Mit Unterzeichnung des Versailler Vertrages am 28.06.1919 im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles galt der Erste Weltkrieg (1914-1918) formal als beendet und Deutschland wurde als Hauptschuldiger für die Ursachen und Folgen dieses Krieges bezichtigt.
Die hohen Reparationsleistungen, die die deutsche Wirtschaft vor hohe Belastungen stellten auf der einen Seite und die Demütigung während der Vertragsunterzeichnung auf der anderen, sorgten für Empörung und Unzufriedenheit in Politik und Gesellschaft und es entstand die einheitliche Meinung, dass Deutschland ein gerechter Frieden versagt worden wäre. In den Folgejahren wurde die erste deutsche Demokratie in der Weimarer Republik immer wieder mit innen- sowie außenpolitischen Spannungen konfrontiert und endete schließlich im Jahre 1933, nach lediglich 15 Jahren, mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten unter der Führung Adolf Hitlers und dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges (1939-1945).
Doch galt der Versailler Vertrag als ein Instabilitätsfaktor für die Demokratie in der Weimarer Republik und wenn ja, inwiefern? Diese Frage bildet das Kernthema der Arbeit und selbige wird im Nachfolgenden beantwortet, indem der Tag der Unterzeichnung am 28.06.1919 und die damit assoziierte Demütigung genauer betrachtet werden. Im weiteren Verlauf erfolgt eine Untersuchung der Erwartungen, welche die Deutschen an den Versailler Vertrag hatten durch die Analyse politischer Diskurse vor Aushändigung der Friedensbedingungen durch die alliierten Siegermächte und danach. Des Weiteren erfolgt eine Herausstellung der Wahrnehmung des Versailler Vertrages in Politik und Gesellschaft unter Erläuterung der darauffolgenden Auseinandersetzung mit „Versailles“ und es werden Gründe aufgeführt, weshalb keine konstruktive Auseinandersetzung mit dem Friedensvertrag stattgefunden hat.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Die Unterzeichnung des Versailler Vertrages
2.1 Erwartungen an den Versailler Vertrag im politischen Diskurs
2.2 Reaktionen auf den Versailler Vertrag – Wahrnehmung in Politik und Gesellschaft
3.1 2.4. Die deutsche Auseinandersetzung mit dem Versailler Vertrag
3. Fazit
4. Register
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Mit Unterzeichnung des Versailler Vertrages am 28.06.1919 im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles galt der Erste Weltkrieg (1914-1918) formal als beendet und Deutschland wurde als Hauptschuldiger für die Ursachen und Folgen dieses Krieges bezichtigt.
Die hohen Reparationsleistungen, die die deutsche Wirtschaft vor hohe Belastungen stellten auf der einen Seite und die Demütigung während der Vertragsunterzeichnung auf der anderen, sorgten für Empörung und Unzufriedenheit in Politik und Gesellschaft und es entstand die einheitliche Meinung, dass Deutschland ein gerechter Frieden versagt worden war1. In den Folgejahren wurde die erste deutsche Demokratie in der Weimarer Republik immer wieder mit innen- sowie außenpolitischen Spannungen konfrontiert und endete schließlich im Jahre 1933, nach lediglich 15 Jahren, mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten unter der Führung Adolf Hitlers und dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges (1939-1945).
