Wenn zwei Sprachen miteinander in Kontakt treten, nehmen sie gegenseitig Wortgut (d.h. Wörter, Redewendungen und auch Sprichwörter) aus der jeweils anderen Sprache in ihren eigenen Wortschatz auf.
Die vorliegende Arbeit soll sich mit einem solchen Sprachkontakt zwischen dem Französischen und dem Deutschen beschäftigen und darstellen, welchen Einfluss die französische Sprache im Laufe der Geschichte auf den deutschen Wortschatz hatte und welches Lehngut im Deutschen heimisch wurde. Im Mittelpunkt der Betrachtungen wird dabei der Bereich der Mode stehen.
Zu Beginn dieser Arbeit werden die wichtigsten theoretischen bzw. wissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich des Themas „Fremdwort vs. Lehnwort“ dargestellt. Diese Erkenntnisse bilden die Grundlage für die darauffolgende Präsentation der verschiedenen Phasen der Geschichte, in denen das Französische Einfluss auf den deutschen Wortschatz ausübte. Es werden die Gründe für diesen Einfluss beschrieben und Beispiele für entlehntes Wortgut genannt. An geeigneten Stellen werden Ausschnitte aus Modezeitschriften das zuvor Erläuterte stützen. Aber nicht nur die Geschichte soll in dieser Arbeit beleuchtet werden. Auch die heutige Situation sprachlicher Entlehnungen auf deutscher sowie französischer Seite soll ein Abschnitt dieser Arbeit sein.
Ein Resümee wird zum Schluss die wichtigsten Erkenntnisse dieser Arbeit nochmals aufgreifen und sich mit der Frage auseinandersetzen, ob Entlehnungen und Fremdwörter eine Bedrohung oder eine Bereicherung für die betreffende Sprache sind.
Inhaltsverzeichnis
0. Vorwort
1. Fremdwort vs. Lehnwort Terminologische Grundlagen
2. Der Einfluss des Französischen auf den deutschen Wortschatz
2.1 Die erste Periode: Mittelalter
2.2 Die zweite Periode: Barock
2.3 Die dritte Periode: Von der Französische Revolution bis zum Premier Empire
3. Die heutige Situation fremdsprachlicher Entlehnungen im Deutschen und Französischen
4. Resümee
5. Quellen
6. Anhang
0. Vorwort
Wenn zwei Sprachen miteinander in Kontakt treten, nehmen sie gegenseitig Wortgut (d.h. Wörter, Redewendungen und auch Sprichwörter) aus der jeweils anderen Sprache in ihren eigenen Wortschatz auf.
Die vorliegende Arbeit soll sich mit einem solchen Sprachkontakt zwischen dem Französischen und dem Deutschen beschäftigen und darstellen, welchen Einfluss die französische Sprache im Laufe der Geschichte auf den deutschen Wortschatz hatte und welches Lehngut im Deutschen heimisch wurde. Im Mittelpunkt der Betrachtungen wird dabei der Bereich der Mode stehen.
Zu Beginn dieser Arbeit werden die wichtigsten theoretischen bzw. wissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich des Themas „Fremdwort vs. Lehnwort“ dargestellt. Diese Erkenntnisse bilden die Grundlage für die darauffolgende Präsentation der verschiedenen Phasen der Geschichte, in denen das Französische Einfluss auf den deutschen Wortschatz ausübte. Es werden die Gründe für diesen Einfluss beschrieben und Beispiele für entlehntes Wortgut genannt. An geeigneten Stellen werden Ausschnitte aus Modezeitschriften das zuvor Erläuterte stützen. Aber nicht nur die Geschichte soll in dieser Arbeit beleuchtet werden. Auch die heutige Situation sprachlicher Entlehnungen auf deutscher sowie französischer Seite soll ein Abschnitt dieser Arbeit sein.
Ein Resümee wird zum Schluss die wichtigsten Erkenntnisse dieser Arbeit nochmals aufgreifen und sich mit der Frage auseinandersetzen, ob Entlehnungen und Fremdwörter eine Bedrohung oder eine Bereicherung für die betreffende Sprache sind.
