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Hausarbeit, 2011
19 Seiten, Note: 1,3
1. Einleitung
2. Entwicklung der bilateralen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Volksrepublik China
3. China-EU heute: Eine ambivalente Beziehung
3.1 Warum die Beziehungen zwischen der EU und China nicht strategisch sind
3.2 Konfliktfelder aus europäischer Sicht
3.3Konfliktfelder aus chinesischer Sicht
4. China-EU morgen: eine „strategische Partnerschaft“? Eine Analyse der Hindernisse und Chancen auf dem Weg zu einer vertieften Kooperation
4.1Politik: Europas und Chinas Rolle im 21. Jahrhundert
4.2Wirtschaft - Wohlstandsgarant oder Gefahr?
4.3 Schlüsselfelder der zukünftigen Kooperation: Klimawandel und Energiesicherheit
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
Zukunftsmarkt und Konkurrent, Annäherung und Abgrenzung, Chance und Gefahr für Europa - das Bild der Volksrepublik China (im Folgenden auch: China)1 in Europa erscheint ambivalent. Neben der Wirtschaft wächst auch das chinesische Selbst- und Machtbewusstsein. Noch nie ist es einem Staat in 30 Jahren gelungen, so viele Menschen in so kurzer Zeit aus der Armut zu befreien. Befeuert durch Amerikas moralisches und militärisches Debakel im Irakkrieg hat die Diskussion über Chinas Rolle in der Weltpolitik des 21. Jahrhunderts an Fahrt aufgenommen.
Europa dagegen sieht sich nach wie vor als das eigentliche Zentrum der Welt. Schauplatz zweier verheerender Kriege in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in der zweiten Hälfte Schauplatz eines beeindruckenden Integrationsprozesses mit dem vorläufigen Resultat einer Europäischen Union mit 27 Staaten. Stabilität, Frieden, Freiheit und Wohlstand nehmen die meisten Europäer als Normalzustand wahr - obwohl es historisch betrachtet die Ausnahme ist.
China ist in vielen Bereichen nach wie vor ein Entwicklungsland, nur wenige Provinzen profitieren bislang vom Wachstum. Europäische Wissenschaftler beschäftigt angesichts des Aufstiegs der BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien) und insbesondere Chinas eher die Frage, wie Europa seinen bisherigen Einfluss wahren kann.2
Trotz dieser unterschiedlichen Ausgangspositionen gibt es zwei Bänder, die Europa und China aneinander binden: die sich stetig vertiefende ökonomische Interdependenz und die Notwendigkeit, globale Probleme wie z.B. den Klimawandel multilateral zu lösen.
In diesem Zusammenhang sind die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und China von besonderer Bedeutung. Sie sollen das Thema dieser Hausarbeit sein. Mein Ziel ist dabei nicht die detaillierte Analyse eines Teilbereichs, sondern eine möglichst präzise und umfassende Darstellung im Dreischritt Entwicklung (Kapitel 2), aktuelle Probleme (Kapitel 3) und Perspektiven (Kapitel 4). Der Schwerpunkt soll dabei auf den Perspektiven liegen, insbesondere auf der Frage, inwieweit die Beziehungen zwischen China und der EU „strategischer“ (Definition siehe Kapitel 3.1) werden können.
Die Fachliteratur zum Thema China ist umfangreich und hochwertig, was die Relevanz und Brisanz der bilateralen Beziehungen unterstreicht. Aufgrund der logischen Struktur, der inhaltlichen Tiefe und der breiten Betrachtungsweise hat die Abhandlung von Grant/Barysch (2008) „Can Europe and China shape a new world order?“3 besonderen Eingang in diese Arbeit gefunden. Als kurze, pointierte Einführung ins Thema ist der Aufsatz von Almut Möller (2010)4 zu empfehlen.
