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Seminararbeit, 2008
20 Seiten, Note: 2,0
1. Einleitung ± Der Darfur-Konflikt
2. Sexuelle Gewalt als kennzeichnendes Muster des Darfur-Konflikts
2.1. Rahmen der Vergewaltigungen
2.2. Der Akt
3. Warum werden Zivilisten in bewaffneten Konflikten zu Zielscheiben?
3.1. Vergewaltigung als Bestandteil der Kriegsführung
3.2. Die Folgen der Vergewaltigung von Frauen in Darfur
3.2.1. Ehre, Schande und Stigma
3.2.2. Vergewaltigung und Heiratsfähigkeit
3.2.3. Vergewaltigung und Schwangerschaft
3.2.4. Medizinische Folgen
3.2.5. Opfer als Kriminelle
4. Vergewaltigung als Völkermord?
4.1. Vergewaltigung als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
4.2. Vergewaltigung als Merkmal eines Genozids
4.2.1. Was ist Genozidüberhaupt?
4.2.2. Körperlicher oder seelischer Schaden
4.2.3. Maß nahmen zur Geburtenverhinderung
4.2.4. Der Vorsatz
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
In Darfur konkurrieren seit langem sesshafte schwarzafrikanische Gruppen, wie etwa die Fur, Zaghawa und Massalit, mit arabischen Nomaden um Weideland und landwirtschaft- liche Gebiete. Durch eine zunehmende Verknappung des fruchtbaren Landes im Kontext der fortschreitenden Desertifikation verschärfte sich der Konflikt seit den achtziger Jah- ren. Dazu kamen Arabisierungsbestrebungen der sudanesischen Regierung. Sie nutzte das bestehende Konfliktpotential, um eigene Interessen zu verfolgen. Die schon vorher existenten Spannungen erhielten nun eine ethnische und rassische Dimension.1
Im Februar 2003 eskalierte der Konflikt, nachdem sich zwei aus den schwarzafrikani- schen Ethnien hervorgegangene Rebellenorganisationen gebildet hatten, die der sudane- sischen Zentralregierung in Khartoum den bewaffneten Kampf ansagten und das Ende der Marginalisierung und Benachteiligung der afrikanischen Ethnien sowie mehr Mitbe- stimmung im Staat und eine Entwicklung ihrer Region forderten. Die SLA (Sudanesische Befreiungsarmee) und die JEM (Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit) griffen staatliche Einrichtungen an, um ein Zeichen gegen die Marginalisierung zu setzen. Der Aufstand führte zu einer massiven militärischen Reaktion der sudanesischen Regierung, die arabische Reiter-Nomaden aus der Region Darfur, die unter der Bezeichung Janjaweed bekannt wurden, mit Waffen versorgte und ausbildete, um die Rebellen nie- derzuschlagen. Die Regierung unterstützte die Janjaweed sowohl militärisch als auch logistisch und verschaffte ihnen die bedingungslose Straffreiheit. Die Ethnien der Fur, Zaghawa, Massalit, Dajo, Tunjur, Tawa und andere Gruppen, aus deren Mitte die Rebel- lengruppen entsprangen, wurden verdächtigt mit der SLA und der JEM zu verkehren und sie zu unterstützen. Daher nahmen die Milizen nicht nur die Rebellen, sondern vor allem die Zivilbevölkerung ins Visier, die fortan Opfer der Terrorisierung wurden. So begingen die Janjaweed in enger Kooperation mit der sudanesischen Regierung schwere systemat i- sche Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gemäß des humanitären Völkerrechts an der nicht-arabischen Zivilbevölkerung Darfurs, die sich vor allem in außergerichtli- chen Hinrichtungen, Tötungen von Zivilisten, Folter, Vergewaltigungen, Verschleppung, Zerstörung und Plünderung von Häusern, Dörfern und Lebensgrundlagen sowie Vertrei- bung widerspiegelten. Die sudanesische Regierung beteiligte sich selbst mit Bombarde- ments von Dörfern aus der Luft an der Terrorisierung der Zivilbevölkerung und behin- derte zudem über viele Monate hinweg humanitäre Hilfslieferungen.2