1. Fremdwort vs. Lehnwort Terminologische Grundlagen
Gelangen Wörter von einer Sprache in den Wortschatz einer anderen Sprache, so nennt man diese entweder Fremd- oder Lehnwörter. Sie „entstehen am häufigsten dann, wenn ein Volk bei einem anderen eine Sache, einen Begriff [oder] eine Institution kennen lernt und diese gemeinsam mit der Bezeichnung aus der fremden Sprache übernimmt“ (http://www.examen-europaeum.com [23.06.2008]).
Als Fremdwörter bezeichnet man die aus einer anderen Sprache übernommenen Wörter, die von den Normen der aufnehmenden Sprache abweichen und von den Muttersprachlern als fremd erkannt und empfunden werden (vgl. Telling 1987, S. 10). Diese Abweichungen können die morphologische Ebene (wobei meist Präfixe und Suffixe als fremdartig angesehen werden, Bsp.: re form ieren, Kon zentra tion), die phonologische Ebene (d.h. Abweichungen in Aussprache und Akzentuierung, Bsp.: Fris eu r, L angue, extempor ie ren, desolat) und die graphematische Ebene (d.h. Vorhandensein von für die aufnehmende Sprache untypischen Buchstabenverbindungen, Bsp.: S ou tane) betreffen. Aber auch der seltene Gebrauch eines Wortes in der Alltagssprache kann es als Fremdwort kennzeichnen (Bsp.: paginieren, Revenue) (vgl. DUDEN – Das Fremdwörterbuch 2005, S. 122).
Im Gegensatz dazu definiert man als Lehnwörter, diejenigen aus einer anderen Sprache aufgenommenen Wörter, die sich an das aufnehmende Sprachsystem angepasst haben. Sie werden in Bedürfnislehnwörter und Luxuslehnwörter unterteilt.
Bedürfnislehnwörter wären solche [Lehnwörter], die einen Begriff abdecken, für den es in der aufnehmenden Sprache vorher noch keinen adäquaten und hinreichend spezifischen Ausdruck gab. […]Liegt dagegen bereits eine (zumindest im Moment der Entlehnung) funktionsidentische oder zumindest funktionsverwandte Lexie im Französischen vor, bezeichnet man das Fremdelement als Luxuslehnwort. (Wunderli 1989, S. 68).
Beispiele für Bedürfnislehnwörter im Französischen wären: sonnet, sieste, aubergine, whisky und jean. Die Anpassung der Lehnwörter an das Sprachsystem der aufnehmenden Sprache kann die Graphematik, die Phonematik, die Phono-Graphematik und die Morphologie eines Wortes betreffen. So passte sich zum Beispiel das Wort Büro in der Graphematik an die deutsche Sprache an, indem die französische Lautform von bureau mit Mitteln der deutschen Sprache wiedergegeben wurde. „Ziel dieser Anpassung ist letztlich, den Lehnwörtern ihr fremdes Gepräge zu nehmen und sie so weit zu „verkleiden“ oder zu „schminken“, daß sie nicht mehr auffallen und damit keine Fremdheit mehr konnotieren (Braselmann 1981)“ (Wunderli 1989, S. 61). Der Grad der Anpassung entlehnter Wörter ist dabei von Lehnwort zu Lehnwort unterschiedlich. Demzufolge gibt es im Deutschen Lehnwörter französischen Ursprungs, denen man ihren Ursprung nicht ansieht, da sie sich völlig dem deutschen Sprachsystem angepasst haben (Bsp.: Karte, Preis, fein, Reim, fehlen, Onkel, Tante). Es gibt aber auch französische Entlehnungen, die sich nur partiell an das Deutsche angepasst haben. Als Beispiel hierfür kann das Wort Porträt gelten, welches im 17. Jahrhundert vom französischen Wort portrait [pɔʀʈʀɛ] entlehnt wurde. Der Laut [ɛ] wurde im Deutschen mit dem Buchstaben ä ausgedrückt, das stumme t am Ende des Wortes ist aber erhalten geblieben. Aber nicht nur die äußere Gestalt eines übernommenen Wortes kann sich im Laufe der Zeit ändern, auch die Bedeutung des Wortes selbst kann Veränderungen erfahren. Teilweise werden die Lehnwörter nur mit eingeschränkter Bedeutung übernommen (d.h. nicht alle in der Quellsprache vorhandenen Bedeutungen des Wortes werden mit übernommen), sodass es zu einer Bedeutungsverengung kommt. Werden jedoch Bedeutungen hinzugefügt, spricht man von einer Bedeutungserweiterung. Erhält ein Wort, das zuvor mit einer negativen Bedeutung besetzt war, eine positive, so erfährt es eine Bedeutungsverbesserung (Bsp.: Marschall -> ursprüngliche Bedeutung: Pferdeknecht, heutige Bedeutung: hoher militärischer Rang). Im umgekehrten Fall würde das Wort eine Bedeutungsverschlechterung erfahren (vgl. DUDEN – Das Herkunftswörterbuch 2007, S. 63).
