In der Mitte der Stadt Berlin steht über viele Jahrhunderte der zentrale städtische Bau, der an der Hauptmagistrale von Berlin liegt und die Stadt von West nach Ost verbindet. Gemeint ist hier das Berliner Schloss, eingebettet in die Sichtachse des Forum Fridericianum, welches zwischen Schloss und Brandenburger Tor liegt. Den zweiten Weltkrieg übersteht das Schloss mit etlichen Beschädigungen, steht aber den neuen Machthabern der damaligen jungen DDR im ideologischen Weg. 1950 erfolgt die Sprengung des Berliner Schlosses, um anschließend darauf einen Aufmarschplatz für die DDR-Ideologie zu bauen. Viele Jahre später erfolgt im Jahre 1976 auf dem Schlossplatzareal die Eröffnung des Palastes der Republik, der nach der deutschen Wiedervereinigung aufgrund von Asbest geschlossen und zum Abriss freigegeben wird. Die daraus entstehende Freifläche inspiriert weltweit sehr viele Architekten, denn sie beschäftigen sich mit der Frage, wie dieses Gelände in der Zukunft genutzt werden könnte.
Robert Burghardt entwirft ein „Monument for modernism - Denkmal für die Moderne“ für die Mitte von Berlin. Er entwickelt eine schlüssige Idee für den Schlossplatz in Berlin-Mitte und die dazugehörige Umgebung. Auf der Architekturbiennale 2012 in Venedig/Italien präsentiert er sein Projekt der Öffentlichkeit und erringt sehr viel Aufsehen und Anerkennung. Das „Denkmal für die Moderne“ in der Mitte von Berlin stellt den Wiederaufbau des Hohenzollernschlosses in Frage und lässt erkennen, welche Dimensionen für die Stadt Berlin in der Beschäftigung mit dem Monument im öffentlichen Raum liegen. Berlin als Symbol für des untergegangenen wilhelminischen Kaiserreichs, der untergegangenen Weimarer Republik, des untergegangenen nationalsozialistischen Staates und der untergegangenen sozialistischen Republik mit Ost-Berlin als Hauptstadt der DDR, trägt schwer an seinem Erbe. Mit diesem „Denkmal für die Moderne“ versucht der junge Architekt Robert Burghardt ein markantes räumliches Symbol im theatralen städtischen Bühnenraum von Berlin zu schaffen und stellt zugleich den öffentlichen Raum in den Vordergrund seiner Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Robert Burghardt auf der Architekturbiennale 2012 in Venedig
3. Architektur im öffentlichen Raum
4. Das Monument als moderne Architektur und die Großstadt als Bühne
5. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In der Mitte der Stadt Berlin steht über viele Jahrhunderte der zentrale städtische Bau, der an der Hauptmagistrale von Berlin liegt und die Stadt von West nach Ost verbindet. Gemeint ist hier das Berliner Schloss, eingebettet in die Sichtachse des Forum Fridericianum, welches zwischen Schloss und Bran-denburger Tor liegt. Den zweiten Weltkrieg übersteht das Schloss mit etlichen Beschädigungen, steht aber den neuen Machthabern der damaligen jungen DDR im ideologischen Weg. 1950 erfolgt die Sprengung des Berliner Schlosses, um anschließend darauf einen Aufmarschplatz für die DDR-Ideologie zu bauen. Viele Jahre später erfolgt im Jahre 1976 auf dem Schlossplatz die Eröffnung des Palastes der Republik, der nach der deutschen Wiedervereinigung aufgrund von Asbest geschlossen und zum Abriss frei-gegeben wird. Die daraus entstehende Freifläche inspiriert weltweit sehr viele Architekten, denn sie beschäftigen sich mit der Frage, wie dieses Gelände in der Zukunft genutzt werden könnte. Robert Burghardt entwirft ein „Monument for modernism - Denkmal für die Moderne“ für die Mitte von Berlin. Er entwickelt eine schlüssige Idee für den Schlossplatz in Berlin-Mitte und die dazugehörige Umgebung. Auf der Architekturbiennale 2012 in Venedig/Italien präsentiert er sein Projekt der Öffentlichkeit und erringt sehr viel Aufsehen und Anerkennung. Das „Denkmal für die Moderne“ in der Mitte von Berlin stellt den Wiederaufbau des Hohenzollernschlosses in Frage und lässt erkennen, welche Dimensionen für die Stadt Berlin in der Beschäftigung mit dem Monument im öffentlichen Raum liegen. Berlin als Symbol für des untergegangenen wilhelminischen Kaiserreichs, der untergegangenen Weimarer Republik, des untergegangenen nationalsozialistischen Staates und der untergegangenen sozialistischen Republik mit Ost-Berlin als Hauptstadt der DDR, trägt schwer an seinem Erbe. Mit diesem „Denkmal für die Moderne“ versucht der junge Architekt Robert Burghardt ein markantes räumliches Symbol im theatralen städtischen Bühnenraum von Berlin zu schaffen und stellt zugleich den öffentlichen Raum in den Vordergrund seiner Arbeit.
