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Seminararbeit, 2012
16 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2. Das Verhältnis zum Tier im 21. Jahrhundert
2.1 Zwischen Verhätschelung und Ausbeutung: eine Schieflage
2.2 Produkt „Tier“
2.3 Das „vergessene“ Tier
3. Tiere in der Bibel
3.1 Numinosität und Gottunmittelbarkeit
3.2 Bedeutung der Tiere in der Hl. Schrift
4. Herausforderungen
4.1 Gegen Massentierhaltung
4.2 Christliche Perspektive
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
Die vorliegende Arbeit thematisiert die Veränderungen des Verhältnisses von Mensch und Tier von der biblischen Zeit des alten Israels zum heutigen Status von Haus- und Nutztieren in den Industrienationen, der so genannten „Ersten Welt“. Hier werden Tiere heute nur noch selten als Mitgeschöpfe mit einer eigenen Digni- tät wahrgenommen, sondern dienen in der Massentierhaltung nur noch der maxi- malen Profitgier des Menschen. Auch in der Theologie unserer Zeit, deren Auftrag es ja auch ist, die Schöpfung zu wahren, spielen Tiere keine besonders große Rolle. Dass dies in der biblischen Zeit anders war, dass nämlich das Alte Testament die Tiere als Mitgeschöpfe, Partner des Bundes mit Gott und sogar Lehrmeister für ein gelingendes Leben mit Gott vorstellt, will diese Arbeit exemplarisch aufzeigen und mit der Numinosität und Gottunmittelbarkeit zwei grundlegende Topoi anführen, die die Tiere innehaben und dem alttestamentlichen Menschen selbstverständlich waren, heute aber vergessen scheinen.
Ein abschließender Appell für eine neue Wertschätzung der Tiere und ein Blick aus christlicher Sicht auf das Nutzungsverhalten von Tieren sollen die Notwendigkeit aufzeigen, den Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung neu bewusst zu machen.
Die Beziehung zwischen Mensch und Tier ist von einer großen Ambivalenz gekenn- zeichnet. Zum einen betrifft das die Haustiere: Die Deutschen und ihre Tiere - das ist Verhältnis, das sehr von Extremen geprägt ist. Bello, Miezi und Co. müssen oft als Ersatz für Partner oder Kind herhalten, werden in Waschsalons geschleppt, für rein- rassige Zuchthunde werden aberwitzige Beträge ausgegeben, ebenso für Tierärzte, Hundesalons und- schulen. Yorkshire-Terrier Daisy, der Hund des verstorbenen Mo- dezaren Rudolph Moshammer, wurde von seinem Herrchen mit Hut und Schleife drapiert umhergetragen. In Münster-Handorf gibt es einen Kleintierfriedhof1, wo Menschen ihre liebsten Vierbeiner zu Grabe tragen können, inklusive kostspieligem Grabstein. Auf der anderen Seite: Wachhunde, die ihr Leben lang in einem Zwinger eingesperrt bleiben und funktionalisiert werden, um ungebetene Gäste vom eige- nen Anwesen zu vertreiben, Hunde und Katzen, deren überforderte Halter ihre Tie- re irgendwo angebunden ihrem Schicksal überlassen.
Der Blick auf Mast-, Schlacht- und Milchtiere verdeutlicht die Divergenz besonders stark: In Großbetrieben ist das Ziel die größtmögliche Erhöhung des erwirtschafte- ten Ertrages, und die Tiere werden als seelenlose Automaten wahrgenommen.
Ende des letzten Jahres zeigte das Erste Deutsche Fernsehen eine Reportage2 über die Haltungsbedingungen im größten deutschen Geflügel verarbeitenden Konzern, der zum größten Produzenten von Geflügel in Europa gehört, der mit einer hohen Qualität, Sicherheit und Transparenz wirbt, die Bilder aber zeigten die realen Bedin- gungen, unter denen Hühner, Hähnchen und Puten in kürzester Zeit „schlachtreif“ gemästet wurden: eine Halle mit 25.000 Tieren, mindestens 23 Tiere pro Quadrat- meter, die in ihrem eigenen Kot stehen, sichtbar unter den Bedingungen leiden und starke Schäden an den Klauen und an der Haltung aufweisen. In dieser Reportage wurde das System einer Massentierhaltung vorgestellt, in dem alles, vom Futter bis zum Tiefkühlhähnchen, aus einer Hand kommt. Bilder der Massentierhaltung hat wohl jeder schon gesehen, aber dem Schein nach genauso schnell wieder verges- sen.