Neben den eigentlichen Lehnwörtern gibt es zudem Lehnprägungen, welche Peter Wunderli (1989, S. 69) als „inneres Lehngut“ bezeichnet. „Es handelt sich hierbei um Bildungen, die auf die eine oder andere Weise fremde Lexien und deren Inhalt mit autochthonem sprachlichen Material wiederzugeben versuchen“ (Wunderli 1989, S. 69). Diese Lehnprägungen unterteilt man wiederum in Lehnübersetzungen, Lehnübertragungen und Lehnbedeutungen. „Lehnübersetzungen imitieren die Struktur eines Fremdworts mit spracheigenen Mitteln“ (Stein 2005, S. 132). Das am häufigsten genannte Beispiel für eine Lehnübersetzung, d.h. eine „Glied-für-Glied-Nachbildung eines fremden Vorbildes“ (Wunderli 1989, S. 69) ist das französische Wort gratte-ciel, welches das englische Wort sky-scraper nachbildet. Lehnübertragungen sind im Gegensatz dazu nur „Teilübertragungen eines fremden Vorbildes“ (ebd.: S. 70) (Bsp.: planche à voile von surf-board). Desweiteren liegen Lehnbedeutungen vor, „wenn eine bereits existierende Lexie eine zusätzliche Bedeutung einer (meist verwandten Lexie) aus einer fremden Sprache übernimmt.“ (ebd.: S. 70). Dies ist zum Beispiel bei dem französischen Verb réaliser der Fall. Ursprünglich hatte jenes Verb nur die Bedeutung „verwirklichen“, aus dem Englischen (to realize) übernahm man zusätzlich die Bedeutung „wahrnehmen“.
Die Übergänge zwischen den drei Gruppen (Fremdwörter – Lehnwörter – Lehnprägungen) sind fließend. Sie stellen die extremen Punkte dar, „zwischen denen es noch zahlreiche Übergangsstufen gibt“ (Telling 1987, S. 10).
Abgesehen von diesen drei Gruppen gibt es zudem noch die Gruppe der Scheinentlehnungen. Dies sind in der aufnehmenden Sprache selbstständig zu Entlehnungen gebildete Wörter. Beispiele für solche Scheinentlehnungen sind die Wörter Friseur und Frisur, die deutsche, französierende Bildungen zu frisieren sind. Das Verb frisieren wiederum ist eine Entlehnung aus dem 17. Jahrhundert zu französisch friser.
In den folgenden Kapiteln soll nun dargestellt werden zu welchen Zeiten in der Geschichte und warum im Deutschen französische Entlehnungen und französische Fremdwörter auftraten.
2. Der Einfluss des Französischen auf den deutschen Wortschatz
Die Entlehnungen aus dem Französischen, auch Gallizismen bzw. Französismen genannt, sind nach den Lateinischen die zweitgrößte Gruppe von Lehnwörtern im Deutschen. Als Grund für diese bedeutende Position des Französischen kann die wichtige politische und kulturelle Rolle Frankreichs seit dem Mittelalter angesehen werden.