Im Zuge des Darfur-Konflikts sind nach Schätzungen der Vereinten Nationen seit dem Jahre 2003 hunderte Dörfer zerstört worden und etwa 300.000 Menschen ums Leben gekommen. Die Zahl der Binnenvertriebenen liegt nach VN-Angaben zur Zeit bei etwa 2,2 Millionen. Zudem sind seit Beginn der Kämpfe etwa 232.000 Menschen in das Nachbarland Tschad geflüchtet, etwa 48.000 weitere in die Zentralafrikanische Republik. Unter Einschluss der hilfsbedürftigen ortsansässigen Bevölkerung sind derzeit über 4 Millionen Menschen von der Krise betroffen.3 Nach 5 Jahren des Konflikts und trotz der Unterzeichnung des Darfur Peace Agreement im Mai 2006 halten multiple Muster der Gewalt an. Darfur wurde durch den United Nations Humanitarian Coordinator im Sudan als die größte humanitäre Krise der Welt bezeichnet.4
Innerhalb dieser Hausarbeit möchte ich mich mit der Vergewaltigung von Frauen und Mädchen in Darfur beschäftigen. Denn der erhebliche strategische und organisierte Einsatz der sexuellen Gewalt ist eine der dominanten Charakteristiken des Konflikts und ein wesentlicher Bestandteil der Angriffe auf Zivilisten am Boden.5
Zuerst möchte ich die Rahmenbedingungen dieser Vergewaltigungen erläutern, um ein klares Bild zu schaffen, was Kriegsvergewaltigungen in Darfur wirklich konstituieren. Auch werde ich dabei untersuchen, ob bei den Akten selbst schon gewisse hintergründige Intentionen der Täter sichtbar werden. Anschließend gehe ich allgemein auf den Einsatz von Vergewaltigungen im Krieg ein und hinterfrage den Zweck und die Gründe, die Kriegsteilnehmer dazu bewegt, nicht nur militärische Ziele anzugreifen, sondern auch die Zivilbevölkerung dem Terror auszusetzen. Hierzu ist es wichtig, einzubeziehen, welche Konsequenzen die Übergriffe für die Opfer in Darfur haben, da die Täter offensichtlich diese Folgen in Kauf nehmen beziehungsweise bewirken wollen. Zu beachten ist der kul- turelle Kontext, in dem die sexuelle Gewalt geschieht und die Werte, die in dieser Ge- sellschaft vorherrschen. Diese Werte bestimmen auch, welche Folgen Vergewaltigungen etwa für die Heiratsfähigkeit und die soziale Identität haben, und auch ob vergewaltigte Frauen Hilfe, etwa von den Justizbehörden, zu erwarten haben. Anhand der Position der vergewaltigten Frauen in der Darfuri-Gesellschaft und auch im Strafrechtssystem wird hier auch der entscheidende Unterschied zwischen diesen Übergriffen und sexueller Ge- walt in der westlichen Welt deutlich. Abschließend möchte ich anhand der zuvor veran- schaulichten Tatsachen und Konsequenzen sowie dem Rechtsvergleich mit dem Ruanda- Tribunal und anderen rechtlichen Grundlagen bestimmen, ob die Vergewaltigungen in Darfur ein Merkmal eines Genozids sind.
In der überwiegenden Mehrheit aller Übergriffsfälle, in denen die Täter identifiziert wer- den, handelt es sich um bewaffnete arabische Männer in Militäruniformen, somit um Mitglieder des Regierungsmilitärs, Polizisten der sudanesischen Regierung oder Pro- Regierungs-Milizen (Janjaweed).6 Viele Übergriffe geschehen (auch in Form von Grup- penvergewaltigungen) im Rahmen von Angriffen auf Dörfer. Einige Frauen werden ent- führt, für mehrere Tage in Gefangenschaft gehalten und während dieser Zeit wiederholt vergewaltigt.7
Die Plünderung und Zerstörung der dörflichen Regionen Darfurs führte zu einer ausge- dehnten Vertreibung der Zivilisten. Mehr und mehr Menschen flohen in die vermeintli- che Sicherheit und sammelten sich größtenteils in der Peripherie der Städte und größeren Dörfer der Region in Flüchtlingscamps und informellen Siedlungen an. Viele der größten Städte Darfurs sind auch Garnisonsstädte, die Militär- und Milizenstützpunkte beherber- gen. Die Flüchtlingsgebiete stehen daher meist unter der direkten Kontrolle der Regie- rung, ihrer Polizei und der Janjaweed, die das Land außerhalb der Camps und Siedlungen besetzen und an den Grenzen patrouillieren. Die Binnenflüchtlinge sind daher durch jene, die für ihre ursprüngliche Vertreibung verantwortlich sind, wiederum in ihrer Bewe- gungsfreiheit eingeschränkt und befinden sich in einer Art faktischem Gefängnis. In der Nähe dieser IDP-Camps kommt es nun wiederum zu Vorkommnissen der sexuellen Ge- walt. Dort angesiedelte Frauen und Mädchen sind gezwungen, diese Übergriffe bewusst zu riskieren, wenn sie sich außerhalb der Campgrenzen in abgeschiedenen Gegenden bewegen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, Einkommen zu generieren und innerhalb der Camps zu überleben.8