Wir sprechen im Alltag von geflügelproduzierenden Betrieben und das nicht in An- führungszeichen - ein alternatives Wort für „Produzenten“ ließe auf einen größeren Respekt vor den Tieren, die dem Mensch als Nahrung dienen, schließen. So aber unterstreicht dies die These von Jonathan Safran Foer3, dass Massentierhaltung ein Krieg sei, den der Mensch gegen das Tier führe - und das eigentlich Problematische daran sei die Geisteshaltung, die dahinter stehe - wenn sich nämlich alles der Ge- winnmaximierung unterordne, indem die Tiere genetisch verändert, auf engstem Raum eingesperrt werden und unnatürliches, mit Antibiotika versetztes Futter er- hielten.
Die Verhältnisse in Deutschland entwickeln sich in Richtung der Vereinigten Staaten, wo 99 % aller Landtiere, die dem Menschen Fleisch, Eier oder Milch liefern, aus der Zucht in Massentierhaltung kommen4.
Tierschutzorganisationen5 weisen außerdem mit Recht darauf hin, dass die „bittere Wahrheit“, wie mit den Tieren umgegangen wird, vor den Verbrauchern verschlei- ert wird. In den idyllischen Kinderbüchern werden glückliche Schweine auf grünen Wiesen illustriert, während in der Realität in vielen Mastbetrieben die Tiere in Drahtkäfigen in fensterlosen Hallen aneinandergereiht sind, um eine maximale Menge an Fleisch, Eiern und Milch bei minimaler Platzanforderung zu erwirtschaf- ten. Die Tiere können sich nicht einmal umdrehen, sie werden jeder Bewegungs- möglichkeit beraubt, damit die ganze Körperenergie in das Fleisch geht; die wegen dieser Verhältnisse entstehenden Krankheiten werden mit großen Mengen von An- tibiotika behandelt, die die Verbraucher natürlich mitessen. Den „Legehennen“ werden Schnabelspitzen entfernt, der Draht der Käfige scheuert ihre Haut auf und verkrüppelt die Füße, fast 10 % sterben innerhalb von einem Jahr an Stress und Er- krankung. Wenn die Eierausbeute nach zwei Jahren nachlässt, werden die Tiere geschlachtet - die normale Lebenserwartung einer Henne beträgt 15 Jahre. Brat- hähnchen erleben eine Qualzucht: Sie werden ununterbrochen gefüttert, bis sie schon nach 40 Tagen ihr Schlachtgewicht erreichen; Herz und Lunge kommen kaum mit der so schnell zunehmenden Körperfülle mit. Schweinen, Kälbern und Rindern geht es nicht besser.
Man kann also sagen, dass in unserer Zeit das richtige Verhältnis zum Nutztier verlo- ren gegangen ist. Der Profitmaximierung wird alles, bis auf wenige Ausnahmen in der ökologischen Landwirtschaft, untergeordnet. Die Tiere, die uns dienen, werden oftmals nicht mehr als Geschöpfe wahrgenommen; unter dem Motto „Geiz ist geil!“ ist oftmals der Preis einziges Kriterium für die Gegebenheiten der Tierhaltung - so muss sich der Wunsch nach artgerechter Haltung und einem würdevollen Schlach- ten hinten anstellen, denn das ist vielen Endverbrauchern einfach zu teuer.6
Den Umgang mit Tieren betreffend gibt es also eine Pervertierung der rechten Ord- nung zwischen „Verhätschelung“, Lebenspartnerersatz und maximaler Profitgier und Ausbeutung, vor allem in der „ersten Welt“ und zeitgleich eine desensibilisierte Emphatie der Gesellschaft für die Zuchttiere - weil in ihrem Lebensraum kaum noch Tiere vorkommen.
