„Dass irgendein Mensch auf Erden ohne Vorurteil sein könne, ist das größte Vorurteil“. Dieses Zitat aus dem 18. Jahrhundert von dem deutschen Schriftsteller August von Kotzebue verdeutlicht, dass Vorurteile kein Phänomen der modernen Gesellschaft sind und sich wohl kaum ein Mensch davon frei sprechen kann, keine Vorurteile zu haben. Neuere Untersuchungen konnten zeigen, dass Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit nicht nur am Rande unserer Gesellschaft existieren. Laut einer sozialwissenschaftlichen Studie aus dem Jahr 1995 sind 15% der Gesamtbevölkerung als stark fremdenfeindlich einzustufen und 35% der Gesamtbevölkerung als „etwas“ fremdenfeindlich. Das bedeutet, dass die Hälfte der deutschen Bevölkerung eine fremdenfeindliche Haltung einnimmt. 1994 befasste sich eine Studie des Emnid- Instituts mit der Einstellung der Deutschen gegenüber Juden und anderen Minderheiten und kam zu dem erschreckenden Ergebnis, dass Vorurteile gegenüber Juden nach wie vor existieren. So sagte jeder Dritte aus, dass Juden „zu viel Einfluß [sic] auf die Vorgänge in der Welt“ hätten. Jeder Fünfte sagte außerdem, dass er Juden nicht so gerne als Nachbarn hätte (vgl. Ahlheim u. Heger 1998, 10). Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass es notwendig ist, sich mit dem Phänomen Vorurteil und den häufig aus Vorurteilen resultierenden Diskriminierungen auseinanderzusetzen. Doch was genau sind Vorurteile und wie entstehen diese überhaupt? Diesen und anderen Fragestellungen möchte ich in folgender Arbeit auf den Grund gehen. Zunächst werde ich daher den Begriff Vorurteil definieren. Unter Punkt 2.2 erfolgt dann die Darstellung der Funktionen des Vorurteils. Unter Punkt 2.3 werden dann die wichtigsten Bereiche dargestellt, die zur Entstehung oder auch Aufrechterhaltung von Vorurteilen beitragen. Bevor ich mich dann mit dem Thema Diskriminierung auseinandersetzen werde, möchte ich kurz auf den Zusammenhang von Vorurteil und Diskriminierung eingehen. Unter Punkt 4.1 erfolgt schließlich die Definition des Begriffs Diskriminierung. Unter Punkt 4.2 soll anhand eines Beispiels verdeutlicht werden, wie bereits Kinder Erfahrungen mit Diskriminierungen machen und wie sie diese erleben. Abschließend soll erläutert werden, welche Reaktionen Vorurteile und Diskriminierungen in den Opfern hervorrufen können. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Vorurteile
2.1 Definition des Begriffs Vorurteil
2.2 Die Funktionen des Vorurteils
2.2.1 Vorurteile als Orientierung
2.2.2 Gruppenbildung durch Ein- und Ausgrenzung
2.2.3 Legitimation und Rechtfertigung von Herrschaftsausübung
2.2.4 Stabilisierung von Machtverhältnissen
2.3 Die Entstehung von Vorurteilen
2.3.1 Die Übernahme von Vorurteilen durch Familienmitglieder
2.3.2 Die Erziehung zum autoritären Charakter
2.3.3 Die Suche nach dem Sündenbock
2.3.4 Die Bedeutung der Eigengruppe (Wir – Gruppe)
2.3.5 Der Konformismus
2.3.6 Die Kultur
2.3.7 Die Schule
2.3.8 Der Einfluss der Medien
3. Der Zusammenhang von Vorurteil und Diskriminierung
4. Diskriminierung
4.1 Definition des Begriffs Diskriminierung
4.2 Erfahrungen mit Diskriminierungen
5. Reaktionen auf Vorurteile und Diskriminierung
6. Fazit
7. Anhang
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Dass irgendein Mensch auf Erden ohne Vorurteil sein könne, ist das größte Vorurteil“. Dieses Zitat aus dem 18. Jahrhundert von dem deutschen Schriftsteller August von Kotzebue verdeutlicht, dass Vorurteile kein Phänomen der modernen Gesellschaft sind und sich wohl kaum ein Mensch davon frei sprechen kann, keine Vorurteile zu haben. Neuere Untersuchungen konnten zeigen, dass Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit nicht nur am Rande unserer Gesellschaft existieren. Laut einer sozialwissenschaftlichen Studie aus dem Jahr 1995 sind 15% der Gesamtbevölkerung als stark fremdenfeindlich einzustufen und 35% der Gesamtbevölkerung als „etwas“ fremdenfeindlich. Das bedeutet, dass die Hälfte der deutschen Bevölkerung eine fremdenfeindliche Haltung einnehmen. 1994 befasste sich eine Studie des Emnid- Instituts mit der Einstellung der Deutschen gegenüber Juden und anderen Minderheiten und kam zu dem erschreckenden Ergebnis, dass Vorurteile gegenüber Juden nach wie vor existieren. So sagte jeder Dritte aus, dass Juden „zu viel Einfluß [sic] auf die Vorgänge in der Welt“ hätten. Jeder Fünfte sagte außerdem, dass er Juden nicht so gerne als Nachbarn hätte (vgl. Ahlheim u. Heger 1998, 10). Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass es notwendig ist, sich mit dem Phänomen Vorurteil und den häufig aus Vorurteilen resultierenden Diskriminierungen auseinanderzusetzen. Doch was genau sind Vorurteile und wie entstehen diese überhaupt? Diesen und anderen Fragestellungen möchte ich in folgender Arbeit auf den Grund gehen.
