Hierbei handelt es sich um eine Seminararbeit betreffend die Verfassungsmäßigkeit eines - hypothetischen - Verbotes der Burka in der Öffentlichkeit, insbesondere auch im öffentlichen Dienst und staatlichen Näheverhältnissen in Deutschland. In die rechtliche Würdigung einbezogen werden auch Aussagegehalte der Burka, deren Bedeutung im Islam, deren Wirkung und kollidierende Grundrechte.
Gliederung
Literaturverzeichnis ... III
A. Einführung in die Thematik ... 1
B. Die Burka und deren Bedeutung für Islam und Rechtssubjekt ... 2
I. Der Begriff der Burka und deren Bedeutung ... 2
II. Die Aussagegehalte der Burka ... 3
C. Der Schutz des Tragens der Burka durch die Freiheitsrechte ... 5
I. Die Religionsfreiheit ... 5
II. Die Meinungsfreiheit ... 8
III. Die Kunstfreiheit ... 9
IV. Die allgemeine Handlungsfreiheit ... 9
D. Das Verbot aus verfassungsrechtlicher Sicht ... 10
I. Vorüberlegungen: Bereits bestehende Regelungen ... 10
1. Bestehende Regelungen in Deutschland ... 11
a. Vermummungsverbot im Versammlungsgesetz ... 11
b. Verbot im öffentlichen Schuldienst in NRW ... 12
c. Vergleich zum generellen Verbot der Burka ... 12
2. Problematiken eines generellen Verbots im Ausland ... 13
II. Der mögliche Gewinn durch ein solches Verbot ... 14
1. Der Konfrontationsschutz als Ausdruck negativer Freiheiten ... 14
2. Wahrung der freien und offenen Kommunikation ... 16
3. Die Möglichkeit der Identitätsfeststellung ... 17
4. Schutz des Islam bei hämischer Verwendung der Burka ... 17
5. Durchsetzung des Rechts auf selbstbestimmte Lebensführung ... 18
6. Wahrung der Menschenwürde ... 19
7. Durchsetzung des Gleichstellungsauftrags, Art. 3 II 2 GG ... 20
8. Fazit ... 21
III. Weiterreichende verfassungsrechtliche Bedenken ... 22
1. Betroffenheit und Bedeutung der Gleichheitssätze ... 22
a. Das Benachteiligungsverbot des Art. 3 III 1 GG ... 22
b. Betroffenheit des Art. 33 III 1 GG ... 23
2. Die besondere Schwere des Eingriffs bei religiöser Motivation ... 23
a. Bedeutung für Selbstverständnis und Akzeptanz des Islam ... 24
b. Schutzbereichsverstärkung bei religiöser Motivation des Tragens ... 24
E. Fazit ... 26
Literaturverzeichnis
[Dies ist eine Leseprobe für die Suchmaschinen. DAs Literaturverzeichnis ist nicht enthalten.]
A. Einführung in die Thematik
Der Islam ist in Deutschland präsent wie nie zuvor. Schätzungsweise zwischen 3,8 und 4,3 Millionen Muslime, rund 5 % der bundesdeutschen Gesamtbevölkerung, leben in Deutschland – einem Land, in welchem 2400 Moscheen als Zentren der gelebten islamischen Glaubenskultur existieren.1
Mit dieser zunehmenden Einflussnahme der islamischen Kultur auf Deutschland korrespondiert auch ein Wandel des öffentlichen Lebens und der Gesellschaftsstrukturen hin zu einer pluralistischen Gesellschaft. Dieser Wandel wird jedoch keineswegs von allen Seiten der Bevölkerung als positiv erachtet. Als aktuelles Beispiel sei nur die islamkritische PEGIDA-Bewegung inklusive ihrer diversen Ableger genannt.
Ein besonderes Konfliktpotential weist dabei – aufgrund der Omnipräsenz für sämtliche Betrachter – die öffentliche Selbstdarstellung durch das Tragen religiöser Bekleidungsstücke auf. Sie reicht bei Frauen von bloßer Bedeckung des Haupthaars mit einem Seidentuch über das allseits bekannte Kopftuch bis hin zur vollen Verschleierung, der Burka, wobei letztere die wohl konfliktträchtigste Form der religiösen Bekleidung darstellt. Auch wohl deshalb erfreut sich die Diskussion um die hier zu erörternde Thematik eines generellen Burka-Verbots in Deutschland sowohl in der Presse als auch in der Rechtswissenschaft großer Beliebtheit:
Die Debatte wurde zunächst durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, in welchem ein derartiges Verbot in Frankreich für mit der EMRK vereinbar erklärt wurde,2 aber auch durch die ein Burka-Verbot befürwortenden Stellungnahmen deutscher Politiker3 in den Mittelpunkt der Diskussionen gerückt und gewann somit an Brisanz.
