Die Themen Missbrauch von Kindern und Pädophilie sind in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Immer wieder neue Fälle werden aufgedeckt und entfachen in der Gesellschaft neue Diskussionen über angemessene Strafen und Behandlungsmöglichkeiten.
Zielsetzung dieser Arbeit ist, mögliche Ursachen und Motive von Menschen mit einer Störung ihrer sexuellen Präferenz aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Stigmatisierungsprozesse und deren Folgen für die Täter und die Gesellschaft sollen näher betrachtet werden.
Möglichkeiten der Prävention für potenzielle und bereits verurteilte Täter werden vorgestellt.
Abschließend soll das Thema sexueller Missbrauch im Kontext körperlicher Behinderung betrachtet werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Ausgangslage
2. Störung/ Krankheitsbild
3. Pädophile Täter
3.1 Ursachen, Tätertypologien
3.2 Statistik zu pädophilen Straftaten
3.3 Studie Sexuelle Übergriffe durch katholische Geistliche in Deutschland
4. Stigmatisierung der Täter
5. Pädophilie im Kontext (körperlich) behinderter Kinder
6. Pädagogische Maßnahmen/ Prävention
6.1 Nähe und Distanz in rehapädahogischen Einrichtungen
6.2 Projekt "Kein Täter werden“
6.3 Projekt "Prävention sexueller Missbrauch
7. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Ausgangslage, Zielsetzung der Arbeit
Die Themen Missbrauch von Kindern und Pädophilie sind in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Immer wieder neue Fälle werden aufgedeckt und entfachen in der Gesellschaft neue Diskussionen über angemessene Strafen und Behandlungs- möglichkeiten.
Zielsetzung dieser Arbeit ist mögliche Ursachen und Motive von Menschen mit einer Störung ihrer sexuellen Präferenz aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Stigmatisierungsprozesse und deren Folgen für die Täter und die Gesellschaft sollen näher betrachtet werden.
Möglichkeiten der Prävention für potenzielle und bereits verurteilte Täter werden vorgestellt.
Abschließend soll das Thema sexueller Missbrauch im Kontext körperlicher Behinderung betrachtet werden.
2. Störung/ Krankheitsbild
Sokrates liebte die Knaben, und die Knaben liebten ihn. Das war für die Athener der Antike völlig in Ordnung, denn es geschah im Rah- men einer gesellschaftlich hoch geschätzten und institutionalisierten Praxis. Im Lykeion und in der Palaistra, bei den Agonen und beim Symposion trafen sich athenische Män- ner der Oberschicht mit den Adoleszenten zu gemeinsamem Tun, das der geistigen und körperlichen Erziehung diente.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Noch genug Distanz Sascha Schneider 1924
Es bildeten sich Paare von reifen Männern und Heranwachsenden, einem Liebha- ber (erastes) und einem Geliebten (eromenos). Dieser war nach unseren Begriffen längst kein Kind mehr, sondern zumindest pubertierend oder gar schon ein junger Mann. Seine Beziehung zum Älteren sollte ihm helfen, sich in die Welt der Er- wachsenen einzufinden. Er erfuhr von deren Erfahrungen, lernte kennen, was sich gehörte und nach welchen Idealen sich zu leben lohnte (Jaeger. 1989).
Das sexuelle Interesse erwachsener Männer an Kindern bietet in den letzten Jah- ren weltweit einen wachsenden Diskussionsstoff, obwohl es so alt erscheint, wie die Menschheit selbst. Der Hintergrund des sexuellen Interesses des Mannes am Kind ist die relativ geringe Spezifität der sexuellen Stimuli für Männer. Männer sind bezüglich der Auswahl von Objekten für ihr Begehren nicht sehr wählerisch, was sich in der anhaltend guten Geschäftslage des Prostitutionsgewerbes widerspiegelt. Untersuchungen der sexuellen Erregung von Männern durch Registrieren der Reaktion des Penis bei Konfrontation mit visuellen oder auditiven Reizen zeigen, dass etwa ein Viertel der Männer prinzipiell in der Lage ist, auf Körper pubertierender Kinder zu reagieren (Firestone et al. 2000). Pädophile zeigen dabei oft geringere Reaktionen als Vergleichsgruppen nicht pädophiler Männer, nur ist die Reaktion auf Kinder stärker als auf Erwachsene, was bei den Vergleichsgruppen nicht der Fall ist (Blanchard et al. 2009).
Es konnte sich bislang keine Sichtweise auf Pädophilie eindeutig durchsetzen, denn offiziell gilt die Ursache der Pädophilie noch immer als ungeklärt. Die meisten Fachleute geben deshalb eine diplomatische Antwort, wenn sie nach den prägenden Faktoren gefragt werden (Ahlers, Schäfer & Beyer. 2005).