Doch galt der Versailler Vertrag als ein Instabilitätsfaktor für die Demokratie in der Weimarer Republik und wenn ja, inwiefern? Diese Frage bildet das Kernthema der Arbeit und selbige wird im Nachfolgenden beantwortet, indem der Tag der Unterzeichnung am 28.06.1919 und die damit assoziierte Demütigung genauer betrachtet werden. Im weiteren Verlauf erfolgt eine Untersuchung der Erwartungen, welche die Deutschen an den Versailler Vertrag hatten durch die Analyse politischer Diskurse vor Aushändigung der Friedensbedingungen durch die alliierten Siegermächte und danach. Des Weiteren erfolgt eine Herausstellung der Wahrnehmung des Versailler Vertrages in Politik und Gesellschaft unter Erläuterung der darauffolgenden Auseinandersetzung mit „Versailles“ und es werden Gründe aufgeführt, weshalb keine konstruktive Auseinandersetzung mit dem Friedensvertrag stattgefunden hat. Am Ende der Ausführungen erfolgt die Wiederaufnahme der eingangs genannten Fragstellung und deren Beantwortung aufgrund der zuvor in dieser Arbeit aufgeführten Inhalte und unter Berücksichtigung der Forschungen des emeritierten Geschichtsprofessors an der Universität zu Köln, Eberhard Kolb, der in seinem Buch „Der Frieden von Versailles“ konstatiert, dass der Versailler Vertrag aufgrund seiner traumatisierenden Wirkung auf die Deutschen, bedingt durch die demütigen Prozeduren während der Vertragsunterzeichnung und die Auffassung des Friedens als „Schmarch“ zum Scheitern der Demokratie in der Weimarer Republik beigetragen habe, indem er die Ursachen für die Entstehung der Antipathie gegenüber „Versailles“ herausstellt und darauffolgend zahlreiche Fakten anführt, die als Chancen für eine positive Entwicklung des Deutschen Reichs gesprochen hätten, aber von den Deutschen aufgrund ihrer Verbitterung und Wut über den als ungerecht empfundenen Frieden verkannt wurden.2
Der Versailler Vertrag könne jedoch nicht als ein Hauptgrund für das Scheitern der Demokratie und der Weimarer Republik angeführt werden, da hierbei mannigfach andere Gegebenheiten eine Rolle spielten.3
Auch der Historiker Wolfgang J. Mommsen stellt in seinem Aufsatz „Der Vertrag von Versailles. Eine Bilanz“, erschienen in dem von Gerd Krumeich herausgegebenen Sammelband „Versailles 1919: Ziele – Wirkung – Wahrnehmung“ heraus, dass die gefühlte Demütigung durch den Versailler Vertrag die Deutschen so stark traumatisierte, dass eine Gefahr für die noch junge Demokratie bestand.4
Weiter heißt es: „Die Gleichsetzung der Weimarer Republik mit dem System von Versailles und die Polemik gegen die dafür angeblich verantwortlichen „Novemberverbrecher“ […] haben wesentlich zur Untergrabung der parlamentarischen Demokratie von Weimar und deren Zusammenbruch beigetragen.“5
Zum Ende seiner Ausführungen kommt Mommsen, wie auch Kolb, zu dem Ergebnis, dass primär die Wahrnehmung des Versailler Vertrages als große Demütigung dazu beigetragen habe, dass eine Einsicht in die Realität und die Suche nach Lösungen für die Erfüllung des Friedensvertrages ausblieben und der Umgang mit dem Versailler Frieden zur Instabilität der Demokratie beigetragen habe.6
2. Die Unterzeichnung des Versailler Vertrages
Der Vertrag von Versailles wurde am 28. Juni 1919 von den alliierten Siegermächten und den deutschen Bevollmächtigten unterzeichnet. Der Erste Weltkrieg galt formal als beendet und das Deutsche Reich erkannte die Hauptschuld am Ausbruch des Ersten Weltkrieges und dessen Folgen an. Die Unterzeichnung fand im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles unter Anwesenheit der zweiunddreißig Vertreter der „alliierten und assoziierten Mächte"[1] sowie der deutschen Bevollmächtigten, Dr. Johannes Bell und Hermann Müller, statt. Der Ort war jedoch nicht zufällig gewählt, sondern hatte aufgrund seiner Historie eine entscheidende Bedeutung. An gleicher Stelle hatte am 18. Januar 1871 die Proklamation des preußischen Königs Wilhelm I. zum deutschen Kaiser stattgefunden. Für die Franzosen stellte dies eine große Erniedrigung dar, da das Schloss einst für den Sonnenkönig Ludwig XIV erbaut worden war. Diese empfanden es nun als Genugtuung, die Unterzeichnung genau an dem Ort stattfinden zu lassen, wo einst die Stärke des Deutschen Reichs zelebriert worden war.2
Die Sitzung wurde um drei Uhr durch den französischen Ministerpräsidenten Georges Clemenceau eröffnet, indem er mit den Worten „Bringen Sie die Deutschen herein!“3 die Saaldiener aufforderte, die von deutscher Seite gesandten Bevollmächtigten hereinzubringen. In seinem Schlusssatz ersuchte er schließlich Dr. Bell und Müller, den ausliegenden Vertrag zu unterzeichnen. Unter den Blicken von über 1000 Anwesenden mussten diese den über siebzig Meter langen Saal durchschreiten, um zu dem Vertragsdokument zu gelangen4. Dies muss ein sehr erniedrigender Moment für die zwei Deutschen gewesen sein, da sie von den Siegermächten beobachtet wurden und sich somit wahrscheinlich noch mehr gedemütigt und als Kriegsverlierer gefühlt haben müssen. Nach nicht einmal einer Stunde hatten alle anwesenden Vertreter den Vertrag unterzeichnet und Clemenceau forderte die beiden deutschen Vertreter auf, den Saal zu verlassen.