Zunächst werde ich daher den Begriff Vorurteil definieren. Unter Punkt 2.2 erfolgt dann die Darstellung der Funktionen des Vorurteils. Unter Punkt 2.3 werden dann die wichtigsten Bereiche dargestellt, die zur Entstehung oder auch Aufrechterhaltung von Vorurteilen beitragen. Bevor ich mich dann mit dem Thema Diskriminierung auseinandersetzen werde, möchte ich kurz auf den Zusammenhang von Vorurteil und Diskriminierung eingehen. Unter Punkt 4.1 erfolgt schließlich die Definition des Begriffs Diskriminierung. Unter Punkt 4.2 soll anhand eines Beispiels verdeutlicht werden, wie bereits Kinder Erfahrungen mit Diskriminierungen machen und wie sie diese erleben. Abschließend soll erläutert werden, welche Reaktionen Vorurteile und Diskriminierungen in den Opfern hervorrufen können.
2. Vorurteile
2.1Definition des Begriffs Vorurteil
Von der ursprünglichen Wortbedeutung her gesehen, „[...] würde das Wort Vor-urteil ein Urteil bedeuten, das gefällt wird, bevor die Möglichkeit gegeben ist, das Objekt aus eigener Erfahrung zu beurteilen“ (Davis 1964, 52).
Dieser Definition zur Folge können Vorurteile sowohl positiv als auch negativ wertend sein. Im Folgenden soll es um den negativen Aspekt des Vorurteils gehen, denn dieser ist in unserem Sprachgebrauch am weitesten verbreitet.
Ein bekannter Vorurteilsforscher Namens G. Allport sagte:
„Vielleicht lautet die kürzeste aller Definitionen des Vorurteils: Von anderen ohne ausreichende Begründung schlecht denken “ (Allport 1971, 20).
Diese sehr knappe Definition wurde von Allport noch erweitert.
„Ein ethnisches Vorurteil ist eine Antipathie, die sich auf eine fehlerhafte und starre Verallgemeinerung gründet. Sie kann ausgedrückt oder auch nur gefühlt werden. Sie kann sich gegen eine Gruppe als ganze richten oder gegen ein Individuum, weil es Mitglied einer solchen Gruppe ist“ (Allport 1971, 23).
Diese erweiterte Definition schließt den Gruppenaspekt mit ein. Das heißt die meisten Vorurteile beziehen sich nicht auf eine Person und seine Persönlichkeit, sondern auf die Gruppenzugehörigkeit einer Person.
Ein wichtiger Aspekt des Vorurteils ist, dass es eine geäußerte Überzeugung darstellt. Das heißt der Vorurteilsvolle nimmt an, dass das Gesagte der Wahrheit entspricht. Daher ist es folglich auch sehr schwierig, jemanden mit Gegenargumenten und Fakten von der Falschheit seines Vorurteils zu überzeugen. Dabei sind Vorurteile weder objektiv, noch theoretisch geprüft (vgl. Ahlheim u. Heger 1998, 7).
2.2 Die Funktionen des Vorurteils
Zunächst einmal ist festzustellen, dass Vorurteile für den Vorurteilsvollen gewisse Funktionen erfüllen. Durch die Erläuterung der Funktionen wird auch deutlich, warum Vorurteile kein seltenes Phänomen darstellen, sondern eher ein fester Bestandteil menschlichen Miteinanders sind.
