„Heute scheinen zwei Dinge modern zu sein: die Analyse des Lebens und die Flucht aus dem Leben. [...] Man treibt Anatomie des eigenen Seelenlebens, oder man träumt. Reflexion oder Phantasie, Spiegelbild oder Traumbild.“
Dieses Zitat stammt von einem der wichtigsten Vertreter der Wiener Moderne: Hugo von Hofmannsthal. Es stellt sich unweigerlich die Frage, ob sich diese persönliche Meinung auch in seinen Werken wiederspiegelt oder ob die Äußerung nur trivialer Bedeutung für Hofmannsthal war. Für die Untersuchung dieser Frage soll sein Gedicht „Psyche“ dienen. Es soll erforscht werden, ob typische Elemente seiner Epoche darin enthalten sind, die sich möglicherweise mit der Auffassung Hofmannsthals in Verbindung bringen lassen.
Dazu soll zunächst ein Überblick über die Entstehung des Gedichtes gegeben werden, um zu überprüfen welchen Einflüssen es eventuell unterlag. Diese können zum Beispiel aus anderen literarischen Richtungen bzw. Epochen, die zur gleichen Zeit wie die Wiener Moderne existierten, stammen.
Weiterhin soll „Psyche“ analysiert werden, wobei detailliert auf formale, sprachliche und inhaltliche Aspekte eingegangen werden soll. Haben sich diese Aspekte im Einklang miteinander in Richtung von Hofmannsthals Stil entwickelt oder bestehen einzelne Elemente der jeweiligen Analysepunkte nur für sich selbst? Wirken sich Form und Sprache auf den Inhalt aus oder kommt es bei deren Verbindung zu Problemen (vor allem persönlich für Hofmannsthal)? Die Form soll vor allem auf Gleichmäßig- bzw. Unregelmäßigkeiten, die Sprache vor allem auf rhetorische Mittel untersucht werden. Im inhaltlichen Teilabschnitt soll dazu näher auf Titel, Interpretation und Thematik des Gedichtes eingegangen werden.
Der letzte Punkt soll die Prüfung des Gedichtes auf ornamentale Strukturen einnehmen, wobei vor allem die Elemente aus der vorhergehenden Analyse aufgegriffen werden. Die Strukturen sollen in diesem Teil noch einmal näher beleuchtet und zusammengefasst werden. Es soll anhand dieser Gefüge festgestellt werden, ob Hofmannsthals Werk ein typisches Beispiel für die Ornamentik in der Moderne darstellt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Entstehung des Gedichtes
3. Analyse des Gedichtes
3.1. Formale Analyse
3.2. Sprachliche Analyse
3.3. Inhaltliche Analyse
4. Ornamentale Strukturen
5. Fazit
Quellen- und Literaturverzeichnis
Anhang (Gedicht)
1. Einleitung
„Heute scheinen zwei Dinge modern zu sein: die Analyse des Lebens und die
Flucht aus dem Leben. [...] Man treibt Anatomie des eigenen Seelenlebens,
oder man träumt. Reflexion oder Phantasie, Spiegelbild oder Traumbild.“[1]
Dieses Zitat stammt von einem der wichtigsten Vertreter der Wiener Moderne: Hugo von Hofmannsthal. Es stellt sich unweigerlich die Frage, ob sich diese persönliche Meinung auch in seinen Werken wiederspiegelt oder ob die Äußerung nur trivialer Bedeutung für Hofmannsthal war. Für die Untersuchung dieser Frage soll sein Gedicht „Psyche“ dienen. Es soll erforscht werden, ob typische Elemente seiner Epoche darin enthalten sind, die sich möglicherweise mit der Auffassung Hofmannsthals in Verbindung bringen lassen.
Dazu soll zunächst ein Überblick über die Entstehung des Gedichtes gegeben werden, um zu überprüfen welchen Einflüssen es eventuell unterlag. Diese können zum Beispiel aus anderen literarischen Richtungen bzw. Epochen, die zur gleichen Zeit wie die Wiener Moderne existierten, stammen.
Weiterhin soll „Psyche“ analysiert werden, wobei detailliert auf formale, sprachliche und inhaltliche Aspekte eingegangen werden soll. Haben sich diese Aspekte im Einklang miteinander in Richtung von Hofmannsthals Stil entwickelt oder bestehen einzelne Elemente der jeweiligen Analysepunkte nur für sich selbst? Wirken sich Form und Sprache auf den Inhalt aus oder kommt es bei deren Verbindung zu Problemen (vor allem persönlich für Hofmannsthal)? Die Form soll vor allem auf Gleichmäßig- bzw. Unregelmäßigkeiten, die Sprache vor allem auf rhetorische Mittel untersucht werden. Im inhaltlichen Teilabschnitt soll dazu näher auf Titel, Interpretation und Thematik des Gedichtes eingegangen werden.