Die Beziehung zu den Tieren hat sich auch insofern geändert, als dass die Tiere ei- gentlich aus unserem Alltag verschwunden sind. Sie wurden in der europäischen Geschichte an den Rand gedrängt, vor allem in der Phase der Industrialisierung, als Fleisch, Eier und Milchprodukte immer wichtiger wurden. Die Industrialisierung im 19. und 20. Jahrhundert und vor allem die Hauptphase der industriellen Landwirt- schaft nach dem Zweiten Weltkrieg und der damit einhergehenden Strukturwandel durch die Nutzung des agrartechnischen Fortschritts haben dafür gesorgt, dass Tiere im Lebensumfeld heutiger Generationen kaum noch auftauchen, wenn man nicht zufällig auf einem Bauernhof lebt. Tierhaltende Großbetriebe versuchen alles, um Medien und Interessenten von ihren Betriebsstätten fernzuhalten, um etwaige Be-sucher nicht zu schockieren. Hier wird deutlich, dass die Menschen zwar grundsätz-lich für eine artgerechte Haltung von Tieren sind und nur schwer die grausamen Fernsehbilder der Massentötung anschauen können, aber nicht bereit sind, den Preis dafür zu bezahlen. Kein Wunder: Dem tiefgefrorenen Hähnchen sieht man seinen Leidesweg ja auch nicht an. „Tiere waren als Gefährten und Feinde des Men-schen beinahe allgegenwärtig“7, schreibt Bernd Janowski im Blick auf vergangene Jahrhunderte über die Wild- und Haustiere, für die heutige Zeit kann man das si-cherlich nicht sagen – der Witz von dem Kind, das glaubt, alle Kühe seien lila, drückt doch, wenn auch überspitzt, etwas Wahres aus.8
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1 vgl. http://www.kleintierfriedhof-ms.de
2 SWR-Reportage „Das System Wiesenhof - Wie ein Konzern Tiere, Menschen und Umwelt ausbeute“, s. http://mediathek.daserste.de/sendungen_a-z/799280_reportage-dokumentation/8068044_ard- exclusiv-das-system-wiesenhof (abgerufen am 22. Februar 2012)
3 FOER, Jonathan Safran: „Tiere essen“; zitiert nach HAGENCORD, Rainer: Die Würde der Tiere, 113.
4 HAGENCORD: Würde, 113.
5 Vgl. www.peta.de (28.2.2012); inwieweit die Zahlen zutreffen, kann nicht überprüft werden. Die Tatsache aber, dass es die beschriebenen Missstände gibt, ist unbezweifelt.
6 Die Stiftung Warentest schreibt, dass Öko-Hähnchen etwa viermal so teuer sind wie ein Hähnchen aus einem Mastbetrieb, vgl. Stiftung Warentest: Hähnchenbrustfilets Unternehmensverantwortung, http://www.test.de/themen/essen-trinken/test/Haehnchenbrustfilets- Unternehmensverantwortung-Ware-Huhn-4137300-4138836 (01.03.2012)
7 JANOWKSI: Gefährten, 1.
8 Dass auch videospielsüchtige Großstadtkinder wissen, dass es lila Kühe nur in der Werbung gibt, haben mehrere Studien ergeben, während bisher noch niemand einen seriösen Beleg für die Lila-Kuh-Behauptung liefern konnte. 1997 wurde sogar eine Studie mit dem Namen Studie Lila Kuh durchgeführt, um genau diesem Gerücht auf den Grund zu gehen. Das Ergebnis war negativ. Dafür fand man ein anderes Ergebnis: Offenbar glauben viele Zivilisationskinder, Enten seien gelb, was vermutlich auf irgendwelche Cartoon-Figuren oder Quietscheentchen zurückzuführen ist. Wie die Mär mit den lila Kühen entstand, ist nicht bekannt, könnte aber darauf zurückzuführen sein, dass viele Kinder (ca. 10%, vor allem Kleinkinder) in Bezug auf die Milka-Kuh, Kühe lila malen, vgl. auch das „Bambi-Syndrom: 2003 glaubten 11 Prozent der Kinder, dass Enten gelb seien – 1997 waren es noch 7 Prozent. Vgl. http://www.zeit.de/2007/21/Stimmts-Bambi-Syndrom (30.02.2012)