Gemäß des UN Office of the High Commissioner for Human Rights sind der Hauptteil der Opfer sexueller Gewalt heute Frauen, die in Binnenflüchtlingslagern leben.9
Die Vergewaltigungen werden meist von anderen Formen der Misshandlung begleitet, etwa Schlägen mit der bloßen Hand, Stöcken und Waffenkolben sowie Auspeitschen. Ein anderes wiederkehrendes Merkmal ist das offensichtliche Ziel der Erniedrigung. So werden Frauen zur Entkleidung gezwungen, aufgereiht, beleidigt und verspottet, bevor man sie letztendlich, meistens öffentlich und kollektiv vergewaltigt. Während die meis- ten Männer bei Angriffen umgebracht werden, kommt es nur selten zur Tötung von vergewaltigen Frauen und Mädchen.10
Bei Befragungen von betroffenen Frauen in Flüchtlingscamps wurde dokumentiert, dass während der sexuellen Übergriffe rassistische und diskriminierende Beleidigungen an die Opfer gerichtet werden. Stammeszugehörigkeit und Hautfarbe sind dabei bestimmende Themen. Sie illustrieren eine zu Grunde liegende rassistische Motivierung der Vergewaltigung: Ä :H ZLOO PDNH D OLJKWHU EDE\ ³ oder Ä 7KHUH LV QR SODFH KHUH IRU WKH 1HJURHV aQ\PRUH ³ Vergewaltigungsopfer werden außerdem als Ä6NODYH³ RGHU Ä 7RUDERUD ³ (ein DEIlOOLJHV :RUW I U Ä5eEHOO³ bezeichnet. Angesichts dieser Aussagen scheint das Ziel der arabischen Janjaweed-Milizen darin zu bestehen, Darfur von den ethnischen Gruppen IUHL ]X PDFKHQ GLH DOV Ä$IULNDQHU³ LGHQWLIL]LHUW ZHUGHQ N|nnen.11
Vergewaltigung war immer eine übliche Charakteristik bewaffneter Konflikte und ein integraler Bestandteil der Kriegsführung.12
So ist sie nicht nur auf die hoch-publizierten Fälle im früheren Jugoslawien oder Ruanda beschränkt. In den vergangenen Jahren hat die internationale Gemeinschaft auch viele andere Beispiele des Einsatzes von Massenvergewaltigungen im Dienste des Krieges, der ethnischen Säuberung und des Genozids bezeugt, etwa in Bangladesh und Bosnien, und auch durch die Regierung und ihre Milizen in der Region Darfur im Sudan.13 Oftmals wird sie als eine unvermeidbare Konsequenz beziehungsweise eine bedauerliche Begleiterscheinung des Krieges akzeptiert, nicht als ein ernstliches Verbrechen, ge- schweige denn als eine Strategie, welche tatsächlich signifikant den Krieg beeinflussen könnte. Kriegsvergewaltigungen allerdings nur als individuellen Gewaltakt oder die Su- che eines Soldaten nach sexueller Erfüllung zu sehen wird ihrem Nutzen und ihrer Rolle im Krieg nicht gerecht. Der Kontext des Krieges verändert den Grund und den Zweck von Vergewaltigung. Sie wird in diesem Rahmen der Akt eines Staates, einer Nation, einer ethnischen Gruppe oder eines Volkes und zu einem Teil der Kriegsbemühungen.14 Um die Beweggründe der Täter zu erfassen, werde ich nun die persönlichen und gesell- schaftlichen Auswirkungen der Vergewaltigungen auf das Leben der Betroffenen be- leuchten.
[...]
1 AI 2004: 22; Auswärtiges Amt 2008
2 Askin 2006: 142; 144 f.; HRW 2008: 6; AI 2004: 3 f.; RI 2007: 1 f.
3 Auswärtiges Amt 2008
4 HRW 2008: 7; AI 2004: 3
5 HRW 2008: 10; RI 2007: 1 f.; Askin 2006: 142
6 OHCHR 2005: 10; AI 2006: 2
7 Askin 2006: 143 ff.; HRW 2008: 11
8 Askin 2006: 143 ff.; HRW 2008: 11, 15; AI 2004: 15 f.; AI 2006: 2; OHCHR 2005: 10; RI 2007: 3
9 RI 2007: 1 f.
10 Askin 2006: 144; OHCHR 2005: 10; RI 2007: 3; HRW 2008: 12 f.; UNDP Sudan 2006: 4
11 AI 2006: 2, 144 ff.; RI 2007: 3, 11; HRW 2008: 12 f., 16; OHCHR 2005: 10
12 Mahoney 2000: 156, 159; Scholz 2007: 275 f.; Askin 2006: 143
13 Mahoney 2000: 156; Scholz 2007: 277
14 Mahoney 2000: 159; Scholz 2007: 275 f.; Askin 2006: 143