Die Ustascha und ihr Führer Ante Pavelić regierten vom April 1941 bis Mai 1945 ein faschistisch organisiertes Staatsgebilde namens „Unabhängiger Staat Kroatien“ (USK), welches sich in politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit zu seinen faschistischen „Geburtshelfern“, dem nationalsozialistischen Deutschen Reich und dem Königreich Italien, befand. Der kroatische Jurist und Politiker Ante Pavelić hatte die Ideologie der von ihm im Exil gegründeten Organisation, die sich später selbst gerne als „Bewegung“ darstellte, im Laufe der 1930er Jahre im italienischen Exil entwickelt. Diese Ideologie lehnte sich folglich am italienischen Faschismus an und beinhaltete dementsprechend auch eine spezifische Rassenideologie. Im Zentrum dieser diffusen Rassenideologie stand der Kroate als arischer „Herrenmensch“. Logische Folge war der Versuch der Schaffung einer ethnisch homogenen Gesellschaft als oberstes Staatsziel des späteren Unabhängigen Staates Kroatien.
Die Feindbilder der kroatischen Ustascha, und damit einhergehend die Ethnizität der Opfer, waren geknüpft an historische, geographische und demographische Begebenheiten des südwestlichen Balkans. Denn dort trachteten die kroatischen Nationalisten der Ustascha nach der Errichtung eines souveränen Großkroatiens, eines Gebildes, welches wie ein Gegenentwurf zu den nationalistischen Fantasien einiger Serben von einem Großserbien anmutet. Diese nationalistischen Pläne konkurrierten nicht nur um Boden – wobei insbesondere Bosnien-Herzegowina umkämpft war – auch Menschen, hauptsächlich die muslimischen Einwohner Bosnien-Herzegowinas, wurden als Teil der serbischen oder kroatischen Nationalität vereinnahmt. Diese Muslime, welche auch als Bosniaken bezeichnet werden, standen zwischen den Fronten. Da sie weder vom kroatisch-katholischen, noch vom serbisch-orthodoxen Kulturkreis zu vereinnahmen waren, kam zwangsläufig eine „völkische“ Sicht ins Spiel, die in den 1930er Jahren von einer Art faschistischem Zeitgeist pervertiert wurde.
Ziel dieser Seminararbeit ist es zunächst zu klären, was für rassistische oder völkische Argumentationen der Ideologie der Ustascha eigen waren, welche Wurzeln diese hatten und wie stark rassistische Grundsätze die Ideologie der Ustascha prägten. In einem zweiten Schritt soll dann geklärt werden, welche Folgen diese Rassenideologie hatte, als die Machteinsetzung der Ustascha die Umsetzung ihrer Ideologie in eine konkrete Politik ermöglichte.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Der Ustascha-Faschismus und seine Opfer
2. Die Rassenideologie der Ustascha
2.1. Die Statuten der Ustascha
2.2. Die Wurzeln der Ustascha-Ideologie
2.3. Die völkischen Elemente in der Ideologie der Ustascha
3. Die Verwirklichung der Rassenideologie der Ustascha
3.1. Die Ziele und die Handlungsmacht der Ustascha
3.2. Die versuchte Integration der bosnischen Muslime
3.3. Die Verfolgung der Serben
3.4. Die Vernichtung der Juden
3.5. Die Frage nach den Zahlen
4. Schlussbetrachtung: Die Bedeutung der Rassenideologie für die Kroatisierungspolitik der Ustascha
Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung: Der Ustascha-Faschismus und seine Opfer
Die Ustascha und ihr Führer Ante Paveli regierten vom April 1941 bis Mai 1945 ein faschistisch organisiertes Staatsgebilde namens „Unabhängiger Staat Kroatien“ (USK), welches sich in politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit zu seinen faschistischen „Geburtshelfern“, dem nationalsozialistischen Deutschen Reich und dem Königreich Italien, befand. Der kroatische Jurist und Politiker Ante Paveli hatte die Ideologie der von ihm im Exil gegründeten Organisation, die sich später selbst gerne als „Bewegung“ darstellte, im Laufe der 1930er Jahre im italienischen Exil entwickelt. Diese Ideologie lehnte sich folglich am italienischen Faschismus an und beinhaltete dementsprechend auch eine spezifische Rassenideologie. Im Zentrum dieser diffusen Rassenideologie stand der Kroate als arischer „Herrenmensch“. Logische Folge war der Versuch der Schaffung einer ethnisch homogenen Gesellschaft als oberstes Staatsziel des späteren Unabhängigen Staates Kroatien.