Das Ziel dieser Forschungsarbeit liegt in der Untersuchung des Archi-tekturprojektes „Monument for modernism - Denkmal für die Moderne“ von Robert Burghardt. Die vorliegende Arbeit widmet sich der Forschungsfrage, wie der Zusammenhang zwischen monumentaler Architektur, öffentlichem Raum und der Stadt Berlin als Bühne gegeben ist. Zunächst werde ich das Architekturprojekt von Robert Burghardt vorstellen. Anschließend erfolgt eine analytische Auseinandersetzung von Architektur im öffentlichen Raum. Im Anschluss daran wird eine Untersuchung des „Denkmals für die Moderne“ in Bezug auf das Denkmal in der modernen Architektur (Monument) vor-genommen. Dabei spielt die Stadt als Bühne eine wesentliche Rolle. Abschließend gehe ich zusammenfassend auf die Ergebnisse der Arbeit ein und formuliere eine Schlussfolgerung. Anzumerken sei hier noch, dass es sich bei der vorliegenden Arbeit um ein Gedankenspiel handelt.
2. Robert Burghardt auf der Architekturbiennale 2012 in Venedig
Der Berliner Architekt Robert Burghardt von der Technischen Universität Berlin entwirft für seine Abschlusspräsentation an der Universität ein „Monument for modernism - Denkmal für die Moderne“ für die Mitte von Berlin. Auf der Architekturbiennale 2012 in Venedig präsentiert er im deutschen Pavillon sein Projekt der Öffentlichkeit und erfährt eine breite Resonanz in der Fachwelt und bei den Besuchern. Er unternimmt in dem Architekturprojekt den Versuch, mit dem „Monument for modernism - Denkmal für die Moderne“ den Schlossplatz in Berlin-Mitte kreativ für die Zukunft zu gestalten. Burghardt entwirft dafür eine schlüssige Collage für den Schlossplatz und die dazugehörige Umgebung. Er kombiniert unterschiedliche Fragmente von modernen Architekturen und setzt diese neu zusammen. Die Absicht, die Robert Burghardt mit seiner Collage verfolgt, hat das Ziel, ein fragmentiertes Gedächtnis neu in der Mitte von Berlin entstehen zu lassen.[1] Es entsteht ein Denkmal für das alte Zentrum von Berlin, „das thematisiert, was hier abwesend ist: Das Versprechen der Zukunft“.[2]
In Berlin werden über viele Jahre Diskussionen über den Wiederaufbau der historischen Mitte der Stadt geführt. Von sehr heftigen Kontroversen werden die Pläne für das neue Berliner Stadtschloss begleitet. Ein Wiederauf-bau der alten Hohenzollernresidenz ist vielen Kritikern ein Dorn im Auge, weil das Berliner Schloss für eine über fünfhundertjährige aristokratische Familien-herrschaft steht: die der schwäbischen Hohenzollern verbunden mit dem Wilhelminismus im 19.Jahrhundert. Vor allem der alte militaristische Preußen-staat steht in heftiger Kritik.[3] Kaiser Wilhelm II., der Lieblingsenkel der macht-vollen britischen Königin Victoria, die auch Kaiserin von Indien ist, führt das junge deutsche Kaiserreich in den furchtbaren 1. Weltkrieg.[4] Am Ende des Krieges muss der Kaiser vom Thron abdanken und flüchtet daraufhin in das Exil nach Doorn in den Niederlanden. Das alte preußische Berliner Schloss repräsentiert diesen ersten Weltkrieg, werden doch die Regierungsgeschäfte von hier aus geleitet.