Der letzte Punkt soll die Prüfung des Gedichtes auf ornamentale Strukturen einnehmen, wobei vor allem die Elemente aus der vorhergehenden Analyse aufgegriffen werden. Die Strukturen sollen in diesem Teil noch einmal näher beleuchtet und zusammengefasst werden. Es soll anhand dieser Gefüge festgestellt werden, ob Hofmannsthals Werk ein typisches Beispiel für die Ornamentik in der Moderne darstellt.
2. Entstehung des Gedichtes
Bevor man sich näher mit dem Gedicht „Psyche“ von Hugo von Hofmannsthal, welches 1892/1893 entstand auseinandersetzt, sollte man erst einmal klären, woher Hofmannsthal die Idee hatte und welche Werke und Autoren ihn beim Verfassen des Gedichtes beeinflusst haben. Eine Quelle ist direkt unter dem Titel „Psyche“ angegeben. Es sind die Worte „Psyche, my Soul“ aus Edgar Allen Poes Gedicht „Ulalume“. Titel und Motto stammen also ursprünglich von Poe und wurden von Hofmannsthal nur übernommen, wie folgende Verszeilen beweisen:
Here once, through an alley Titanic
Of cypress, I roamed with my Soul-
Of cypress, with Psyche, my Soul.[2]
Aber nicht nur dieser Symbolist ist als Quelle für das Gedicht zu nennen, Jean Moréas „Le Pèlerin passionné“ ist Hofmannsthals Quelle für die „Phrasierung“ des Gedichtes.[3] Es bezieht sich paratextuell auch auf Stefan Georges Lyrik.[4] Im Juli 1892 interessierte sich Hofmannsthal ohnehin sehr stark für den Symbolismus und auch andere Gedichte von ihm aus dieser Zeit hatten bereits einen symbolistischen Charakter angenommen.[5] Auch in Dante Gabriel Rossettis Erzählung „Hand and Soul“ gibt es eine Personifizierung der Seele, die sich an einen Künstler wendet,[6] aber es sei dahingestellt, ob Hofmannsthal durch dieses Werk beeinflusst wurde.
3. Analyse des Gedichtes
3.1. Formale Analyse
Das Gedicht besteht aus fünf Strophen, von denen die erste, dritte und letzte Strophe je vier Verse aufweisen. Die zweite und vierte Strophe, die den Sprechakt des lyrischen Ichs kennzeichnen sollen bestehen hingegen aus je 18 und 30 Verszeilen. Das Reimschema lässt im Endreim nur einfache Paarreime erkennen, die allerdings erst ab dem fünften Vers der zweiten Strophe einsetzen und nur in den Sprechakten des lyrischen Ichs vorkommen. Sie sind meist von weiblichen, klingenden Kadenzen untersetzt. Manche Reime sind allerdings unrein wie z.B. lebendigen – unbändigen. Es kommen aber auch Binnenreime innerhalb der Verse vor, wie z.B. quellenden – schwellenden. Das Metrum des Gedichtes ist ein fünfmaliger Wechsel von unbetonten und betonten Silben, d.h. es ergeben sich meist fünfhebige Jamben darin.
Diese (formalen) Elemente sollen Teil einer „Sprachproblematik“ bzw. „Sprachskepsis“[7] sein, mit der sich Hofmannsthal selber später noch im „Chandos- Brief“ beschäftigen wird. Sie soll sich bereits in den frühen Gedichten Hofmannsthals ab 1890, zu denen „Psyche“ somit gezählt werden kann, bemerkbar machen.[8] Gotthart Wunberg vertritt dazu die Meinung, dass [...] „die Diskrepanz zwischen innen und außen, [...] sich nicht nur inhaltlich in den frühen Gedichten, sondern auch formal auf so unterschiedlichen Stilebenen [...] zeigt.“[9]
3.2. Sprachliche Analyse
Das wichtigste rhetorische Mittel in Hofmannsthals „Psyche“ ist die Allegorie bzw. Personifizierung der Psyche selbst. Mit Beginn der ersten Zeile haucht Hofmannsthal ihr Leben ein, als sie ihn ansieht und das lyrische Ich sich danach in einen Dialog mit ihr begibt. Der Sprechanteil ist bei beiden allerdings ungleichmäßig verteilt. Die Redeanteile des lyrischen Ichs sind überdominant und Psyches Rede kommt nur als dessen Zitat zur Sprache[10]. Sie spricht kurz am Anfang, in der Mitte und am Ende des Gedichtes, während das Ich zwei lange Sprechanteile dazwischen einnimmt, in denen es versucht die Psyche davon zu überzeugen, dass es Sinn macht weiterzuleben, indem es ihr verschiedene Welten präsentiert.