Zwar gibt es lediglich rund 100 eine Burka tragende Mitbürgerinnen in Deutschland,4 dennoch ist aufgrund deren für den westlichen Kulturkreis ungewohnten oder sogar abstoßend wirkenden Erscheinungsbildes in weiten Teilen der Bevölkerung keine Akzeptanz für diesen Akt des gelebten Islam gegeben. Vielmehr werden hinter der Burka entweder jene Frauen vermutet, welchen die Verschleierung durch das patriarchalische System aufgezwungen wurde, oder aber jene vom Islamismus geprägten „Überzeugungstäterinnen“, welche eine Bedrohung für die westliche Gesellschaft darstellen.5
Gegenstand dieser Arbeit ist es, auf Basis des Begriffs, der Bedeutung und des grundrechtlichen Schutzes der Burka die verfassungsrechtlichen Problematiken eines generellen Verbots dieser in Deutschland, insbesondere unter Beachtung der Auswirkungen auf das Leben der die Burka als religiöses Symbol tragenden Muslima, herauszuarbeiten.
B. Die Burka und deren Bedeutung für Islam und Rechtssubjekt
Zur Feststellung der Bedeutung eines solchen Verbots ist zunächst die diesem zugrundeliegende Beurteilungsgrundlage, bestehend aus Begriff, Bedeutung und Möglichkeiten der Aussagegehalte der Burka, festzustellen.
I. Der Begriff der Burka und deren Bedeutung
Die afghanische Burka ist ein weit geschnittenes, den gesamten Körper bedeckendes Kleidungsstück, welches ein aus Stoff gefertigtes Gitternetz vor den Augen beinhaltet und dazu bestimmt ist, den gesamten Körper inklusive des Gesichts der Frau zu verhüllen.6 Sie stellt die strengste Form der muslimischen Verschleierung dar.7 Eine ein Stück liberalere Form der Verschleierung ist die indische bzw. pakistanische Burka, welche Augen und Nase ausspart.8 Beide Formen bedingen aufgrund der umfassenden Verhüllung eine weitreichende Deindividualisierung der Frau.9
Auf Grundlage dieses Begriffs gilt es zu klären, welche Vorgaben sich in Bezug auf die Verschleierung der Frauen aus dem Koran als zentraler Schrift des Islam ergeben. Sure 24, Vers 31 spricht davon, dass die Frau ihren Intimbereich weitestgehend schützen und ihre Reize nicht zur Schau stellen soll. Eine Pflicht zu züchtiger und ausreichend bedeckender Bekleidung ist hier erkennbar.
In Sure 33, Vers 59 wird gefordert, dass die Frau ihr Gewand derart herunterziehen soll, dass sie vor Belästigungen durch Dritte geschützt ist. An anderer Stelle, in Sure 33, Vers 53, statuiert er die Pflicht des Mannes, mit einer Frau nur durch einen Vorhang zu kommunizieren. Da es sich auch bei dem Worthijab als Synonym für jegliche Form der Verschleierung um eine Übersetzung des Wortes „Vorhang“ oder „Schleier“ handelt,10 ist es bei wortlautnaher Auslegung möglich, aus diesem Vers ein Gebot des Tragens einer Burka abzuleiten, da deren optische Erscheinung durchaus einem verdeckenden Vorhang ähnelt. Dennoch nimmt die Majorität der Islamwissenschaft an, dass der Koran keine bestimmte Form der Bekleidung oder Verschleierung vorschreibt.11 Die Entscheidung über das Tragen einer solchen steht vielmehr im Belieben der Muslima.12 Dennoch ist die Burka in weiten Teilen der islamisch geprägten Länder, insbesondere in Saudi Arabien, dem Iran und Afghanistan, üblich, da dort, teils durch staatliche Empfehlung, teils aber auch durch zwingendes Gesetzesrecht, eine bestimmte Art der Verschleierung anempfohlen bzw. vorgeschrieben wird.13
II. Die Aussagegehalte der Burka
Im Zuge der Feststellung der Aussagegehalte ist eine allseitig beleuchtende Analyse geboten, um der vom BVerfG geforderten Würdigung der Vielschichtigkeit religiöser Symbole14 gerecht zu werden.