Für Burghardt scheint dies der Ausgangspunkt seiner Überlegungen zu sein. Unter Berücksichtigung der historischen Ereignisse nach 1918 erscheint dieser Ort in Berlin-Mitte für Burghardt geeignet, um ein Monument für die Zukunft zu entwerfen. Das „Denkmal für die Moderne“ ist eine Collage, die ausdrücken soll, wie die unterschiedlichen Fragmente moderner Architektur miteinander verbunden werden. Die dabei entstehende Ablehnung von moderner Architektur bei den Rezipienten ist mit einkalkuliert. Richtet sich die momentane Ablehnung gegen die moderne Architektur nicht gegen die Ästhetik, sondern gegen den Versuch der Architekten die kommende Gesellschaft zu adressieren und für diese zu planen.[5] Robert Burghardt orientiert sich in seinem Architekturprojekt an den klassisch modernen Figuren, darunter befinden sich das Schiff, die aufgeständerte Großform und das skulpturale Objekt im Grünen.[6] Bei dem „Denkmal für die Moderne“ steht nicht die Rekonstruktion eines Idealraumes im Vordergrund. Das Ziel des Denkmals liegt eben in der Entwicklung einer Konstruktion, die ein fragmentiertes Gedächtnis repräsentieren soll. Dieses steht im Widerspruch zum alten Berliner Schloss, das ein Gedächtnis verbarg, welches geprägt war von aristokratischen Konventionen und kriegerischer Willkür. Das Denkmal ist deshalb ein räum-liches Archiv verschiedener Realismusstrategien der Architektur.[7] Eine Auseinandersetzung mit dem Architekturprojekt ist offensichtlich, beinhaltet es doch die Frage, wie mit Architektur das Verhältnis von gesellschaftlicher Wirklichkeit und planerischer Konstruktion zu adressieren wäre. Robert Burghardt versteht darunter, dass spezifische und generische Räume - Räume, die ihre Herstellungsweise offenlegen, Räume für neue Gesellschaften, Räume, die die bestehende Gesellschaft verbessern sollten, Räume, die angeeignet wurden, Räume, die abgerissen werden sollten - in ihrer Facettenhaftigkeit entstehen können.[8] Er spricht sich für einen performativen Raum am Schloss-platz und dessen Umgebung aus. Ferner plädiert er für ein Forum in Anlehnung an die griechische Architektur. Die Spree sollte dabei überbaut werden, damit vom Alexanderplatz bis zum Außenministerium ein Grünraum entstehen kann. Somit wird das Denkmal der Moderne zu einem verbindenden Objekt mit Park im innerstädtischen Kontext von Berlin.[9] Ein Programm hat Burghardt für das Denkmal nicht geplant, denn es steht leer und ist verschlossen. Das Monument kann nur an wenigen Stellen betreten werden, um flüchtige Blicke in das Innere zu ermöglichen. Es wurde für keine Nutzung konzipiert, aber das Monument ist voll funktionsfähig. Wie eine eigene kleine Stadt erscheint dieses Denkmal, denn es ist erschlossen durch Brücken, Gänge, Laubengänge, Fahrstühle, Treppen, Wohnräume, Balkone, Arbeitsräume, Ausstellungsräume, Lager-räume und andere Erschließungsstrategien.[10] Burghardt ist mit dem Bau auf der Suche nach einer Verbindung zur Stadt Berlin mit ihrer traumatischen Geschichte und ihren zahllosen Denkmälern, die auch als Erinnerungsobjekte bezeichnet werden können. Die Erinnerungskultur erreicht in Berlin eine Dimension, die mit dem Monument in der Innenstadt eine Symbiose erfahren könnte. Besonders die Elemente sozialistischer Architektur, die bei dem Denkmal verarbeitet erscheinen, stehen bei Burghardt im großen Interesse. Denn die Reflexion von Zeit wird in dem Denkmal immer mitgedacht. Was macht die Zeit mit den Menschen und den Gebäuden? Die Stadt Berlin steht als Symbol von ökonomischen, politischen und kulturellen Umbrüchen, ergibt sich doch aus diesen Umbrüchen eine Spannung, die bis in die heutige Zeit hineinreicht. „Aber vielleicht ist genau das der Punkt: Indem das Denkmal für die Moderne verschiedene Geschichten von Gebäuden aus vielen verschie-denen Orten aufeinandertürmt, unterläuft es das Prinzip einer singulären Identität, die das Konstrukt der Nation repräsentieren könnte.“[11]
Aber was bedeutet der Wiederaufbau des Schlosses in Berlin-Mitte, bestehend aus einem Stahlbetonbau mit einer von außen angebrachten neuen-alten Schlossfassade für unsere heutige Zeit und die Gesellschaft, in der wir leben? Wäre die Verwirklichung von Robert Burghardts „Monument for modernism - Denkmal für die Moderne“ nicht die bessere Lösung für dieses Areal gewesen? Was spricht für dieses Architekturprojekt und was dagegen? Darauf wird im nächsten Kapitel eingegangen.
