„Wer war Isokrates?“ Stellt man diese Frage Studenten der klassischen Philologie, erhält man mit großer Wahrscheinlichkeit die Antwort „ein altgriechischer Rhetoriker“. Diese Aussage ist schon insofern nicht ganz korrekt, als dass Isokrates sich selbst nicht als Rhetor, sondern als Redelehrer und Philosoph sah. Die Voraussage der obigen oder einer ähnlichen Antwort basiert allerdings auf nachvollziehbaren Faktoren. Zum einen scheint der Stil des Isokrates und die Themen, denen er seine Werke widmete, für ein heutiges, (weitläufigeres) Publikum ungeeignet und nicht ganz nachvollziehbar, und mit Werken, die ihre Leser mehr fesseln, wie beispielsweise ein Dialog des Platon, nicht vergleichbar. Zum anderen wurden Isokrates’ Werke in der Wissenschaft zwar vielfach, aber nicht mit klarem Ergebnis diskutiert, so dass sich, je nach Interpretationsrichtung, nämlich 1. nach rhetorischer Deutung, 2. nach historisch-politischer Deutung und 3. nach philosophischer Deutung, die verschiedensten interpretatorischen Aspekte ergeben und wissenschaftlich ausgewertet werden können. Trotzdem gilt Isokrates aufgrund seiner sprachlichen Gewandtheit und der Argumentationsfülle als einer der bedeutendsten Vertreter der antiken Rhetorik und prägte mit seinen verschiedenen Werken nachhaltig die Entwicklung der Rede und somit das „griechisch-römische[n] Geistesleben[s]“
Die folgende Arbeit widmet sich nun unter anderem einem Abschnitt seines Werkes „Panathenaikos“. Zunächst sollen einige allgemeine Informationen zur Person „Isokrates“ und zu dessen Werken gegeben werden, hierauf der betreffende Abschnitt mit Hilfe der Sekundärliteratur in der Gesamtkontext der Rede eingeordnet und im Lichte des geschichtspolitischen Hintergrundes analysiert und interpretiert werden. So soll ein genaueres Bild der Person Isokrates und deren Lebenswerk entstehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Isokrates als Person und Schriftsteller
2.1 Biographische Erläuterungen
2.2 Werke
3. Der Panathenaikos des Isokrates
3.1 Überblick über den Panathenaikos
3.2 Gliederung des Werks und Einordnung der Textstelle
3.3. Inhaltliche Analyse der Paragraphen 62 – 70
4. Geschichtspolitische Hintergründe
5. Schlussbemerkung
6. Quellenverzeichnis
7. Literaturverzeichnis
1. Einführung
„Wer war Isokrates?“ Stellt man diese Frage Studenten der klassischen Philologie, erhält man mit großer Wahrscheinlichkeit die Antwort „ein altgriechischer Rhetoriker“. Diese Aussage ist schon insofern nicht ganz korrekt, als dass Isokrates sich selbst nicht als Rhetor, sondern als Redelehrer und Philosoph sah.[1] Die Voraussage der obigen oder einer ähnlichen Antwort basiert allerdings auf nachvollziehbaren Faktoren. Zum einen scheint der Stil des Isokrates und die Themen, denen er seine Werke widmete, für ein heutiges, (weitläufigeres) Publikum ungeeignet und nicht ganz nachvollziehbar, und mit Werken, die ihre Leser mehr fesseln, wie beispielsweise ein Dialog des Platon, nicht vergleichbar.[2] Zum anderen wurden Isokrates’ Werke in der Wissenschaft zwar vielfach, aber nicht mit klarem Ergebnis diskutiert, so dass sich, je nach Interpretationsrichtung, nämlich 1. nach rhetorischer Deutung, 2. nach historisch-politischer Deutung und 3. nach philosophischer Deutung, die verschiedensten interpretatorischen Aspekte ergeben und wissenschaftlich ausgewertet werden können.[3] Trotzdem gilt Isokrates aufgrund seiner sprachlichen Gewandtheit und der Argumentationsfülle als einer der bedeutendsten Vertreter der antiken Rhetorik und prägte mit seinen verschiedenen Werken nachhaltig die Entwicklung der Rede und somit das „griechisch-römische[n] Geistesleben[s]“[4]
Die folgende Arbeit widmet sich nun unter anderem einem Abschnitt seines Werkes „Panathenaikos“. Zunächst sollen einige allgemeine Informationen zur Person „Isokrates“ und zu dessen Werken gegeben werden, hierauf der betreffende Abschnitt mit Hilfe der Sekundärliteratur in der Gesamtkontext der Rede eingeordnet und im Lichte des geschichtspolitischen Hintergrundes analysiert und interpretiert werden. So soll ein genaueres Bild der Person Isokrates und deren Lebenswerk entstehen.
2. Isokrates als Person und Schriftsteller
Um den Werdegang des Isokrates und somit die Entwicklung seiner Bedeutung für die Antike Rhetorik und seinen „Einfluss auf die Ausbildung der Rede“[5] besser verstehen zu können, werden zunächst biographische Begebenheiten des Isokrates und eine chronologische Abhandlung seiner Werke behandelt.