Sprachkontakte zwischen Frankreich und Deutschland lassen sich mindestens seit den Straßburger Eiden von 842 textuell nachweisen. Danach hat es immer wieder wechselseitige sprachliche Einflüsse gegeben, Sprachkonflikte und sprachliche Dominanz, aber auch Bereicherung durch lexikalische Entlehnungen. Der Einfluss der französischen Sprache auf das Deutsche lässt sich in drei Perioden einteilen: die Periode des Mittelalters, die Periode des Barocks und die Periode der Französischen Revolution.
2.1 Die erste Periode: Mittelalter
Die ersten französischen Wörter wurden in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts aus dem Altfranzösischen ins Mittelhochdeutsche übernommen. Es waren zunächst nur sehr wenige Wörter, die entlehnt wurden, da erst um 1130 mit der Übersetzung literarischer Werke aus dem Französischen (z.B. Rolandslied, Alexanderlied) ein intensiverer Kulturkontakt ermöglicht wurde (vgl. Kramer 1992, S. 49). Zunächst finden sich nur die Wörter trôn und turn mehrfach, bald folgten aber buckel und tanzen. Beim um 1000 bekannt gewordenen Schachspiel „verwendete [man] auch die romanischen Termini des Würfelspieles (esse, dûs, trîa, quatter, zinco, sês) sowie einige Edelsteinbezeichnungen (agât, granât).“ (Kramer 1992, S. 50)
Im 12. Jahrhundert gelangte dann das in Frankreich schon im 11. Jahrhundert voll entwickelte Rittertum und die darauf beruhenden Sitten nach Deutschland. Die französische ritterliche Lebensweise wurde zum Ideal an deutschen Höfen. Es wurde in Deutschland „Sitte, französische Sprachlehrer für die Kinder fürstlicher und anderer hochgestellter Persönlichkeiten zu engagieren.“ (Kramer 1992, S. 50) Auf diesem Wege wurden zahlreiche Bezeichnungen aus vielen Bereichen der Sachkultur und des höfischen Lebens aus dem Altfranzösischen ins Mittelhochdeutsche übernommen. Von den Wettkämpfen und Kampf spielen der Ritter sind heute zum Beispiel noch Wörter wie Turnier (von afrz.[1] turnier „am Turnier teilnehmen“), Lanze (afrz.: lance), Panzer (afrz.: pancier), Visier (frz.: visière) und Preis (afrz.: pris) bekannt. „Beim Turnier konnte es auch vorkommen, dass ein Ritter mit der Lanze am Gegner vorbeistieß. Für dieses Nichttreffen hatten die französischen Ritter den Ausdruck faillir. Die deutschen Ritter, die dieses Wort auf den Turnierplätzen in Brabant oder Flandern oft hörten, übernahmen es bald und formten es um zu mittelhochdeutsch vælen, vēlen, das schließlich unser fehlen ergab.“(DUDEN – Das Herkunftswörterbuch 2007, S. 384) Da man sich auch betreffs Benehmen und Anstand am französischen Vorbild orientierte, musste der Ritter bei der Tafelrunde (W. von Eschenbach bildete das Wort vom französischen table ronde nach) und beim Tanz (afrz.: danse) Manieren (afrz.: manière) besitzen. Zum Tanze spielte man auf der Flöte (afrz.: flaüte), der Laute (afrz.: lëut), der Posaune (afrz.: buisine), der Schalmei (afrz.: chalemie), dem Tamburin (frz.: tambourin) oder der Trompete (afrz.: trompe, frz.: trompette).