3. Architektur im öffentlichen Raum
Architektur im öffentlichen Raum unternimmt den Versuch, eine Verbindung zwischen dem Gebäude, der Stadt und den Menschen herzustellen. Auf mehreren Ebenen kreuzen sich hier die Ideen von Architektur im städtischen Körper. Die dabei entstehenden sozialen Räume intendieren eine Grundlegung in den sozialen Prozessen einer Gesellschaft, die vom zeitlichen Rhythmus, von Wahrnehmung und von Sinnlichkeit geprägt werden. Architektonische Gestaltung beinhaltet immer auch zwischenmenschliche Kommunikation, wohl wissend, welche räumlichen Verhältnisse auf die Individuen einwirken können. Die Architektur erreicht in der heutigen Zeit eine Bedeutsamkeit, die weit über das klassische Bild der traditionellen Architektur reicht. „Architektur richtet Situationen ein, sie lenkt Materialflüsse und Kommunikationsprozesse und bestimmt darüber die Verteilung und Wahrnehmbarkeit von Körpern, Dingen und Praktiken.“[12] Diese verschiedenen Aspekte in der gegenwärtigen Archi-tektur lassen diese im öffentlichen Raum eine Rolle einnehmen, die sehr stringent die Wahrnehmung in den Fokus rückt. In dem Architekturprojekt „Monument for modernism - Denkmal für die Moderne“ von Robert Burghardt steht die alte Mitte von Berlin in der städtebaulichen Diskussion. Der öffentliche Raum im historischen Kerngebiet von Berlin war sehr lange mit einem Schloss bebaut, welches nach Meinung von Burghardt nicht wieder aufgebaut werden sollte. Stattdessen entwirft Burghardt für diesen öffentlichen Raum eine architektonische Gestaltung und Wahrnehmung, die eine Auseinandersetzung mit dem Monument in der Stadt Berlin sucht. Denn „eine besondere Gestaltung verleiht architektonischen Objekten eine gesteigerte Sichtbarkeit und setzt sie der öffentlichen Diskussion aus. Debatten können sich an Fragen des Stils und des Geschmacks entzünden, jedoch verbinden Formfragen immer auch kulturelle und politische Bedeutungen.“[13] Der Schlossplatz in Berlin-Mitte als politischer und kultureller Ort erfährt mit dem „Denkmal für die Moderne“ eine öffentliche Diskussion, weil das Denkmal in seiner Monumentalität wie ein fremder Körper im öffentlichen Raum dasteht und die Betrachter regelrecht „erschlägt“. Wie ein großer Steinklotz, der in die Mitte von Berlin gesetzt wurde, steht das Gebäude im Herzen von Berlin und erdrückt die architektonische historische Umgebung. Dieser Grenzbereich des Politischen und des Kultu-rellen ist es vielleicht, den Burghardt mit seinem „Monument für modernism“ ansprechen will. Der öffentliche Raum wird dazu benutzt, um mit Hilfe der Architektur ein Statement zu setzen. Die schroffen Elemente, die Wuchtigkeit des Gebäudes und eine doch auch verspielte Ausdrucksform geben dem Sujet von Burghardt etwas Kraftvolles und Erhabenes.