Wie viele Menschen der mutmaßlich ethnisch-zentrierten Politik des USK zum Opfer fielen, ist nicht genau zu klären: Von über einer Viertelmillion kann aber ausgegangen werden. Dies waren überwiegend orthodoxe Serben, wobei auch die Mehrheit der über 30 Tausend Juden die Existenz des Ustascha-Staates nicht überlebte. Die Feindbilder der kroatischen Ustascha, und damit einhergehend die Ethnizität der Opfer, waren geknüpft an historische, geographische und demographische Begebenheiten des südwestlichen Balkans. Denn dort trachteten die kroatischen Nationalisten der Ustascha nach der Errichtung eines souveränen Großkroatiens, eines Gebildes, welches wie ein Gegenentwurf zu den nationalistischen Fantasien einiger Serben von einem Großserbien anmutet. Diese nationalistischen Pläne konkurrierten nicht nur um Boden - wobei insbesondere Bosnien-Herzegowina umkämpft war - auch Menschen, hauptsächlich die muslimischen Einwohner Bosnien-Herzegowinas, wurden als Teil der serbischen oder kroatischen Nationalität vereinnahmt. Diese Muslime, welche auch als Bosniaken bezeichnet werden, standen zwischen den Fronten. Da sie weder vom kroatisch- katholischen, noch vom serbisch-orthodoxen Kulturkreis zu vereinnahmen waren, kam zwangsläufig eine „völkische“ Sicht ins Spiel, die in den 1930er Jahren von einer Art faschistischem Zeitgeist pervertiert wurde.
Ziel dieser Seminararbeit ist es zunächst zu klären, was für rassistische oder völkische Argumentationen der Ideologie der Ustascha eigen waren, welche Wurzeln diese hatten und wie stark rassistische Grundsätze die Ideologie der Ustascha prägten. In einem zweiten Schritt soll dann geklärt werden, welche Folgen diese Rassenideologie hatte, als die Machteinsetzung der Ustascha die Umsetzung ihrer Ideologie in eine konkrete Politik ermöglichte. Dabei werden Maßnahmen zur Integration oder zur Ausgrenzung der nichtkroatischen Bevölkerungsteile thematisiert werde, die nicht ausschließlich oder sogar weniger mit Rassismus zu tun hatten. Es muss aber vorweg genommen werden, dass die Motivationslage der damals Handelnden nicht eindeutig geklärt werden kann und sich häufig unterschiedliche Motive vermischten.
Begrifflich muss darauf hingewiesen werden, dass es schwierig ist, die Ustascha mit Worten wie Bewegung oder Organisation, oder gar Geheimbund oder Partei zu klassifizieren. Der Versuch einer solchen Einordnungen ist Gegenstand zum Teil höchst politischer Debatten und soll hier ausgeklammert werden, auch wenn der Autor dieser Seminararbeit die Begriffe gelegentlich verwenden wird. Die begriffliche Einordnung der Ustascha ist für die Beschreibung des Charakters und der Umsetzung der Rassenideologie der Ustascha von geringer Relevanz. Das gleiche gilt für die Charakterisierung der Ustascha als faschistisch. Ob die Ideologie der Ustascha nun dem Faschismus zuzuordnen sei, wie es Ernst Nolte behauptete,1 oder als „höchste Ausprägung des balkanischen Ethno-Nationalismus“2 bezeichnet werden müsse, wie es Michael Weithmann in Ablehnung der Faschismus-Einordnung tat, ändert nichts an der Ausprägung der Ideologie.