Laut ICD 10 stellt die Pädophilie eine besondere Ausprägungsform einer sexuellen Präferenz dar, die auf Kinder meist im vorpubertärem Alter gerichtet ist. Die DSM-IV-TR erweitert die Definition: „...die sexuelle Handlung mit einem pubertären Kind oder Kindern (in der Regel 13 oder jünger) beinhalten. Die Person ist mindestens 16 Jahre alt und mindestens 5 Jahre älter als das Kind.“ Eine solche sexuelle Ausrichtung ist keine Wahlentscheidung, sondern - nach dem derzeitigen Stand der sexualwissenschaftlichen Kenntnis - das Produkt eines bio-psycho-sozialen Ent-stehungsprozesses (Möller, Laux & Deister. 2009).
3. Pädophile Täter
3.1 Ursachen /Tätertypologien
Die vielfältigen Ausprägungen der Pädophilie und des sexuellen Kindesmiss- brauchs bieten schon deutliche Hinweise auf die Tatsache, dass nicht nur eine Ursache vorliegt, sondern eher eine Kombination in der Anamnese zu finden sein wird.
Störungen in der Frühsozialisation sind sehr häufig festzustellen. Dazu gehört eine Mutterbeziehung, die entweder wenig Sicherheit gab oder von einer erdrückenden Dominanz war. Der Vater wird entweder tyrannisch oder als weitgehend abwesend beschrieben. Trennungs- und andere kindliche Traumata sind häufig. Das Kind ist häufig zurückgezogen und wenig durchsetzungsfreudig. Manchmal setzt früh eine Sexualisierung ein, die dazu führt, dass Masturbation und Masturbationsfantasien als Ersatzhandlung für erlittene Frustrationen dienen (Vogt. 2006).
Eine alternative Beschreibung und Systematisierung beschränkt sich auf vier zent rale Faktoren, welche die Pädosexualität[1] bedingen können (Finkelhor. 1984):
- eine ständige emotionelle Hingezogenheit zu Kindern
- eine bestimmte physiologische Reaktion auf von Kindern ausgehenden Rei- zen, die einerseits wieder konstitutionell vorgegeben sein, aber auch durch Prägung und Lernen (eigene Missbrauchserfahrungen) verstärkt werden kann
- Enthemmung durch Alkohol, Drogen oder Hirnschädigung im Alter
- charakterliche Veränderungen, die Impulsivität und Rücksichtslosigkeit fördern
In der Literatur findet man verschiedene Tätertypologien. Versuche, Pädophile aufgrund von Persönlichkeitsmerkmalen bzw. Verhaltensweisen zu klassifizieren, reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Häufig wird zwischen einem fixierten und einem regressiven Tätertyp unterschieden, je nachdem, ob dieser eher intrafamiliär oder extrafamiliär orientiert ist. Der fixierte, extrafamiliäre Typus begeht seine Taten an nicht verwandten Kindern, während der regressive, intrafamiliäre Typ seine Opfer im „sozialen Nahraum“ sucht (Rehder. 2004). Der regressive Typ entspricht in seinem Verhalten dem Inzesttäter. In einer Metaanalyse von Canor, die 236 Einzelstudien zusammenfasst, wurde ein niedriges Intelligenzniveau attestiert und eine bereits in der Adoleszenz beginnende Delinquenz[2]. (Bri-ken, Hill & Berner. 2006).
Auch in Sportvereinen, kirchlichen Organisationen sowie anderen Freizeiteinrich- tungen der öffentlichen, freien, und privaten Trägerschaft sind sensible Wahrneh- mungen von und Umgangsformen mit Macht und Sexualität notwendig. Sie schot- ten sich ab gegen die Außenwelt und versuchen häufig, nach innen ein Gefühl der Überlegenheit gegenüber dieser Außenwelt zu erzeugen, das blind macht für grenzverletzenden Umgang mit Kindern. Die durch geschlossene, meist autoritäre Strukturen bedingten fachlichen und persönlichen Abhängigkeiten nutzen TäterIn- nen zum eigenen Vorteil und bauen sogenannte „Seilschaften“ auf (Enders. 2011).
[...]
[1] „Konkrete (realisierte) sexuelle Handlungen eines Erwachsenen vor, an oder mit einem (vorpubertären) Kind werden dem gegenüber als pädosexuelle Handlungen bezeichnet und beschreiben damit ausschließlich eine sexuelle Verhaltensäußerung (und nicht automatisch eine möglicherweise im Hintergrund stehende Pädophilie). Mit anderen Worten: Der Begriff Pädosexualität beschreibt nach sexualmedizinischer Definition eine sexuelle Verhaltensäußerung und nicht eine Form von sexueller Ausrichtung (als Bestandteil der sexuellen Präferenzstruk- tur). Andersherum besagt die sexuelle Ausrichtung (Pädophilie) nicht automatisch, dass ein entsprechendes Verhalten an den Tag gelegt wird. Das bedeutet zusammengefasst: Pädophilie ist nicht gleich Pädosexualität und umgekehrt.“(Ahlers, Schaefer & Beier. 2005)
[2] im Sinne von: Tendenz zur Straffälligkeit und Neigung zu kriminellem Verhalten