2.2.1 Vorurteile als Orientierung
Durch die Entwicklung von Vorurteilen ist ein Individuum in der Lage in neuen und unübersichtlichen Situationen den Überblick zu behalten und eine gewisse Eindeutigkeit der Situation herzustellen. Des weiteren ermöglichen Vorurteile in diesem Zusammenhang, dass Entscheidungen getroffen werden können ohne, dass man lange über sie nachdenken müsste. In diesem Sinne sind Vorurteile eine Art „Orientierungshilfe im Alltag“, denn sie stellen Eindeutigkeit her und vermindern die Verhaltensunsicherheit einer Person (vgl. Ahlheim u. Heger 1998, 7; Schmalz-Jacobsen u. Hansen 1997, 246).
„Vor-Urteile ermöglichen Routine-Handeln in einer komplizierten Umwelt, erleichtern alltägliche Entscheidungen, ohne dass jeweils erst eine ,Denkpause’ eingelegt, umständlich nachgedacht werden müsste. Vor-Urteile reduzieren, wie die Soziologen sagen, Komplexität“ (Ahlheim u. Heger 1998, 7).
Unter diesem Gesichtspunkt erscheinen Vorurteile als ein notwendiges Instrument bei der Bewältigung des Alltags.
2.2.2 Gruppenbildung durch Ein- und Ausgrenzungen
„Vorurteile dienen der Gruppenbildung durch Ein- und Ausgrenzungen“ (Schmalz-Jacobsen u. Hansen 1997, 247). Durch Vorurteile wird ein positives Bild der Eigengruppe erzeugt und dementsprechend ein negatives Bild der Fremdgruppe. Die Eigengruppe stellt die Gruppe dar, der ein Individuum angehört und in der er von „Wir“ spricht. Fremdgruppen sind folglich diejenigen Gruppen, der ein Individuum nicht angehört ( vgl. Markefka 1984, 5). Das „Wir“ – Gefühl oder auch Zugehörigkeitsgefühl innerhalb der Eigengruppe und die Abgrenzung von der Fremdgruppe wird mit Hilfe von Vorurteilen (gegenüber der Fremdgruppe) verstärkt.
„Vorurteile erlauben Aggressionsverschiebung in Richtung Fremdgruppen zur Sicherung der Eigen(Wir-)gruppe u. erhalten so die Intragruppen- Solidarität“ (Schmalz-Jacobsen u. Hansen 1997, 247).
Den Mitgliedern der Fremdgruppen werden negative Eigenschaften zugeschrieben. Dadurch ist dann die Möglichkeit gegeben die aufgestauten Aggressionen an den Mitgliedern der Fremdgruppe auszulassen und dafür Zuspruch in der Eigengruppe zu erhalten.
„Vorurteile spielen nicht nur eine Rolle im psychischen Haushalt eines Individuums, sie dienen vielmehr auch der (Ver-)Sicherung der Gruppenidentität von Voreingenommenen: Die ,Wir’- Gruppe wird klar von ,den Anderen’ abgegrenzt und erscheint um so positiver, je stärker die Fremdgruppe diffamiert und abgewertet wird“ (Ahlheim u. Heger 1998, 31).
2.2.3 Legitimation und Rechtfertigung von Herrschaftsausübung
Vorurteile können geschickt dazu genutzt werden, das Machtgefälle zwischen Majoritäten und Minoritäten zu sichern, das heißt also die Minderheiten machtlos und „klein“ zu halten (vgl. Schmalz-Jacobsen u. Hansen 1997, 247). Dementsprechend wird es für die Minderheit zu einem schweren Unterfangen, gegen die herrschenden Vorurteile der Mehrheit anzukommen.
2.2.4 Stabilisierung von Machtverhältnissen
Vorurteile dienen außerdem dazu, die bestehenden Machtverhältnisse zu stabilisieren. Dies gelingt durch die Bereitstellung von „Sündenböcken“ und Mythenbildung (vgl. Schmalz-Jacobsen u. Hansen 1997, 247).
So könnte zum Beispiel eine Regierung die Schuld für ihr eigenes Versagen bei anderen, nämlich den so genannten Sündenböcken suchen, um selbst nicht an Macht zu verlieren.