2. Die Rassenideologie der Ustascha
Der serbokroatische Ausdruck Ustascha bedeutet im Deutschen soviel wie „der Aufständische“.3 Die Vorgängerin der Ustascha war die „Hrvatski Domobran“ („Kroatische Heimwehr“) die der rechtsgerichtete Rechtsanwalt und Belgrader- Abgeordnete Dr. Ante Paveli im Herbst 1928 aus vorwiegend studentischen nationalistischen Gruppierungen in Zagreb gründete. Den Boden hierfür hatte die blutige Niederschlagung einer kroatischen Protestkundgebung am 21. Juni 1928 in Zagreb bereitet, welche die Gemüter der national gesinnten Studenten nicht nur gegen die überwiegend serbischen Sicherheitskräfte erhitzte, sondern auch gegen das serbisch dominierte Staatsgebilde „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ (SHS-Staat) an sich.4 Die „Domobran“ war eine geheime Kampfbund-Organisation, wie es sie zur Durchsetzung nationalistischer Zielsetzungen auf dem Balkan schon viele gab. Die wohl bekannteste war die serbische Schwarze Hand, die eine großserbische Programmatik verfolgte und eine Gruppe um Gavrilo Princip mit Waffen versorgte, welche am 28. Juni 1914 den österreichisch-ungarischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajevo ermordete.5 Die bewaffneten Verschwörergruppen der Domobran verübten nun Anschläge auf ihre politischen Gegner. Der 1889 geborene Ante Paveli , der als einer von wenigen Abgeordneten die rechts außen stehende „Kroatische Partei des Rechtes“ im Belgrader Parlament des Gesamtstaates vertrat,6 schaffte es aber nicht, dass sich die größte und einflussreichste kroatische Partei, die Kroatische Bauernpartei unter ihrem Parteiführer Vladko Ma ek, auf seinen revolutionären Kurs begab. Aber auch auf der Ebene der demokratischen Auseinandersetzung schien im Krisenjahr 1928 - in dessen August ein serbisch-nationalistischer Abgeordneter den bis dato einflussreichsten kroatischen Politiker Stjepan Radi erschoss - keine Überwindung des kroatisch-serbischen Gegensatzes mehr möglich. Dem Parlamentarismus zunehmend überdrüssig, löste der König des SHS-Staates am 6. Januar 1929 das Parlament auf und setzte die Verfassung außer Kraft.7 Diese Königsdiktatur, die den bald in Jugoslawien umbenannten Gesamtstaat zunächst durchaus stabilisierte, bereitete Paveli s Hoffnung auf einen baldigen Zerfall Jugoslawiens und kroatische Unabhängigkeit ein Ende. So soll Paveli am Tag nach der Proklamation der Königsdiktatur gemeinsam mit seinen engsten Vertrauten die „Ustaša Hrvatska Revolucionarna Organizacija“ (UHRO) gegründet haben.8
2.1 Die Statuten der Ustascha
Der volle Name offenbart den ursprünglichen Charakter der Ustascha: eine Organisation, die den revolutionären Umsturz in Jugoslawien forcierte. Ihre Aufgaben und die Organisation spezifizierten sie in den so genannten „Statuten“, die sie in einer Art Verfassung von 1932 niederschrieben. Im ersten Punkt definiert sich die Ustascha als „kroatische Freiheitsbewegung“ und nennt das oberste Ziel ihres Wirkens: die Herstellung eines „selbstständigen und unabhängigen Staates auf seinem ganzen völkischen und geschichtlichen Gebiet“ mit „allen Mitteln“.9 Dieser Satz beinhaltet einige zukunftsweisende Informationen. Zunächst ist mit der Beanspruchung der „geschichtlichen Gebiete“ der zukünftige Widerspruch zwischen Staatsgebiet und Staatsvolk angelegt, da die multiethnischen, mehrheitlich nicht kroatisch-katholischen Gebiete Bosniens unter diese Kategorie fallen. Erst dieser Widerspruch wird die Rassenideologie der Ustascha quantitativ bedeutsam machen. Die qualitativ den NS- Verbrechen kaum nachstehende Härte in der Umsetzung der Ustascha-Rassenideologie wurde bereits im Ausdruck mit „allen Mitteln“ angedeutet. In Bezug auf Gewaltverherrlichung ähnelt die Ustascha ihren faschistischen beziehungsweise nationalsozialistischen Vorbildern in Italien und Deutschland nicht nur, vielmehr wird aufgrund des von der Ustascha ausgehenden Terrors der Anfangsjahre die Gewalt zum zentralen Merkmal in ihrer Außenwahrnehmung, spätestens seit dem von ihr gemeinsam mit der bulgarisch-makedonischen Untergrund- und Guerillaorganisation IMRO ausgeführten und erfolgreichen Attentat auf den jugoslawischen König Alexander bei dessen Staatsbesuchs im französischen Marseille am 9. Oktober 1934, dem auch sein Gastgeber, der französischen Außenminister Barthou, zum Opfer fiel. Nachdem ein von der Ustascha organisierter bewaffneter Aufstandsversuch in der Lika - eine historische Landschaft im Westen des heutigen Kroatiens - 1932 mangels Unterstützung in der Bevölkerung gescheitert war, setzten sie mit solchen Terrorakten auf die allmähliche Destabilisierung Jugoslawiens.10 Genau diese Politik aber schadete letztlich der Ustascha: Das Attentat wurde international - auch von Deutschland und Italien - verurteilt. Pavelic wurde in Italien sogar kurze Zeit in Haft gesetzt und blieb nach der Haftentlassung unter polizeilicher Überwachung. Nachdem 1937 ein italienisch-jugoslawischer Freundschaftsvertrag geschlossen worden war, wurden die Bewegungsfreiheit von Pavelic und der Handlungsspielraum der Ustascha noch weiter eingeschränkt.11 Bis in den April 1941 verschwand die Ustascha folglich in zunehmender Bedeutungslosigkeit.
