Schon das Johannesevangelium, eines der zentralen Werke des christlichen Glaubens, verwendet eine Kommunikationstechnik, die nach heutigem Verständnis der Persuasion zugeordnet
werden kann, und die aus rein linguistischer Betrachtung heraus, sich durch die gesamte Schöpfungsgeschichte zieht.
Die Frage ob und wie Menschen zu beeinflussen sind ist
vermutlich eine der ältesten, wenn nicht gar so alt wie der Mensch selbst. Doch die historisch datierbaren Anfänge der Persuasion reichen, über die biblische Geschichte hinaus, bis in das Altertum zurück und lassen sich – wie auch die der meisten Wissenschaften – in der Philosophie finden. So sagte schon Aristoteles, dass es drei Arten der Überzeugung
gibt. Die erste hängt vom Charakter des Sprechers ab, die zweite von seiner Begabung, die Zuhörer in einen von ihm gewünschten geistigen Zustand zu versetzen, und die dritte vom Beweis oder scheinbaren Beweis, der durch die Worte selbst gegeben wird.
Bereits vor Aristoteles systematischer Darstellung der Redekunst kursierten entsprechende Handbücher, welche die Praxis lehrten. Zunehmend entwuchsen auch ideologische
Konflikte zwischen den Vertretern der verschiedenen Denkströmungen. Der platonische Dialog beleuchtet das Motiv der Rede, hervorgehend aus den unterschiedlichen Auffassungen des sittlich sokratischen Individualismus zu der relativistischen Sicht der Sophisten.
Während das sokratische Postulat gilt, durch die Rede zur Wahrheit hinzuführen, legitimieren die Sophisten die „Überredung mit der Ansicht, dass eine Wahrheit nicht existiere oder wenn, nicht erkennbar sei.“ (Duthel, 2013, S. 71). Nach sophistischem Verständnis geht es bei der Rede nur um die Überredungskraft, selbst wenn die Person von falschen oder widersprüchlichen Inhalten überzeugt werden soll.
Die nachfolgende Arbeit orientiert sich an einigen der wichtigsten Erkenntnissen empirischer Persuasionsforschung des 20. Jahrhunderts. Der Begriffsdefinition folgt eine Einführung zur Einstellungsbildung und deren Modulation. Als Gegenstand werden Berichte zahlreicher Experimente US-amerikanischer Sozialpsychologen herangezogen, die als Yale-Ansatz zur Einstellungsänderung in der Wissenschaft Verbreitung finden. Um ein besseres Verständnis darüber zu erlangen, in welchen verschiedenen Modalitäten persuasive Kommunikation abläuft, werden im abschließenden Teil dieser Arbeit Informationsverarbeitungsmodelle vorgestellt, die auf einen konkreten Marketingkontext angewandt werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definition des Persuasionsbegriffs
3. Einstellung
3.1 Einstellungsbildung
3.2 Einstellungsänderung
4. Erste empirische Erkenntnisse der Persuasionsforschung
4.1 Der Yale-Ansatz zur Einstellungsänderung
4.1.1 Der Einfluss der Quelle
4.1.2 Assimilations- und Kontrasteffekte
4.2 Weitere Erkenntnisse der Persuasionsforschung
5. Informationsverarbeitungsmodelle
5.1 Das Elaboration-Wahrscheinlichkeits-Modell
5.2 Das Heuristisch-Systematische-Modell
5.3 Weitere Prozessmodelle der Persuasionsforschung
6. Praxisreflexion
7. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ (Die Bibel: Altes und Neues Testament, 1980, Johannes 1,1-18, S. 1195). Schon das Johan- nesevangelium, eines der zentralen Werke des christlichen Glaubens, verwendet eine Kommunikationstechnik, die nach heutigem Verständnis der Persuasion zugeordnet werden kann, und die aus rein linguistischer Betrachtung heraus, sich durch die gesamte Schöpfungsgeschichte zieht. Die Frage ob und wie Menschen zu beeinflussen sind ist vermutlich eine der ältesten, wenn nicht gar so alt wie der Mensch selbst. Doch die his- torisch datierbaren Anfänge der Persuasion reichen, über die biblische Geschichte hin- aus, bis in das Altertum zurück und lassen sich - wie auch die der meisten Wissenschaf- ten - in der Philosophie finden. So sagte schon Aristoteles, dass es drei Arten der Über- zeugung gibt. Die erste hängt vom Charakter des Sprechers ab, die zweite von seiner Begabung, die Zuhörer in einen von ihm gewünschten geistigen Zustand zu versetzen, und die dritte vom Beweis oder scheinbaren Beweis, der durch die Worte selbst gege- ben wird (vgl. Aristoteles, Rhetorik