Umgeben wird das Schlossplatzgelände in Mitte von wichtigen Verkehrsadern der Stadt Berlin. Denn der Standort des ehemaligen Schlosses, auf dem Burghardt sein Projekt plant, liegt direkt an der Hauptmagistrale von Berlin. Vom heutigen Theodor-Heuss-Platz im Westen bis zum Alexanderplatz im Osten der Stadt verläuft diese Magistrale. Eva Reblin sieht darin einen Hauptaspekt für die Wirkung von wichtigen Gebäuden in der Stadt, denn große Straßen in der Stadt „sind öffentliche, polyfunktionale Räume“.[14] Reblin bezeichnet diese als „Großstadtstraßen“, weil „sie der Bewegungsleitung [dienen], gleichzeitig und gleichwertig sind sie aber auch Orte des Handelns, der sozialen Interaktion sowie Wohnadressen“.[15] Die Großstadtstraße, an der das Monument von Burghardt liegt, lässt sich noch einmal eingrenzen auf den Bereich zwischen Brandenburger Tor und Schlossplatz/Spree. Dieser Bereich wird als Forum Fridericianum bezeichnet, der Großstadtstraßenteil trägt den Namen: Unter den Linden. Dieses von Friedrich Schinkel geschaffene Forum, noch heute deutlich erkennbar, befindet sich in einem starken Kontrast zum „Denkmal der Moderne“. Viele Gebäude der Großstadtstraße Unter den Linden stehen für eine aristokratische preußische Architektur, deren Ursprung in der griechischen Antike zu suchen wäre. Burghardt sucht dazu einen Bruch mit seinem Monument, in dem er eine aufgeständerte Großform oder auch ein großes Schiff als Grundlage seiner Überlegungen wählt. Dieses große monumentale Zeichen in der Stadt ist nicht zu übersehen. „In diesem Sinne können auch städtische Räume und ihre Objekte Gegenstand semiotischer Betrachtung werden und als soziale und kulturelle Bedeutungsphänomene analysiert werden“.[16] Grundlage dafür ist die Auffassung von Reblin, dass „die Semiotik als Wissenschaft von Zeichen und Zeichenprozessen“ verwendet werden kann, um „alle Aspekte der Kultur als semiotische Phänomene“ untersuchen zu können.[17] Wesentlich erscheint dabei ihr Hinweis, dass die Stadt als Körper mit Häusern und Gebäuden durchzogen ist. Und diese Gebäude besitzen Wände, Hauswände, Dächer, Fenster und Keller. Zum Vorschein tritt eine Grenze, denn „die Häuserwände markieren eine konkrete, materielle Grenze zwischen öffentlichem und privatem Raum“.[18] Diese Grenze ist es, die die Architektur benötigt, damit sich eine zur ‚Schau’ gestellte öffent-liche Gebäudefassade von den privaten Räumen, die sich dahinter befinden, deutlich abhebt. Das hat zur Folge, dass die Individuen mit ihren Sinnesein-drücken im öffentlichen Raum einer permanenten Affizierung ausgesetzt werden. Die Individuen sehen die Häuser der Stadt, hören den Lärm der Autos, hören die Geräusche der Stadt, riechen den Kaffee der vielen Coffee-Shops oder riechen auch emporsteigende schlechte Gerüche der städtischen Kanalisation. Die Großstadt mit ihren öffentlichen und privaten Räumen fordert alle Sinne der Menschen heraus. Augen und Ohren sind in der sinnlichen Wahrnehmung der Großstadt zu allererst zu nennen, gefolgt von der Nase, der Zunge/dem Mund und der Haut/den Händen. Schon Georg Simmel schreibt: „Das bedeutsamste Wesen der Großstadt liegt in dieser funktionellen Größe jenseits ihrer physischen Grenzen: und diese Wirksamkeit wirkt wieder zurück und gibt ihrem Leben Gewicht, Erheblichkeit, Verantwortung. Wie ein Mensch nicht zu Ende ist mit den Grenzen seines Körpers oder des Bezirks, den er mit seiner Tätigkeit unmittelbar erfüllt, sondern erst mit der Summe der Wirkungen, die sich von ihm aus zeitlich und räumlich erstrecken: so besteht auch eine Stadt erst aus der Gesamtheit der über ihre Unmittelbarkeit hinausreichenden Wirkungen. Dies erst ist ihr wirklicher Umfang, in dem sich ihr Sein ausspricht.