„Sie wurden abgeführt wie ‚Sträflinge von der Anklagebank, die Augen noch immer auf irgendeinen fernen Punkt im Horizont gerichtet‘ “5, so beschrieb der britische Diplomat Harold Nicolson das Verlassen des Saals durch die beiden deutschen Bevollmächtigten. Jedoch war dies nicht die größte Demütigung. Diese erfuhren Dr. Bell und Müller während der Unterzeichnung des Versailler Vertrages. Clemenceau hatte in der Nähe des Tisches, auf dem sich das Vertragsdokument befand, fünf schwer vom Krieg gezeichnete Soldaten platzieren lassen. Diese wiesen zum Teil schwere Deformationen im Gesicht auf, hatten Mund oder Augen verloren und waren ein „lebender Vorwurf“6 an die Deutschen. Möglicherweise haben die Bevollmächtigten die schwer entstellten Soldaten gar nicht wahrgenommen, da keiner der beiden diese je erwähnte. Nach Harold Nicolson schauten sie während des Einzugs in Richtung Decke, um den Blicken der Anwesenden zu entgehen.7
Schlussfolgernd bleibt festzuhalten, dass die Vertragsunterzeichnungen in Versailles mit einem hohen Maß an Demütigung verbunden waren. Dem Deutschen Reich wurden nicht nur Gebietsabtretungen und hohe Reparationsleistungen auferlegt, wie es am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts üblich war, sondern bei Vertragsunterzeichnung ging es vielmehr auch um eine moralische Bestrafung, besonders auffällig durch die Platzierung schwer verwundeter Soldaten infolge des Ersten Weltkrieges und durch die Wahl des Ortes für die Unterzeichnung, an dem 1871 noch die Macht des Deutschen Reichs demonstriert worden war.
Auch bei den anwesenden Vertretern der Siegermächte blieb die Demütigung während der Unterzeichnung nicht unbemerkt. So merkte Oberst House, ein enger Berater Woodrow Wilsons, an, dass „ein Element der Ritterlichkeit“8 zu seinem Bedauern völlig ausblieb.
Der Vertrag von Versailles ging durch seine moralische Bestrafung und durch die demütigenden Prozeduren während dessen Unterzeichnung neben den üblich materiellen Belastungen als etwas in dieser Form noch nie Dagewesenes in die Geschichte ein.9
2.1 Erwartungen an den Versailler Vertrag im politischen Diskurs
Bei Betrachtung der politischen Debatten im Reichstag vor Übergabe der alliierten Friedensbedingungen am 07. Mai 1919 lässt sich schlussfolgern, dass die Hoffnung auf einen gerechten Frieden eine zentrale Rolle spielte. Diese Hoffnung lag zum einen auf dem Selbstverständnis der Deutschen begründet, die sich seit 1871 noch immer als Großmacht ansahen, und zum anderen auf dem „14-Punkte-Plan“ des damaligen US-Präsidenten Woodrow Wilson, welcher unter anderem eine Selbstbestimmung der einzelnen Staaten, den Abbau von Handelsbeschränkungen und die Schaffung gleicher Handelsbedingungen für alle vorsah. Reichspräsident Friedrich Ebert betonte die Zusammenarbeit aller Staaten für eine adäquate Entwicklung Deutschlands und machte deutlich, dass „das deutsche Volk nicht auf 20, 40 oder 60 Jahre zum Lohnsklaven anderer Länder gemacht“1 werden könne. Selbiger sah Deutschland auch einem Wandel vollzogen, weg von einer imperialistischen Ideologie hin zum Idealismus. Deutschland sei nun „eine Weltmacht […der] geistigen Größe“2. Die Politiker rechneten zwar mit harten Folgen, jedoch baute die deutsche Strategie auf einer Berufung auf den „14-Punkte-Plan“ und der Ablehnung aller Forderungen, die nicht diesem Plan entsprachen, auf. Diese Haltung wird auch bei der Regierungserklärung Philipp Scheidemanns vom 13. Februar 1919 deutlich, in der er eine