Die Beziehungen zwischen der VR China und der EU bestehen seit dem Besuch eines EG-Kommissars in China im Jahr 1975.5 Sie sind bis heute primär wirtschaftlicher Natur. Nach einem ersten Handelsabkommen 1978 wurde im Jahr 1985 ein Abkommen über handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit geschlossen, das bis heute der wichtigste gesetzliche Rahmen der Beziehungen ist.6 Die steigende Bedeutung der Beziehungen zeigte sich 1988 in der Eröffnung einer Vertretung der Europäischen Kommission in Beijing.7
Ein Jahr später kam es infolge der Menschenrechtsverletzungen bei den Protesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking im Mai und Juni 1989 zu einer starken Abkühlung der Beziehungen. Die EU verhängte umfangreiche Sanktionen und ein Waffenembargo gegenüber China. Während die Sanktionen ab Oktober 1990 wieder schrittweise aufgehoben wurden, besteht das Waffenembargo formal bis heute.8
Im Jahr 1995 veröffentlichte die Kommission das erste Strategiepapier zu China mit dem Titel „Eine Langfristige Politik für die Beziehungen zwischen China und Europa“.9
Es wird sowohl die steigende handelspolitische Bedeutung der Beziehungen als auch die zukünftige Rolle Chinas als sicherheitspolitischer Akteur in Asien betont.10
Im zweiten Strategiepapier 199811 wurden als politische Ziele der Kommission die stärkere Einbindung Chinas in die internationale Gemeinschaft und Weltwirtschaft, die Förderung der Transformation Chinas hin zu einer offenen, rechtsstaatlichen Gesellschaft, die Verstärkung der wirtschaftlichen Beziehungen und die Verbesserung der Präsenz der EU in China postuliert.12
2001 trat China der WTO (World Trade Organization) bei, was den weitgehenden Abbau von Importquoten und Zöllen zur Folge hatte.13 Der Beitritt wurde von der EU begrüßt.
Seit dem dritten Strategiepapier 200314 ist von „strategischer Partnerschaft“ die Rede. Im gleichen Jahr veröffentlichte Beijing zum ersten Mal ein Strategiepapier zur EU15, das die Qualität und die Bedeutung der Beziehungen betont, aber auch kritische Punkte anspricht: die EU solle keinen Kontakt zur tibetischen Exilregierung und dem Dalai Lama aufnehmen, es solle keinen Austausch mit Taiwan auf offizieller Ebene geben, die EU solle China den vollständigen Marktwirtschaftstatus gewähren und das Waffenembargo aufheben.16
Aufgrund folgender Ereignisse hat sich das Verhältnis spätestens ab 2006 deutlich abgekühlt: der Textilstreit, die Auseinandersetzung um die Aufhebung des Waffenembargos, das Scheitern des EU-Verfassungsentwurfs und die dadurch gesunkene Bedeutung der EU in den Augen Chinas17, die europäische Berichterstattung über die Olympischen Spiele in Peking 200818 und die „privaten“ Empfänge des Dalai Lama durch Angela Merkel und Nicolas Sarkozy in ihren Regierungszentralen.19 Trotz der politischen Konflikte hat sich seit 2006 das Handelsvolumen weiter erhöht. Dem notwendigen, auch langfristigen, Bedarf an Kooperation wurde 2008 mit dem Start eines hochrangigen strategischen Wirtschaftsdialoges Rechnung getragen.20
Ob eine Beziehung zwischen zwei Staaten den Begriff „strategisch“ verdient, hängt von der Definition des Begriffs ab. Hier soll eine „strategische Partnerschaft“ bedeuten, dass die Beziehungen langfristig, umfassend und stabil sind, von beiden Seiten positiv bewertet werden, auf beständigen Interessen basieren und von einem gemeinsamen Kanon von Grundrechten getragen werden.21 Nach dieser Definition sind die Beziehungen zwischen der EU und China nicht strategisch. Zwar bestehen die Beziehungen schon seit 1975, doch von einer langfristigen Planung oder gemeinsamen Zielen kann keine Rede sein.22 Die einzige Konstante ist die sich vertiefende Verflechtung der Volkswirtschaften, die bislang allerdings noch nicht zu einer signifikanten stärkeren politischen Verknüpfung geführt hat.23
Ingrid d’Hooghe hat die nach wie vor stark unterschiedlichen Weltanschauungen von Europäern und Chinesen anhand der Begriffe „Multilateralismus“ und „Demokratisierung“ verdeutlicht. Die chinesische Führung verstehe „Multilateralismus“ als Multipolarität staatszentriert im Sinne der realistischen Schule der internationalen Beziehungen, während die Europäer bei Multipolarität auch Souveränitätsübertragung implizieren. Unter „Demokratisierung“ verstehe die chinesische Führung Verantwortungsbewusstsein, Zuständigkeit und Rechenschaftspflicht, während die Europäer dazu auch Pressefreiheit, eine unabhängige Jusitz, Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechte zählten.24 Beide Seiten suchen nach besserem Verständnis, aber die Gefahr von Missverständnissen bleibt hoch.