zitiert nach Aronson et al., 2008, S. 200). Bereits vor Aristoteles systematischer Darstellung der Redekunst kursierten entsprechende Handbücher, welche die Praxis lehrten. Zunehmend entwuchsen auch ideologische Konflikte zwischen den Vertretern der verschiedenen Denkströmungen. Der platonische Dialog beleuchtet das Motiv der Rede, hervorgehend aus den unterschiedlichen Auffas- sungen des sittlich sokratischen Individualismus zu der relativistischen Sicht der So- phisten. Während das sokratische Postulat gilt, durch die Rede zur Wahrheit hinzufüh- ren, legitimieren die Sophisten die „Überredung mit der Ansicht, dass eine Wahrheit nicht existiere oder wenn, nicht erkennbar sei.“ (Duthel, 2013, S. 71). Nach sophisti- schem Verständnis geht es bei der Rede nur um die Überredungskraft, selbst wenn die Person von falschen oder widersprüchlichen Inhalten überzeugt werden soll (vgl. Duthel, 2013, S. 73). Ungeachtet weiterer historischer Betrachtung orientiert sich die nachfolgende Arbeit an einigen der wichtigsten Erkenntnissen empirischer Persuasions- forschung des 20. Jahrhunderts. Der Begriffsdefinition folgt eine Einführung zur Ein- stellungsbildung und deren Modulation. Als Gegenstand werden Berichte zahlreicher Experimente US-amerikanischer Sozialpsychologen herangezogen, die als Yale-Ansatz zur Einstellungsänderung in der Wissenschaft Verbreitung finden. Um ein besseres Ver- ständnis darüber zu erlangen, in welchen verschiedenen Modalitäten persuasive Kom- munikation abläuft, werden im abschließenden Teil dieser Arbeit Informationsverarbei- tungsmodelle vorgestellt, die auf einen konkreten Marketingkontext angewandt werden.
2. Definition des Persuasionsbegriffs
„So komplex das Konzept ‚Persuasion’ mit seinen vielfältigen Implikationen ist, so he- terogen sind auch die linguistischen Ansätze einer genaueren Begriffsbestimmung.“ (Ortak, 2004, S.66). Aus diesem Grund wird in Folge die Art und Weise der Wirkung zur Ergründung des Verständnisses herangezogen. In der Regel ist Kommunikation ein informativer, nach interindividueller Verständigung bestrebter Austausch, bei dem die Sprache das wichtigste Medium darstellt. Unter Persuasion wird hingegen eine Kom- munikation verstanden, die weder informativ vollständig noch gültig oder nützlich für den Rezipienten sein muss. Sie verfolgt lediglich die Absicht, bei ihm eine Änderung seiner Einstellung zu bewirken. Persuasive Kommunikation hat somit einen stark kon- notativen Charakter, ihr Motiv liegt für den Empfänger der Botschaft meist im Dunkeln.
3. Einstellung
3.1 Einstellungsbildung
Um zu verstehen, wie Änderungen in der Einstellung herbeizuführen sind, muss erst verstanden werden, wie diese sich bilden. Einstellungen sind im Grund Bewertungen direkter und indirekter Erfahrungen. Direkte Erfahrungen resultieren aus sozialen Be- gegnungen, indirekte aus der Vermittlung durch Medien. Zudem bestehen Einstellungen aus drei Komponenten, die sich unterschiedlich auf die Einstellungsbildung auswirken. Zur kognitiven Komponente zählen Meinungen, Informationen und Argumente, die zur Bewertung des Einstellungsobjektes herangezogen werden. Die affektiven und verhal- tensbedingten Komponenten sind emotionale Reaktionen, die sich auch im Verhalten gegenüber dem Objekt äußern. Wurde eine Einstellung gebildet, kann diese auf zwei Ebenen existieren. Dazu gehören explizite Einstellungen, die erklärbar sind und auf der Bewusstseinsebene operieren, wohingegen implizite Einstellungen unwillkürliche, meist unbewusste Bewertungen und subjektiv nur schwer bis nicht ergründbar sind (vgl. Aronson et al., 2008, S. 194, S. 198; Petty & Cacioppo, 1986, S. 127).
3.2 Einstellungsänderung
Obwohl der Mensch ein sehr stark ausgeprägtes Konsistenzstreben besitzt sind der Grad der Ausprägung und die Einstellung selbst oftmals instabil und somit veränderbar. Ein- stellungsänderung kann durch Verhaltensänderung herbeigeführt werden. Zeigen Men- schen ein Verhalten, das ihr sonst verlässliches Selbstbild bedroht, empfinden sie eine Dissonanz. Um diesen inneren Konflikt aufzulösen, suchen sie nach Gründen, wie z.B.
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