Ihre „Statuten“ von 1932 blieben bestehen. Während der erste Punkt auf die Herstellung der staatlichen Unabhängigkeit abzielte, behandelte der zweite Punkt die Aufgaben der Ustascha nach dem Erreichen der Unabhängigkeit. Wieder sollten „alle Mittel“ recht sein, um nicht nur die „staatliche Selbstständigkeit“, sondern auch die „völkische Besonderheit des kroatischen Volkes“ zu „schützen“.12 Auch solle dafür gekämpft werden, dass „im kroatischen Staate nur das kroatische Volk herrscht“ und „es [das kroatische Volk] der Alleinherrscher über alle materiellen und geistigen Güter im Lande bleibt“.13 Hier kommt zum ersten Mal und im Besonderen das völkische Element der Ustascha-Ideologie zur Geltung. Ebenso wie die Nationalsozialisten in Deutschland mit den so genannten „Nürnberger Rassegesetzen“, sollte die Ustascha nach ihrer „Machtergreifung“ Maßnahmen zum Schutze der bereits erwähnten „völkischen Besonderheit des kroatischen Volkes“ ergreifen. In diesem zweiten Punkt der Ustascha- Statuten ist zumindest eine spätere Diskriminierung der Nicht-Kroaten vorgeschrieben, wobei auch Raum für extremere Interpretationen gelassen wird. Hinzu kommt die Forderung nach der alleinigen Herrschaft des kroatischen Volkes, womit die Rassenfrage für die spätere Ausgestaltung des politischen Systems des USK unabdingbar wird.
2.2 Die Wurzeln der Ustascha-Rassenideologie
Die Ideologie der Ustascha wurzelt zweifellos in einem zum Teil aggressiven Nationalismus, der sich seit Mitte des 19. Jahrhundert auch in Kroatien entwickelte. Ähnlich dem deutschen Nationalismus, sind für den Nationalismus auf dem Balkan die völkische, oder, um weniger belastete Begriffe zu verwenden, die kulturelle und volkstümliche Selbstwahrnehmung von enormer Bedeutung.14 Für die national gesinnten Kroaten des 19. Jahrhunderts war die kroatische Nation eine Kulturnation wie im Sinne Johann Gottfried Herders, die sich nicht anhand staatlicher Grenzen definiert, sondern anhand eines Volkes, eines spezifischen Nationalcharakters, einer gemeinsamen Abstammung, Sprache und Kultur. An welchen staatlichen Grenzen hätte sich ein kroatischer Nationalismus auch orientieren sollen? In der Neuzeit gab es noch keinen unabhängigen kroatischen Staat. Der kroatische Nationalismus hatte folglich eine stark katholische Färbung, sahen die Kroaten sich doch als dem westlichen, katholischen Kulturkreis zugehörig und als Bollwerk gegenüber der Orthodoxie und dem Islam.15
Wahrlich radikalisiert wurde der junge kroatische Nationalismus durch den 1896 gestorbenen Publizisten und Politiker Ante Star evi . Er strebte nicht nur nach staatlicher Unabhängigkeit für Kroatien. Star evi s Kroatien war ein Großkroatien, welches er in die Tradition des frühmittelalterlichen kroatischen Königtums wähnte, das sich um 925 nach Christus auf dem Höhepunkt seiner Macht befand.16 Dieser großkroatische Staat umfasste neben den heutigen kroatischen Gebieten Zentralkroatien, Slawonien, Dalmatien und Istrien auch den Großteil des heutigen Bosnien- Herzegowinas und konnte wohl auch Montenegro zu seinem Einflussgebiet zählen.17
Star evi s Nationalismus beruhte folglich nicht auf dem für den Balkan typischen herderschen Kulturnationalismus, sondern hatte die angebliche Kontinuität einer fast 1000 Jahre alten Staatlichkeit als Grundlage, die es nur wieder herzustellen galt.18 Folglich forderte Star evi zu seinen Lebzeiten die Verbindung aller überwiegend von Kroaten bewohnten Gebiete und schloss dabei Bosnien-Herzegowina mit ein.19 In Berufung auf Star evi wird auch Pavelic nach dem Ersten Weltkrieg die gleiche Forderung stellen.20