Die EU ist für die Chinesen eine weitgehend positive wirtschaftliche Kraft, die zu wichtig ist, sie zu ignorieren. Als Akteur in der Sicherheitspolitik wird Brüssel nicht wahrgenommen. Gleichzeitig tut sich Beijing schwer, die Komplexität der EU zu verstehen.25
Ein wichtiges Thema aus europäischer Sicht, das immer wieder für Konflikte sorgt, ist das Thema Menschenrechte. Bis 1989 kaum von Interesse26, ist es seit der gewaltsamen Niederschlagung der Studentenproteste in der europäischen Öffentlichkeit das wichtigste und im offiziellen Dialog ein wichtiges Thema.27
In den vergangenen drei Jahren waren daneben aber immer stärker wirtschaftliche Konflikte zwischen der EU und China festzustellen. Die EU ist Chinas größter Handelspartner, China ist der zweitwichtigste Handelspartner der Union, direkt nach den USA. Im Jahr 2009 verzeichnete die EU ein Handelsbilanzdefizit gegenüber China von 133 Mrd. Euro.28
Dabei zerfällt die EU in zwei Fraktionen mit unterschiedlichen Interessen. In den südlichen und östlichen Ländern der Union fürchtet man sich vor dem Aussterben ganzer Industriezweige durch den Anstieg der chinesischen Importe29, die Unternehmen in den nördlichen Ländern, allen voran im exportorientierten Deutschland, klagen über nicht-tarifäre Handelshemmnisse, die unterbewertete chinesische Währung Renminbi, diskriminierende Lizensierungsregelungen auf dem chinesischen Markt, Subventionen für chinesische Firmen, Markenpiraterie und die Verletzung der geistigen Eigentumsrechte.30
[...]
1 Mit „China“ ist immer die Volksrepublik China (seit 1949) gemeint.
2 Als Beispiel können die Klimaverhandlungen von Kopenhagen gelten. Vgl. Gerald Traufetter: USA und China verbrüderten sich gegen Europa. In: Spiegel Online, 7.12.2010. Online:http://spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,733230,00.html.
3 vgl. Charles Grant, Katinka Barysch: Can Europe and China shape a new world order? Centre for European Reform. London 2008. Online: http://www.cer.org.uk/pdf/p_837.pdf. Zuletzt geprüft am: 2.1.2011.
4 vgl. Almut Möller: Konkurrenz belebt das Geschäft: Wie China Europa voranbringt. 29.06.2010. Online: http://www.bpb.de/themen/1RJSKE.html. Zuletzt geprüft am: 2.1.2011
5 vgl. ebd.
6 vgl. Fraser Cameron: The Development of EU-China Relations. In: The European Union and China: interests and dilemmas. Hg. von Georg Wiessala [u.a.]. Amsterdam 2009, S. 47-64, S. 49.
7 vgl. Möller 2010.