2.3 Die Entstehung von Vorurteilen
In der Vorurteilsforschung wurde zunächst davon ausgegangen, dass Vorurteile bzw. Abneigungen oder feindselige Haltungen gegenüber Fremden angeboren sind (vgl. Davis 1964, 53; Heckmann 1992, 129). Diesbezüglich interpretierte man die Reaktionen von Kindern und Erwachsenen auf Fremde. Da Kinder bei der Begegnung mit einer fremden Person meistens erschraken, wurde davon ausgegangen, dass eine gewisse Abneigung gegenüber Fremden angeboren sei. Jedoch ergaben Untersuchungen, dass die Reaktionsweise eines Kindes auf einen Fremden durch unterschiedliche Faktoren bestimmt wird.
„Weiterhin haben Untersuchungen ergeben, daß [sic] ein Kind keineswegs immer von einem >Fremden< erschreckt wird. Es kommt einmal auf das Kind an (ob es sich geborgen fühlt oder zu Ängstlichkeit neigt) und zum anderen auf die Situation (ob die Mutter eine ängstliche oder abweichende Haltung einnimmt etc.) und schließlich auf das Verhalten des >Fremden< selbst “ (Davis 1964, 53).
Kinder reagieren auch oftmals ohne Angst auf eine fremde Person und bauen sehr schnell Vertrauen auf. Des weiteren konnten Untersuchungen zeigen, dass Kinder erst ab dem 4. Lebensjahr ihre Einstellungen gegenüber anderen Gruppen bilden und wahrnehmen (vgl. Davis 1964, 53).
„Wir wissen, daß [sic] das Kind erst im 3./4. Lebensjahr beginnt, sein eigenes Ich zu entdecken. Diese Entdeckung ist eine Voraussetzung für seine Identifikation als Mitglied dieser und jener Gruppe und auch dafür, daß [sic] andere als anderen Gruppen zugehörig erkannt werden“ (Davis 1964, 54).
Auch Heckmann sagt, dass die Überzeugung, feindselige Haltungen gegenüber Fremden seien angeboren, zwar noch weit verbreitet ist, sich aber als falsch erweisen muss. Dementsprechend führt Heckmann das Beispiel von Kulturen an, die nicht mit Misstrauen oder gar Feindschaft auf Fremde reagieren, sondern mit Gastfreundschaft und Freundlichkeit (vgl. Heckmann 1992, 129). Daraus kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass Vorurteile sozial gelernt werden und nicht angeboren sind. Des weiteren entstehen Vorurteile nicht aus der unmittelbaren Erfahrung mit einer Gruppe. Viele Menschen haben Vorurteile gegenüber einer Gruppe, auch wenn sie nicht mit dieser in Kontakt getreten sind (vgl. Heckmann 1992, 129). Meistens sind Vorurteile im Kulturgut einer Gesellschaft verankert und werden dann über die Eltern, Schulbücher oder auch Medien an die Kinder weitergegeben. In den folgenden Abschnitten soll nun auf die wichtigsten Quellen von Vorurteilen hingewiesen werden.
2.3.1 Die Übernahme von Vorurteilen durch Familienmitglieder
Kinder übernehmen in erster Linie ihre Einstellungen und Vorurteile von den Eltern oder anderen ihnen nahe stehenden Familienmitgliedern. Die Familie oder auch „primäre Gruppe“ spielt im Sozialisationsprozess des Kindes eine wichtige Rolle und fungiert als Vermittler der überlieferten Werte und Normen einer Kultur (Davis 1964, 54).
Von den Eltern oder anderen Bezugspersonen lernt das Kind zunächst, wie es die Umwelt zu sehen hat. Dieser Lernprozess muss nicht bewusst ablaufen, es geschieht eher automatisch.
„Vielmehr genügt oft eine beiläufige Bemerkung oder Bezeichnung, möglicherweise gar nicht so ,böse’ gemeint, oder aber eine bestimmte, vielleicht sehr subtile Haltung oder Verhaltensweise seitens des Erwachsenen und schon hat das Kind ,gelernt’, wie es sich dem betreffenden Objekt gegenüber zu verhalten hat“ (Davis 1964, 54).
Im Folgenden soll anhand eines Beispiels deutlich werden, welche prägende Wirkung vorurteilsreiche Äußerungen eines Familienmitgliedes auf das Kind haben können.