Aus Sicht weiter Teile der muslimischen Glaubensgemeinschaft dürfte der Burka vordergründig eine positive, begrüßenswerte Konnotation als Ausdruckszeichen der Persönlichkeitsentfaltung, des glaubensgeleiteten Handelns und der Zugehörigkeit zum Islam zukommen.15 Ferner weist die Burka nach islamwissenschaftlicher Exegese auch einen symbolischen Charakter auf, da sie nach muslimischer Tradition, wie auch in Sure 33, Vers 59 deutlich wird, eine Art figurativen Schutzwall um die Frau errichtet und sie so vor den Blicken anderer, vornehmlich unverwandter Männer, schützen soll.16 Aufgrund der somit durch die Burka nach außen vermittelten Unverfügbarkeit der sie tragenden Frau gilt die Burka auch als Mittelweg zwischen der Wahrung der Interaktion der Muslima in der Öffentlichkeit und dem Bedürfnis des Schutzes der Frau, welcher sonst nur durch die totale Abschottung von der Öffentlichkeit erreicht werden könnte.17 Somit kann die Burka im Leben der Muslima durchaus ein Ausdruck glaubensgeleiteten Handelns und kultureller Verbundenheit zum Islam und zum Nahen Osten sein. Sie ermöglicht auch eine mit der Lehre des Koran in Einklang stehende Lebensführung.
Neben diesem Ausdruck ist jedoch auch eine Interpretation als Ausdruckszeichen des patriarchalischen Systems und mithin der Unterdrückung der Frauen aufgrund tatsächlichen Vorkommens derartiger Fälle verbreitet.18 So stellte sich die Burka zu Zeiten der Taliban-Herrschaft in Afghanistan als Ausdruck des radikalen Islamismus dar, als etwa das Ablegen der Burka mit körperlicher Bestrafung einherging und teils noch immer einhergeht.19 Deshalb wird in der Burka teils pauschal eine Verkörperung der Herrschaft des Mannes über seine Frau, welche zum bloßen Objekt herabgewürdigt werde, gesehen.20 Wohl auch aufgrund solcher Umstände bezeichnete eine deutsche Feministin die Burka als „Leichentuch, unter das in den islamistisch beherrschten Ländern und Regionen, wie Afghanistan oder Nord-Syrien, Tag für Tag Frauen unter Todesdrohung gezwungen werden“.21 Unabhängig von der Stichhaltigkeit dieser nahezu diffamierenden Äußerung zeigt sie, dass der Burka auch große Bedeutung als Instrument der Unterdrückung und Erniedrigung zukommen kann. Eine solche Motivation darf jedoch keineswegs ohne nähere Anhaltspunkte bei jeder Burka-Trägerin unterstellt werden.22
Auch abseits der Verwendung im religiösen Leben weist die Burka weiterreichende Bedeutungen auf. So stellt sie im Einzelfall ein Zeichen einer vom Islam geprägten Lebensweise oder einer Gutheißung der politischen und sittlichen Strukturen im Nahen Osten ohne gleichzeitigen religiösen Bezug dar.23 So symbolisierte jener der Burka ähnliche Tschador zu Zeiten der Islamischen Revolution im Iran die Rebellion gegen den westlichen Lebensstil und war somit auch ein Teil der politischen Meinungsäußerung.24
Auch aufgrund der Diskussionen um das Thema ist die Burka Bestandteil von Gemälden, Filmen und Theaterstücken,25 sogar deren Verwendung als Karnevalskostüm scheint möglich.
Die Vielseitigkeit der positiven und negativen Möglichkeiten der Kontextuierung der Burka ist somit deutlich erkennbar. In den einzelnen Fällen sind freilich divergierende Maßstäbe bei der Beurteilung des Schutzes durch die Grundrechte anzulegen.
C. Der Schutz des Tragens der Burka durch die Freiheitsrechte
Deshalb stellt sich zur Determinierung der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Verbots die Frage, wie die Nutzungsmöglichkeiten grundrechtlich geschützt sind und welchen Schranken dieser Schutz unterliegt.