Das ganze Gedicht ist außerdem von sehr vielen Wiederholungen durchzogen und „lebt“ förmlich davon, da sich Wörter im zweiten Teil wiederholen und damit Wörter aus dem ersten Teil in einem anderen Zusammenhang wieder aufgreifen. Zum Beispiel ist das an den „blassen Frauen“ und „blassen Gesichtern“ erkennbar oder am „lachenden Leben“ und den „lachenden Frauen“. Es werden aber auch einzelne Wörter innerhalb des Gedichtes sehr oft wiederholt, wie z.B. „Leben“ und „Dunkel“. Auch die Benutzung von Wiederholungen durch Alliterationen, wie „warmer Wein“, „lachendes Leben“, „trüb und tot“ oder „blass und bebend“ sind durchgehend im Gedicht zu erkennen. Anaphern sind vor allem im zweiten Teil des Gedichtes platziert. Durch die Wiederholung der Wörter „Mit“ und „Wie“ am Versanfang, wechseln sie sich sogar teilweise ab. Allein die Anrede der Psyche mit den Worten „Psyche, meine Seele“ wird wiederholt, wenn auch einmal mit dem Einschub der Verniedlichungseigenschaft „klein“. Es kommt sogar ein Fall vor, in dem eine ganze Wortgruppe an einer anderen Stelle wieder aufgegriffen ist: „Werf“ bzw. „Reiß ich dir auf der Träume Pforten“.
Die vielen Vergleiche im zweiten Teil des Gedichtes sind direkt zu erkennen, da die Sätze immer mit „Wie“ eingeleitet werden. Das unterstreicht vor allem die Tatsache, dass diese Welt nur aus Träumen besteht.
Das bereits in 3.1. erwähnte Phänomen der „Sprachskepsis“ lässt sich zu derselben Zeit wie die „nachweisbare Ich- Spaltung“ lokalisieren.[11] Formale und vielmehr sprachliche Aspekte hängen also mit den inhaltlichen zusammen und haben demzufolge auch eine gemeinsame Entwicklung in Hofmannsthals Werken durchgemacht. Die inhaltlichen Aspekte sollen nun im nächsten Abschnitt betrachtet werden.
[...]
[1] siehe Klaus Sommerhage, Romantische Aporien: zur Kontinuität des Romantischen bei Novalis, Eichendorff, Hofmannsthal und Hanke, Schönigh Verlag, Paderborn [u.a.], 1993, S. 247 Übernommen aus: Gabriele d’Annunzio, Hugo von Hofmannsthal, in: GW, Bd. 8, S. 176
[2] Robert Vilain, The poetry of Hugo von Hofmannsthal and French symbolism, Clardon Press, Oxford [u.a.], 2000, S. 212
[3] vgl. ebd.
[4] vgl. Ursula Renner, Die Zauberschrift der Bilder: bildende Kunst in Hofmannsthals Texten, Rombach Verlag, Freiburg im Breisgau, 2000, S. 207
[5] Robert Vilain, The poetry of Hugo von Hofmannsthal and French symbolism, Clardon Press, Oxford [u.a.], 2000, S. 211
[6] vgl. Ursula Renner, Die Zauberschrift der Bilder: bildende Kunst in Hofmannsthals Texten, Rombach Verlag, Freiburg im Breisgau, 2000, S. 210
[7] Gotthart Wunberg, Der frühe Hofmannsthal: Schizophrenie als dichterische Struktur, Kohlhammer Verlag Stuttgart [u.a.], 1965, S.118/119
[8] vgl. ebd.
[9] ebd, S. 119
[10] vgl. Ursula Renner, Die Zauberschrift der Bilder: bildende Kunst in Hofmannsthals Texten, Rombach Verlag, Freiburg im Breisgau, 2000, S. 208
[11] vgl. Gotthart Wunberg, Der frühe Hofmannsthal: Schizophrenie als dichterische Struktur, Kohlhammer Verlag Stuttgart [u.a.], 1965, S.118