„Ich erinnere mich, daß [sic] ich in meiner frühen Kindheit eine große Feindschaft gegen alle fühlte, die andere Ansichten oder Einstellungen als meine Eltern hatten. Sie sprachen häufig über solche Leute beim Abendessen. Ich meine, es war der sichere Ton ihrer Stimmen, mit der sie ihre Überzeugungen äußerten und ihre Gegner verurteilten, der mich beeindruckte und von ihrer allmächtigen Weisheit überzeugte“ (Allport 1971, 297).
Aus diesem Beispiel geht hervor, dass Kinder dazu neigen ihre Eltern als allwissend und allmächtig zu erleben. Daher schauen sie zu ihren Eltern auf, orientieren sich an ihren Verhaltensweisen und verhalten sich ihnen konform (vgl. Allport 1971, 298). Der Prozess der Aneignung von Vorurteilen findet natürlich nicht ausschließlich innerhalb der Familie statt, sondern kann auch auf andere Gruppenmitgliedschaften übertragen werden (vgl. Heckmann 1992, 130).
Allgemein kann festgehalten werden, dass das Ausmaß der Vorurteilshaftigkeit der Umwelt, wiederum das Ausmaß der Vorurteilshaftigkeit der Kinder und Jugendlichen bestimmt (vgl. Heckmann 1992, 130).
2.3.2 Die Erziehung zum autoritären Charakter
Dieser Abschnitt setzt sich mit der These auseinander, dass eine stark autoritär ausgeprägte Erziehung zu einem autoritären Sozialcharakter führt, d. h. die Entstehung von Vorurteilen begünstigt. Diese These bezieht sich auf die „Studien zum autoritären Charakter“, die während des 2. Weltkrieges in den USA vom American Jewish Committee in Auftrag gegeben, und von Adorno und seinen Mitarbeitern durchgeführt wurde. Es galt herauszufinden, „[...] ob so etwas wie der deutsche Antisemitismus auch in den USA denkbar sei [...]“(Ahlheim u. Heger 1998, 81). Es wurden viele Personen zu ihren Einstellungen und Meinungen befragt. Die Fragestellung der Untersuchung lautete wie folgt:
„Die Frage war, ob diejenigen, die zu feindseligen Vorurteilen gegenüber andersartigen (besser: als andersartig erlebten) sozialen Gruppen neigten, auch in anderen Bereichen der Persönlichkeit typische Züge aufweisen würden, die sich von denen der liberaler Denkenden deutlich unterscheiden ließen“ (Ahlheim u. Heger 1998, 82).
Tatsächlich bestätigten die Untersuchungsergebnisse die Annahme, dass Menschen, die zu ethnischen Vorurteilen neigten, auch in anderen Bereichen vorurteilsvolle Meinungen und Einstellungen vertraten.
„Die befragten Personen, die zu aggressiven rassistischen oder antisemitischen Vorurteilen neigten, waren auch starrer und konventioneller in anderen Bereichen eingestellt“ (Ahlheim u. Heger 1998, 82).
Das heißt im einzelnen, dass die eher zu Vorurteilen neigenden Personen zum Beispiel die Einstellung vertraten, dass Frauen den Haushalt führen sollen. Außerdem hatten viele der männlichen Befragten ein gespaltenes Frauenbild: Es gab für sie auf der einen Seite die anständigen Frauen, die „rein“ und „sauber“ sind und auf der anderen Seite die unanständigen Frauen, die „Huren“, die sie als „schlampig“ und „dreckig“ betitelten. Ihre Mutter allerdings idealisierten sie. Die Männer selbst prahlten aber mit ihrer Sexualität, indem sie stolz von ihren weiblichen Eroberungen berichteten.
Ein weiterer auffälliger Aspekt ist, dass die vorurteilsvollen Personen ihre Eltern idealisierten, obwohl sie von ihnen in der Kindheit körperlich gezüchtigt wurden. Dennoch verurteilten sie ihre Eltern nicht, sondern empfanden die körperlichen Strafen als gerechtfertigt. Sie hatten auch Angst vor ihren Eltern und empfanden die elterliche Autorität als unberechenbar. Auf der einen Seite fürchteten sie sich vor der Strafe der Eltern, auf der anderen Seite wollten oder konnten sie sich der elterlichen Autorität nicht widersetzen.
Des weiteren neigten die vorurteilsvollen Personen zu einer Schwarz-Weiß-Sicht; das heißt, wenn etwas nicht mehr „ganz gut“ war, dann konnte es nur noch „ganz schlecht“ sein. Ein Mittelweg erschien ihnen nicht möglich (vgl. Ahlheim u. Heger 1998, 82f).
[...]