8 vgl. Franco Algieri: Die China-Politik der EU: Auf dem Weg zum pragmatischen Realismus. In: Globale Außenpolitik der Europäischen Union: interregionale Beziehungen und „strategische Partnerschaften“. Hg. von Annegret Bendiek Heinz Kramer. Baden-Baden 2009, S. 150-172, S. 153.
9 Europäische Kommission: Eine Langfristige Politik für die Beziehungen zwischen China und Europa. Brüssel, 5.7.1995, KOM (1995) 279 endg.
10 vgl. Algieri 2009, S. 153.
11 Europäische Kommission: Für eine umfassende Partnerschaft mit China. Brüssel, 25.3.1998, KOM (1998) 181 endg.
12 vgl. Stefan Fröhlich: Die Europäische Union als globaler Akteur. Eine Einführung. Wiesbaden 2008, S. 223.
13 vgl. Ansgar Belke; Julia Spies: Die Außenhandelspolitik der EU gegenüber China. In: Wirtschaftsdienst (Heidelberg), 87 (2007) 7, S. 458-466, S. 458.
14 Europäische Kommission: Die Beziehungen EU - China. Gemeinsame Interessen und Aufgaben in einer heranreifenden Partnerschaft. Brüssel, 10.9.2003, KOM (2003) 533 endg.
15 Ministry of Foreign Affairs of the People’s Republic of China: China’s EU policy paper. Peking 2003.
16 vgl. Cameron 2009, S. 60.
17 vgl. Cameron 2009, S. 61.
18 vgl. Ingrid d’Hooghe: The limits of China's soft power in Europe : Beijing's public diplomacy puzzle. Clingendael Diplomacy Papers; No. 25. Den Haag 2010, S. 35. Online: http://www.clingendael.nl/publications/2010/20100100_cdsp_paper_dhooghe_china.pdf. Zuletzt geprüft am: 2.1.2011.
19 vgl. Kerry Brown; Stanley Crossick: The EU and China: Time for a change? Asia Programme Paper/Chatham House; ASP PP 2009/03. London 2009. Online: http://www.chathamhouse.org.uk/files/15416_1109pp_euchina.pdf. Zuletzt geprüft am: 2.1.2011.
20 vgl. Hanns Günther Hilpert: Strategischer Wirtschaftsdialog mit China: eine neue Chance für die europäische Handelspolitik. In: SWP-aktuell; 43/2008. Berlin 2008. Online:http://www.swp- berlin.org/common/get_document.php?asset_id=5009. Zuletzt geprüft am: 2.1.2011.
21 Angelehnt an Dai Bingran, jedoch halte ich den geteilten Kanon von Grundrechten im Gegensatz zu Dai für zwingend. Vgl. Dai Bingran: Common goals and interests: some reflections on the EU-China partnership. In: Nachdenken über Europa: Probleme und Perspektiven eines Ordnungsmodells. Festschrift für Reimund Seidelmann. Hg. von Iwona Hanska. Baden-Baden 2009, S. 371-385, S. 372.
22 vgl. Grant/Barysch 2008, S. 18.
23 vgl. Brown/Crossick 2009, S. 6.
24 vgl. d’Hooghe 2010, S. 9.
25 vgl. Brown/Crossick 2009, S. 10.
26 vgl. Stefan Friedrich: Außenpolitik. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.), ,,Informationen zur politischen Bildung Nr. 289: Volksrepublik China. Bonn 2005, S. 61-69, S. 65.
27 Seit 1995 gibt es den mäßig erfolgreichen Menschenrechtsdialog der EU mit China, vgl. Algieri 2009, S. 163. In der europäischen Öffentlichkeit war zuletzt die Vergabe des Friedensnobelpreises an den Bürgerrechtler Liu Xiaobo ein Thema.
28 Statistiken zum bilateralen Handel der EU mit de Volksrepublik China: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2006/september/tradoc_113366.pdf
29 Ein Beispiel ist der Textilstreit von 2005. Vgl. Algieri 2009, S. 157.
30 vgl. Grant/Barysch 2008, S. 37.