“[19] Dagegen sieht Alfred Krovoza die moderne Großstadt im „Prozeß der Urbanisierung“ verbunden mit einem „Doppelcharakter der Stadt“: den „Abstraktionen und reine[n] Gedankendinge[n]“.[20] Krovoza vertritt die These: „Erst die moderne Stadt irritiert und destruiert nachhaltig etablierte Muster der Wahrnehmung, worauf allerdings der philosophisch-erkenntnistheoretische Wahrnehmungszweifel, der jene neue Gewissheit fast ab ovo unterminierte, bereits hingearbeitet hatte. An der modernen Stadtwahrnehmung imponieren zunächst und sind immer wieder hervorgehoben worden Beschleunigung, Abstraktion, Virtualisierung, Semiotisierung, Reizüberlastung und Reizschutz-durchschlag.“[21] Die Großstadt und die Wahrnehmung erfahren eine Syntheti-sierung, was daran liegt, dass die Wahrnehmung der Großstadt ein sehr komplexer körperlicher und geistiger Vorgang ist. Aber was ist unter Wahr-nehmung eigentlich zu verstehen? Der Begriff kommt ursprünglich aus der griechischen Sprache und wird demnach als aisthesis (Sinneswahrnehmung) bezeichnet. Dagegen wird in der lateinischen Sprache die Wahrnehmung mit perceptio und percipare übersetzt. Dies beinhaltet: die Auffassung, die Auf-nahme, die Einsicht und erfassen, ergreifen, in sich aufnehmen, wahrnehmen, damit eine Umgebung erfahren werden kann.[22] Im Metzler Lexikon Theatertheorie wird unter der Wahrnehmung ein Begriff verstanden, „der sowohl philosophische und kulturwissenschaftliche als auch psychologische, physiologische und biologische Aspekte aufweist“.[23] Die Wahrnehmung impliziert „den gesamten Bereich theatraler Kommunikation“ sowie „grund-legende Dimensionen ästhetischer Erfahrung“.[24] Wahrnehmungsprozesse und ästhetische Erfahrungen sind demzufolge in einem direkten Zusammenhang zu sehen. Im Kontext von Architektur vermag die Raumwahrnehmung eine weitere wesentliche Komponente zu sein. Schon im 17. Jahrhundert wird aus philosophischer Sicht „die Vorstellung von Wahrnehmung als einer realistischen Aufnahme von materieller Wirklichkeit“ in Zweifel gezogen.[25] René Descartes und John Locke vertreten die These, dass die Wahrnehmungen „nicht allein über Sinnesdaten erfasst werden, vielmehr gesellen sich zu den primären Daten der Materie sekundäre Eigenschaften wie Farbe, Geruch und Geräusch, die sich nur der subjektiven Erfahrung erschließen“.[26] Die Wahrnehmung erscheint als eine wesentliche Eigenschaft des Menschen, damit die jeweilige Umgebung mit ihren Informationen dekodiert und begriffen werden kann. Die elementarsten Empfänger von Informationen beim Menschen sind Augen und Ohren. Darüber hinaus sind Nase, Mund und Hände grundlegend, um die Umgebung wahrzunehmen und beurteilen zu können. Ferner sind die perzeptiven Funktionen des Menschen wie Hören, Sehen, Riechen, Schmecken, Fühlen und Begreifen verbindlich, so dass die Sinneseindrücke auf der kognitiven Ebene verarbeitet und in Reaktionen umgewandelt werden können.[27] „Die neuere Hirnforschung hat betont, wie wichtig für die Hervorbringung solcher Reaktionen, aber auch für die Wahrnehmung insge-samt, die Erinnerungen und erlernten Fähigkeiten des Wahrnehmenden sind.“[28] Das Individuum in der Großstadt erfährt auf der Grundlage der Wahrnehmung eine städtische Umwelt und nimmt dadurch eine Haltung zu dieser ein. Die benötigt das Individuum, weil es sonst nicht in der Lage ist beurteilen zu können, ob die städtische Umgebung eine Gefahr darstellt. Oder ob sich das Individuum sicher und ohne Bedrohung der städtischen Situation aussetzen kann. Eine wesentliche Komponente liegt dafür in der Architektur im öffent-lichen Raum. Was lösen große Gebäude und Häuser bei den Rezipienten aus? Wie wirkt das „Denkmal für die Moderne“ auf die Rezipienten?