Star evi wird in der Literatur zuweilen als geistiger Ziehvater Ante Pavelics und der Ustascha bezeichnet. Dies ist zum größten Teil korrekt, auch wenn die verbreitete Darstellung Star evi s als radikaler Serbenfeind überspitzt ist. Wenn dieser verächtlich über „Slawoserben“ sprach, welches ein Volk von entlaufenden Sklaven sei, das die kroatische Sprache angenommen hätte, so verurteilte er nicht eine serbische Rasse oder Volk, sondern die politischen Gegner eines kroatischen Staates und Parteigänger der Habsburger Monarchie, wie es sie fraglos auch unter den Kroaten gab.21 Vielmehr hat Star evi die „Gesamtheit der jugoslawischen Rasse“ als kroatisches Volk verstanden.22 Die Religion wollte er von der Politik, also von der nationalen Zugehörigkeit abkoppeln.23 Aber auch wenn Star evi niemanden aufgrund der ethnischen Herkunft aus seinem Großkroatien ausgeschlossen hätte, so ist in seinem politischen „Pankroatismus“ doch generell ein höchst aggressives Element gegen jene, die ihre angeblich kroatische Herkunft verneinen. Was wohl auf die allermeisten orthodoxen Serben in Bosnien-Herzegowina zutreffend gewesen wäre.
Pavelic selbst hatte Star evi s wiederholt als seinen politischen Lehrmeister bezeichnet.24 Die Verbindung zu ihm wird auch in der Programmatik der Ustascha sichtbar. In den „Grundsätzen der Ustascha-Bewegung“ vom Juni 1933, wird im siebten Punkt auf die „Ununterbrochenheit der kroatischen Staatlichkeit“25 hingewiesen, die das kroatische Volk durch die Jahrhunderte erhalten habe. Auch weitere Punkte in diesen Grundsätzen lassen sich auf Star evi zurückführen, so die Idee vom Bauerntum als Fundament eines kroatischen Staates.26 Nichtsdestotrotz sollten völkische Elemente bei der Ustascha eine größere Rolle spielen. Nicht die Staatlichkeit, sondern die Volkszugehörigkeit sollte zentrales Element zur Integration des Staatsvolkes werden.
2.3 Die völkischen Elemente in der Ideologie der Ustascha
Der erste und somit oberste Grundsatz in den bereits erwähnten „Grundsätzen der Ustascha-Bewegung“ ist mit „Das kroatische Volk“ betitelt.27 In diesem Grundsatz wird festgehalten, dass „das kroatische Volk [...] eine arteigene, nationale [auch „ethnische“ zu übersetzen] Einheit“28 sei. Das kroatische Volk sei zudem mit keinem anderen Volk identisch oder kein Stamm irgendeines anderen Volkes. Aus dem historischen Kontext ist diese Feststellung besonders als Abgrenzung gegenüber den Serben zu verstehen, da die jugoslawischen Bewegungen des 19. Jahrhunderts bisweilen versuchten, eine Artverwandtschaft politisch zu instrumentalisieren, im Besonderen taten dies Fraktionen der so genannten „Illyrischen Bewegung“.29 Auch in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts kamen zunehmend rassistische Theorien in Mode, was überwiegend die serbische Seite zur Belegung der Einheitlichkeit der Serben und Kroaten benutzte.30 Auch wenn das Wort „Volk“ in den Grundsätze der Ustascha weniger als Synonym für „Rasse“ verwendet wird, als für den Begriff „Nation“, so wird in diesem Punkt doch eine eindeutige Abgrenzung zum Panslawismus des 19. Jahrhunderts und Jugoslawismus des 20. Jahrhunderts vollzogen. Die Ustascha möchte klar machen, dass die Kroaten weder „artgleich“, noch verwandt mit den Serben sind.