außenpolitische Orientierung an den 14 Punkten Wilsons und eine damit verbundene Herstellung des Friedens sowie eine strikte Ablehnung eines aufgezwungenen Friedens forderte. Scheidemann bestand darauf, dass Deutschland „gleichberechtigt am Völkerbund“3 sein müsse. Hier wird ersichtlich, wie groß die Hoffnung nach einem gerechten Frieden war und worauf diese Hoffnung begründet war, nämlich auf dem „14-Punkte-Plan“, aber auch auf dem Selbstverständnis der Deutschen, noch immer eine Weltmacht zu sein, ohne die ein dauerhafter Frieden nicht möglich wäre. Die Politiker sahen in Deutschland nicht unbedingt einen Kriegsverlierer, sondern vielmehr eine Nation, die die Neugestaltung Europas vorantreiben sollte.4 Die Zentrumspartei forderte zudem eine „starke deutsche Regierung“5, die darauf bedacht war, die deutschen Interessen, also eine Friedensherbeiführung auf Berufung des „14-Punkte-Plans“, bei den Friedensverhandlungen durchzusetzen. Außenminister Ulrich von Brockdorff-Rantzau hatte ebenfalls die Intention, die 14 Punkte Wilsons zu erfüllen und stellte des Weiteren die notwendige, zukünftige Außenpolitik vor, die den Zustand des Krieges beenden und kollegiale Verhältnisse zu anderen Staaten herstellen sollte. Auch er berief sich auf eine gerechte Herstellung des Friedens mit Deutschland als gleichberechtigtem Partner und betonte, dass er alles andere nicht akzeptieren werde.6 Von Brockdorff-Rantzau sprach zudem von Ehre unter Einbeziehung eines Zitates von Friedrich Schiller: „Nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr Alles freudig setzt an die Ehre.“7 Der damalige Außenminister schätzte die Lage Deutschlands zwar korrekt ein, indem er diesem „keine Bewegungsfreiheit“8 attestierte, jedoch beharrte auch er auf die Erfüllung der 14 Punkte als „Maximalforderung“9. Philipp Scheidemann legte gleichermaßen besonderen Wert auf innenpolitischen Zusammenhalt, um das Ziel eines gerechten Friedens zu erreichen, weitere Maßnahmen der alliierten Siegermächte zu verhindern und, um einen Staat zu repräsentieren, der durch innenpolitische Einheit demonstriert, nationalstaatliches Denken abgelegt zu haben und bereit war, eine friedvolle Zukunft Europas mitzugestalten.10
Dass das nationalistische Denken aber noch durchaus präsent war, zeigte unter anderem auch der Zentrumspolitker Maximilian Pfeiffer, der klarstellte, dass Deutschland einen ungerechten Frieden nicht akzeptieren werde, indem er verdeutlichte, dass eine Hand, die die Feder zum Unterschreiben bereithält, „sich gar zur Faust“11 ballen könne.
[...]
1 Vgl.: Kolb, Eberhard, Der Frieden von Versailles, München 2011, S.91.
2 Vgl.: Ebd., S.91-106.
3 Vgl.: Ebd., S.106 f.
4 Vgl.: Mommsen, Wolfgang J., Der Vertrag von Versailles. Eine Bilanz, in: Krumeich, Gerd (Hrsg.), Versailles 1919. Ziele – Wirkung – Wahrnehmung, Essen 2001, S.351.
5 Ebd., S.352.
6 Vgl.: Ebd., S.360.
[1] Der Frieden von Versailles, S.7.
2 Vgl.: Ebd., S.7.
3 Zitiert nach: Ebd., S.8.
4 Vgl.: Ebd., S.8 f.
5 Zitiert nach: Ebd., S.9.
6 Ebd.
7 Vgl.: Ebd., S.9.
8 Zitiert nach: Ebd., S.10.
9 Vgl.: Ebd.
1 Zitiert nach: Lorenz, Thomas, >>Die Weltgeschichte ist das Weltgericht!<< Der Versailler Vertrag in Diskurs und Zeitgeist der Weimarer Republik, Frankfurt am Main/New York 2008, S.59.
2 Zitiert nach: Ebd., S.60.
3 Zitiert nach: Ebd., S.61.
4 Vgl.: Ebd., S.61 f.
5 Ebd., S.65.
6 Vgl.: Ebd., S.65 f.
7 Zitiert nach: Ebd., S.67.
8 Zitiert nach: Ebd., S.65.
9 Ebd., S.67.
10 Vgl.: Ebd., S.69 f.
11 Zitiert nach: Ebd., S.71.