2.1 Biographische Erläuterungen
Isokrates, der Sohn des wohlhabenden Flötenfabrikanten Theodorus, wurde 436 v. Chr. und damit 5 Jahre vor Beginn des Peloponnesischen Krieges im attischen Erchia geboren. Der begüterte Vater ermöglichte seinem Sohn, wie es in der Antike üblich war, eine hervorragende Erziehung unter berühmten Sophisten wie beispielsweise Prodikos von Keos, Teisias von Syrakus und Gorgias aus Leontinoi, den er mit 20 Jahren auf einer Reise nach Thessalien kennengelernt hatte.[6] Außerdem verkehrte Isokrates in den Kreisen um Sokrates, war jedoch nicht Mitglied dessen Philosophenschule. Da ihm laut eigener Angaben die zwei wichtigsten Eigenschaften, eine laute Stimme und das sichere Auftreten vor Publikum, zur Bekleidung öffentlicher Ämter und somit einer politischen Laufbahn fehlten, wandte er sich schon früh der Rhetorik zu.[7] Als sein Vater aufgrund der politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen des peloponnesischen Krieges das familiäre Vermögen verlor, war Isokrates gezwungen einer bezahlten Beschäftigung nachzugehen und arbeitete deshalb als Logograph. Da er sich jedoch trotz seines eigenen Talents einer ständigen Konkurrenz mit dem Rhetoriker Lysias nicht gewachsen fühlte, gründete er 393 /92 v. Chr. „eine Schule zur politischen Beredsamkeit“[8] und arbeitete dort als Lehrer und Epideiptiker. Dabei beschränkte sich seine Lehrtätigkeit ausschließlich auf das Studium der Redekunst und nicht um die Philosophie, wobei er sich selbst ausdrücklich von den „σοφισταῖς“ und „λογογραφοις“ unterscheiden wollte.[9] Bis ins hohe Alter widmete er sich der politischen Schriftstellerei und war, laut verlässlichen Quellen, bis zu seinem Tode mit 98 Jahren im Jahr 338 v. Chr. Herr seiner Körper – und Geisteskraft.
2.2 Werke
Durch seine Arbeit zu beträchtlichem Reichtum und Ansehen in Athen gelangt, widmete er sich die Zeit nach Gründung seiner Schule dem Schreiben der folgenden Werke, wobei hier aufgrund ihrer Anzahl nur eine Auswahl beschrieben werden kann. Erhalten sind zehn Briefe, deren Echtheit teilweise umstritten ist, und 21 Reden.[10] Diese lassen sich in sechs Gerichtsreden, die während seiner Zeit als Logograph entstanden sind, zwei Schulreden, drei parainetische Reden (Mahnreden), wie z. B. „Πρὸς Νικοκλέα“, und die epideiktischen Reden (Prunkreden) unterteilen. Während bis in das Mittelalter die Mahnreden am meisten Anklang bei den Lesern fanden, gelten heute die Prunkreden als „Höhepunkt der isokratischen Beredsamtkeit“.[11] Das wahrscheinlich bekannteste Werk, der 380 v. Chr. erschienene „Panegyrikos“, welcher im Jahr 380 v. Chr anlässlich der Olympienfeier herausgegeben wurde, beinhaltet vor allem das panhellenistische Programm des Isokrates, also die Vereinigung und Versöhnung aller Griechen zum Zweck eines Kampfes gegen die Perser, was auf dem Gedankengut seines Lehrer Gorgias beruhte. Damit legte diese Rede das Fundament der Gründung des zweiten Seebundes 387/77 v. Chr.[12] Des weiteren sind die ca. 357 v. Chr. erschienene Friedensrede, in welcher Isokrates zu „politischer Passivität und Frieden“[13] rat, und der „Areopagitikos“ von 354 v. Chr., in dem er die Wiederherstellung des Areopags empfiehlt, als wichtige Schriften des Isokrates zu nennen. Der Panathenaikos, auf den sich der folgende Teil der Arbeit bezieht, ist das letzte Werk des Isokrates und bildet im Wesentlichen eine Lobrede auf Athen. Sie ähnelt in seinem Inhalt in gewissem Maße dem Panegyrikos, wie im folgenden Verlauf der Arbeit noch näher beschrieben werden wird.
[...]
[1] Vgl. Roth, P., Der Panathenaikos des Isokrates. Übersetzung und Kommentar (Beiträge zur Altertumskunde 196), München / Leipzig 2003, S. 9
[2] Vgl. ebd.
[3] Vgl. ebd., S. 9 f.
[4] Siehe Wersdörfer, H., Die “Philosophia” des Isokrates im Spiegel ihrer Terminologie. Untersuchungen zur frühattischen Rhetorik und Stilllehre (Klassisch-philologische Studien 13), Leipzig 1940, S. 13
[5] Siehe Münscher, K., Ausgewählte Reden des Isokrates. Panegyrikos und Areopagitikos, 6. Aufl., Berlin 1908, S. 1
[6] Vgl. Laistner, M. L. W., Isocrates. De pace and Philippus (Cornell studies in classical philology 22), New York /London 1927, S. 11
[7] Vgl. Mühl, M., Vorbereitungsheft zu Isokrates. Panegyrikos. Einleitung und Erläuterungen (Aus dem Schatze des Altertums: A; griechische Reihe 36), Bamberg 1956, S. 1
[8] Siehe Münscher (1908), S. 5 f.
[9] Vgl. ebd., S. 8
[10] Vgl. Wersdörfer (1940), S. 15
[11] Siehe Mühl (1956), S. 3
[12] Vgl. ebd. S. 4
[13] Siehe ebd.