Aber nicht nur die höfische Lebensweise der französischen Ritter hatte eine Vorbildfunktion, auch literarisch übte Frankreich zu dieser Zeit großen Einfluss auf seine Nachbarstaaten aus. So entstand auch in Deutschland eine blühende ritterliche Dichtkunst und die „Übernahme der Themen und Formen der französischen Literatur, z.B. der Troubadourlyrik und des höfischen Romans, führte zu zahlreichen französischen Lehnwörtern: etwa dreihundert bei Gottfried von Straßburg an die tausend bei Wolfram von Eschenbach.“ (Berschin u.a. 1978, S. 222)
Was die Mode anbelangt, entwickelte sich Frankreich zum Zentrum in ganz Europa. Der französische Hof gab „die »mâze« für die Formen, Materialien und Farben der Moden“ (Thiel 2000, S.105) in Deutschland sowie in fast allen anderen Ländern Europas an. So trugen die adeligen Frauen in Deutschland einen Surkot, ein Obergewand über der Cotte. „Auf gutes Schuhwerk wurde großen Wert gelegt […] [und es] war ein schwerer Verstoß gegen die höfische Sitte, schlechtes Schuhwerk anzuziehen.“ (Thiel 2000, S. 112) Aus diesem Grund trugen der adelige Mann und die adelige Frau Halb stiefel (mhd.: stivel von afrz. estivel) aus schwarzem oder farbigem Leder. Der Ritter trug, wenn er nicht gerade beim Turnier war, zu seinen Strumpfhosen eine Jacke (frz.: jaque) oder das Wams (afrz.: wambais). Bei den Stoffen kam der Samt (afrz.: samit), den die französischen Ritter von ihren Kreuzzügen aus dem Orient mitbrachten, in Mode.
Zudem kamen neben den Lehn- und Fremdwörtern Wortbildungsmorpheme über das Altfranzösische ins Mittelhochdeutsche. „Zunächst noch gebunden an altfranzösische Wortstämme, konnten sich einige Suffixe verselbständigen, die bis heute produktiv geblieben sind.“ (Volland 1986, S. 10) Diese Suffixe sind –ei (mhd.: -îe, afrz.: -ie), -lei (afrz.: -leye) und die Verbendung –ieren.
Ihren Höhepunkt erreichten die französischen Entlehnungen im 13. Jahrhundert als ca. 700 neue Wörter vom Altfranzösischen ins Mittelhochdeutsche gelangten. Mit dem Niedergang des Rittertums ging auch der kulturelle Einfluss Frankreichs verloren und die Zahl der neuen Entlehnungen sank beständig. Viele der während des 12. und 13. Jahrhunderts übernommenen französischen Wörter verschwanden wieder aus dem deutschen Wortschatz, sodass schon im 14. Jahrhundert „[e]twa zwei Drittel der im 13. Jahrhundert auftretenden Wörter“ (Kramer 1992, S. 51) nicht mehr vorkamen (Bsp. mhd.: garzun „Knappe“ von garçon). Die Handelswege orientierten sich immer mehr in Richtung Italien „und so ist es nicht erstaunlich, wenn im Deutschen des 15. Jh. Italianismen wichtiger waren als Französismen.“ (ebd., S. 53)
Die Entlehnungen, die aus dieser Periode erhalten blieben, heben sich heute kaum oder gar nicht in Lautgestalt und Schreibung vom deutschen Wortschatz ab, da deren Fremdheitsmerkmale durch die Lautentwicklung des Mittelhochdeutschen beseitigt wurden (Bsp.: Reim, fein, Tanz, rund). Zudem hat die mündliche Vermittlung in dieser Periode zu größeren Formveränderungen geführt, als literarische Übernahmen, welche zunächst nicht so stark in den lebendigen Sprachgebrauch eindrangen und aufgrund ihrer schriftlichen Fixierung einer Anpassung besser widerstanden haben (vgl. Telling 1987, S. 9).
2.2 Die zweite Periode: Barock
„Das 16. Jh. ist in der französischen und in der deutschen Sprachgeschichte die Epoche, in der die Weichen für die Gestaltung der modernen Sprache gestellt werden. In Frankreich fand im 16. Jh. die „émancipation de la langue française“ statt [und] [a]m Ende des Jahrhunderts war das Französische auf allen Gebieten zum normalen Ausdrucksmittel geworden.“(Kramer 1992, S. 54) Auf die deutsche Sprache übte das Französische zu dieser Zeit keinen großen Einfluss aus. Es genoss nicht mehr das selbe Prestige wie im Hoch- und Mittelalter und es bestand nur noch wenig kultureller Kontakt zwischen Frankreich und den deutschen Staaten. So wurden im 16. Jahrhundert nur etwa 150 französische Ausdrücke ins Deutsche aufgenommen, die aber nur am Rande des Normalwortschatzes lagen (vgl. Kramer 1992, S. 60).