Im zwölften Grundsatz wird nicht nur allen Kroaten zugeschrieben, dass sie Wurzeln im einheimischen Bauerntum haben, in einem Nabensatz wird diesen Kroaten auch nachgesagt, sie seien folglich „Angehörige kroatischen Blutes“.31 In diesem Grundsatz wird also deutlich an einer Art faschistischen Blut- und Bodenmystik gesponnen. Auch wenn dieser Blut- und Bodenmystik der expansive Drang nach „Lebensraum“ der nationalsozialistischen Blut- und Bodenideologie fremd ist, so wird diese im Zusammenhang mit dem Primat der Volkszugehörigkeit für die Innenpolitik des USK doch eine verhängnisvolle Wirkung entfalteten.
[...]
1 Vgl. SOJCIC, Tvrtko P.: Die „Lösung“ der kroatischen Frage zwischen 1939 und 1945. Kalküle und Illusionen, Stuttgart 2008, S. 411.
2 Vgl. WEITHMANN, Michael W.: Balkan-Chronik. 200 Jahre zwischen Orient und Okzident, Köln 1995, S. 411.
3 Vgl. HÖSCH, Edgar: Geschichte der Balkanländer. Von der Frühzeit bis zur Gegenwart, München 2008, S. 230.
4 Vgl. HORY, Ladislaus/ BROSZAT, Martin: Der kroatische Ustascha-Staat 1941-1945, Stuttgart 1964, S. 18.
5 Vgl. KEEGAN, John: Der Erste Weltkrieg. Eine europäische Tragödie, Hamburg 2006, S. 80f.
6 Vgl. STEINDORFF, Ludwig: Kroatien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Regensburg 2001, S. 173.
7 Vgl. BARTL, Peter: Grundzüge der jugoslawischen Geschichte, Darmstadt 1985, S. 102.
8 Vgl. HORY/ BROSZAT: Der kroatische Ustascha-Staat 1941-1945, S. 19.
9 Vgl. SOJCIC: Die „Lösung“ der kroatischen Frage zwischen 1939 und 1945, S. 411.
10 Vgl. WEITHMANN: Balkan-Chronik, S. 380.
11 FRICKE, Gert: Kroatien 1941 - 1944. Der „Unabhängige Staat“ in der Sicht des Deutschen Bevollmächtigten Generals in Agram, Glaise v. Horstenau, Freiburg 1972, S. 14.
12 Vgl. SOJCIC: Die „Lösung“ der kroatischen Frage zwischen 1939 und 1945, S. 411.
13 Vgl. ebd., S. 411.
14 WEITHMANN, Michael W.: Krisenherd Balkan. Ursprünge und Hintergründe des aktuellen Konflikts, München 1992, S. 52f.
15 Vgl. ebd., S. 56.
16 Vgl. HORY/ BROSZAT: Der kroatische Ustascha-Staat 1941-1945, S. 15.
17 Vgl. BARTL: Grundzüge der jugoslawischen Geschichte, S. 9f.
18 Vgl. BEHSCHNITT, Wolf D.: Nationalismus bei Serben und Kroaten: 1830 - 1914. Analyse und Typologie der nationalen Ideologie, München 1980, S. 349.
19 Vgl. HORY/ BROSZAT: Der kroatische Ustascha-Staat 1941-1945, S. 15.
20 Vgl. ebd., S. 16.
21 Vgl. BEHSCHNITT: Nationalismus bei Serben und Kroaten, S. 350.
22 Vgl. ebd., S. 349.
23 Vgl. ebd., S. 176.
24 Vgl. HORY/ BROSZAT: Der kroatische Ustascha-Staat 1941-1945, S. 15.
25 SOJCIC: Die „Lösung“ der kroatischen Frage zwischen 1939 und 1945, S. 415.
26 Vgl. HORY/ BROSZAT: Der kroatische Ustascha-Staat 1941-1945, S. 15.
27 Vgl. SOJCIC: Die „Lösung“ der kroatischen Frage zwischen 1939 und 1945, S. 414.
28 Ebd.
29 Vgl. CLEWING, Konrad: Staatlichkeit und nationale Identitätsbildung, München 2001, S. 191.
30 Vgl. SOJCIC: Die „Lösung“ der kroatischen Frage zwischen 1939 und 1945, S. 248.
31 Vgl. ebd., S. 416.