher Handlungsanleitung oder „Dolmetscher-Aufgabe“ der Pflegendenzwischen Arzt und Patient z.B. nach Visiten. Unsicherheit herrscht imUmgang mit psychosozialen Problemlagen, die eher der „psychischenBetreuung“ als der Beratung zugeordnet wird. Wie Pflegende mit diesenWidersprüchen umgehen können bleibt offen. Wissenschaftlich fundierteAntworten auf diese Fragen gibt es derzeit noch sehr wenige (vgl. Petter-Schwaiger: 10). Koch-Straube beschreibt in diesem Kontext den Begriff„Alltagsberatung“ als Verhaltensrepertoire der Angehörigen allerpädagogischen und sozialen Berufe, die das entlastende Gefühlvermitteln, mit dem Problem nicht alleine zu sein (vgl. Koch-Straube 2008, S. 69). „Die große Anforderung an die Fachkraft besteht darin, dendringenden Beratungsbedarf zu erkennen, eine angemessene Interventionzu platzieren und diese in den Versorgungsverlauf zu integrieren.
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