[...]
[1] Vgl. Burghardt, Robert (2009): Entwurf für ein Denkmal für die Moderne. Online im Internet unter: URL: http://fzz.cc/denkmal/about.html [Stand: 06.11.2013]
[2] URL: http://www.baunetz.de/campus-masters/Denkmal_fuer_die_Moderne_1362657.html [Stand: 06.11.2013]
[3] Vgl. Burghardt, Robert (2009): Entwurf für ein Denkmal für die Moderne. Online im Internet unter: URL: http://fzz.cc/denkmal/about.html [Stand: 06.11.2013]
[4] Die britische Königin Victoria brachte ihrem Enkel, dem späteren deutschen Kaiser Wilhelm II., die Kriegsführung auf der Sommerresidenz der Königin in Osborne House auf der Isle of Wight bei. Auf dem Anwesen wurden extra Schlachtfelder für den deutschen Enkel angelegt.
[5] Vgl. URL: http://www.baunetz.de/campus-masters/Denkmal_fuer_die_Moderne_1362657.html [15.11.2013]
[6] Vgl. Burghardt, Robert (2009): Entwurf für ein Denkmal für die Moderne. Online im Internet unter URL: http://fzz.cc/denkmal/about.html [15.11.2013]
[7] Vgl. URL: http://www.baunetz.de/campus-masters/Denkmal_fuer_die_Moderne_1362657.html [Stand: 15.11.2013]
[8] Vgl. URL: http://www.baunetz.de/campus-masters/Denkmal_fuer_die_Moderne_1362657.html [15.11.2013]
[9] Vgl. Burghardt, Robert (2009): Entwurf für ein Denkmal für die Moderne. Online im Internet unter: URL: http://fzz.cc/denkmal/about.html [Stand: 15.11.2013]
[10] Vgl. Burghardt; Robert (2009): Entwurf für ein Denkmal für die Moderne. Online im Internet unter: URL: http://fzz.cc/denkmal/about.html [Stand: 15.11.2013]
[11] Burghardt, Robert (2009): Entwurf für ein Denkmal für die Moderne. Online im Internet unter: URL: http://fzz.cc/denkmal/about/.html [Stand: 19.11.2013]
[12] Hauser, Susanne/Kamleithner, Christa/Meyer, Roland (Hrsg.): Architekturwissen. Grundlagentexte aus den Kulturwissenschaften, Band 1: Zur Ästhetik des sozialen Raumes, Bielefeld 2011, S. 09.
[13] Hauser/Kamleithner/Meyer 2011, S. 20f.
[14] Reblin, Eva: Die Straße, die Dinge und die Zeichen. Zur Semiotik des materiellen Stadtraums, Bielefeld 2012, S. 13.
[15] Reblin 2012, S. 13.
[16] Ebd.
[17] Ebd.
[18] Ebd., S. 14.
[19] Simmel, Georg: Die Großstädte und das Geistesleben. In: Georg Simmel: Das Individuum und die Freiheit. Essais, Berlin 1984, S. 201.
[20] Krovoza, Alfred: Gesichtssinn, Urbanität und Alltäglichkeit. In: Sehsucht. Über die Veränderung der visuellen Wahrnehmung, Göttingen 1995, S. 43.
[21] Krovoza 1995, S. 43.
[22] Vgl. Sauter, Willmar: „Wahrnehmung“, in: Erika Fischer-Lichte/Doris Kolesch/ Matthias Warstat (Hrsg.): Metzler Lexikon Theatertheorie, Stuttgart/Weimar 2005, S. 385-389.
[23] Sauter 2005, S. 385.
[24] Ebd.
[25] Ebd., S. 386.
[26] Ebd.
[27] Vgl. Ebd.
[28] Sauter 2005, S. 386.