I. Die Religionsfreiheit
Aufgrund der vornehmlichen Bedeutung der Burka im religiösen Bereich ist zunächst der Schutz des Tragens dieser durch die in Art. 4 I, II GG verbürgte Religionsfreiheit zu bestimmen. Nach abstrakter Definition umfasst diese die Deutung der Rolle des Menschen in der Welt und seiner Beziehung zu transzendenten Mächten und tieferen Seiensschichten.26 In concreto garantiert sie auch einen Raum der aktiven Betätigung der Glaubensüberzeugung, das forum externum.27 Dieser Raum reicht derart weit, dass das BVerfG jedem Menschen das Recht zubilligt, sein gesamtes Leben nach seinen religiösen Vorstellungen auszurichten,28 was auch die Verkörperung durch Bekenntniszeichen umfasst.29
Bei der Bestimmung, ob es sich um ein religiöses Bekenntniszeichen handelt, welchem dann der verstärkte Schutz des Art. 4 I, II GG und nicht nur des Art. 2 I GG zukommt, ist das religiöse Selbstverständnis des einzelnen Grundrechtsträgers maßgebliches Bezugskriterium.30 Imperative Glaubenssätze sind für den Schutz durch Art. 4 I, II GG weder hinreichende, noch notwendige Bedingung.31 Eine solch extensive Interpretation des Schutzbereichs ist notwendig, um der religiösen Vielfalt und deren tiefer Verbindung zur individuellen Persönlichkeit gerecht zu werden.32
[…]
[1] Vgl. WDR, Fakten zu Muslimen.
[2] EGMR NJW 2014, 2925, 2925 ff.
[3] Vgl. Steinberg, Die Grenzen der Toleranz.
[4] von Münch, FS Schmidt-Jortzig, S. 47, 55 m.w.N.
[5] Rozario, S. 368; Fateh-Moghadam, S. 184.
[6] Heine, S. 313; vgl. von Münch, FS Schmidt-Jortzig, S. 47, 50.
[7] Rozario, S. 368.
[8] Heine, S. 313.
[9] Sachs/Kokott, Art. 4 Rn. 69a.
[10] Wensinck/Kramers, S. 173.
[11] Britz, ZRP 2011, 26; Busch, NJ 2010, 18, 26.
[12] Hofmann, NVwZ 2009, 74, 75.
[13] Martin Encyclopedia I, S. 150.
[14] BVerfGE 108, 282, 303 f.
[15] Vgl. Hofmann, NVwZ 2009, 74, 75; Öztürk, DÖV 2007, 993, 999; Skwirblies, 1, S. 12 ff.
[16] Martin Encyclopedia II, S. 556.
[17] Rozario, S. 368, 378.
[18] Vgl. Öztürk, DÖV 2007, 993, 999.
[19] Vgl. Fateh-Moghadam, S. 182; Dahn, Gotteslästerung.
[20] Britz , ZRP 2011, 26; Dahn, Gotteslästerung.
[21] Schwarzer, Ja zum Burka-Verbot.
[22] Barczak, DÖV 2011, 54, 59; Beaucamp, DÖV 2015, 174, 183.
[23] Berliner Kommentar/Muckel, Art. 4 Rn. 25 m.w.N. [26. EL.].
[24] Martin Encyclopedia II, S. 556.
[25] Vgl. Martin Encyclopedia II, S. 722; Skwirblies, 1, S. 16 f.
[26] BVerwGE 90, 112, 115; Sachs/Kokott, Art. 4 Rn. 19.
[27] BVerfGE 41, 29, 49; BeckOK-GG/Germann, Art. 4 Rn. 19; Häberle, DÖV 1969, 385.
[28] BVerfGE 32, 98, 106.
[29] Dreier/Morlok, Art. 4 Rn. 65 m.w.N.
[30] BVerfGE 32, 98, 106 f.; Sachs/Kokott, Art. 4 Rn. 69; von Campenhausen, HdBStR VII, § 157 Rn. 93; Baer/Wrase, JuS 2003, 1162, 1163.
[31] BVerfGE 108, 282, 298; Hillgruber, JZ 1999, 538, 541; Frenz, JA 2009, 493, 494.
[32] Baer/Wrase, JuS 2003, 1162, 1163.