Im 17. Jahrhundert begann dann eine „Epoche massiver Ausrichtung der deutschen auf die französische Sprache.“ (Kramer 1992, S. 60) Deutschland, dessen kulturelles Leben während des Dreißigjährigen Krieges stark gelitten hatte, orientierte sich am siegreichen, absolutistischen Frankreich. So wurde Frankreich unter Louis XIV. zum Vorbild in Kunst, Literatur, Mode und Hofhaltung für die oberen Gesellschaftsschichten in Deutschland. An den meisten deutschen Fürstenhöfen entstand eine Art „Klein-Versailles“, indem man den Baustil des Schlosses von Louis XIV. nachahmte. Auf diesem Wege gelangte eine Reihe französischer Begriffe aus dem Bereich Bauwesen und bildende Künste in den deutschen Wortschatz (z.B.: Allee, Balkon, Bassin, Etage, Fassade, Nische, Parkett, Parterre, Sockel, Terrasse).
Aber nicht nur die Architektur, sondern ‚die gesamte Art der Hofhaltung und des Hofzeremoniells wurde überall imitiert, und es gehörte zum guten Ton, sich zu kleiden und zu verhalten wie in der Umgebung des „roi-soleil“.‘ (Kramer 1992, S. 62) Die Garderobe (frz. garde-robe, ursprünglich „Kleiderzimmer“) des eleganten (frz.: élégant) Herren war ganz am französischem Vorbild ausgerichtet. Er hatte einen Uniform rock (frz.: uniforme) an, der später, da er enger am Körper anlag, Justaucorps genannt wurde. Unter dem Justaucorps trug er eine Weste (frz.: veste) und aus den Rockärmeln sahen Spitzen manschetten (frz.: manchette -> Diminutiv zu manche) hervor. Als Schuhwerk bevorzugte der Mann den modernen (frz.: moderne) Schuh mit hohem Absatz, die er zu Hause gegen Pantoffeln (frz.: pantoufle) austauschte. Seinen Kopf zierte eine Perücke (frz.: peruque), die, da sie die Mähne eines Löwen (Sinnbild männlicher Kraft und Schönheit) symbolisieren sollte, häufig blond (frz. blond) war (vgl. Thiel 2000, S. 236). Um den Teint (frz.: teint) das gewünschte Aussehen zu geben, puderten (Puder von frz.: poudre) der adelige Mann sowie die adelige Frau ihr Gesicht. Zur Vervollständigung des Männeranzuges diente noch eine Reihe modischer (Ableitung zu Mode von frz.: mode) Accessoires (frz.: accessoires) wie Handschuhe, Stock, Degen und Muff (frz.: moufle). „In dieser Zeit, in der die Liebe die hohe Politik zu lenken suchte, konnte die Frauenmode selbstverständlich nicht auf ihr wirkungsvollstes Mittel – das Dekolleté [frz.: décolleté ]– verzichten.“ (S. 241)Die Frauen schnürten die Taille (frz.: taille) wieder etwas enger und das Korsett (frz.: corset) „wurde zu einem selbständigen Kleidungsstück.“ (Thiel 2000, S. 240) Der Rock mit breiten Volants, d.h. mit breiten aufgesetzten, angekrausten Stoffstreifen, setzte sich zusammen aus dem Jupe – dem Unterrock - und dem Manteau - dem Oberrock. Zur Betonung der weiblichen Rundungen nahm man künstliche Einlagen, sogenannte Bouffanten, zur Hilfe.
Neben der Nachahmung der französischen Baukunst und Mode, gehörte „in jedem Klein-Versailles die Nachahmung der höfischen Sprache zum Alltag“ (Kramer 1992, S. 62). Hierin begründet sich das Aufkommen der „Alamode-Sprache“. Dieser mit Französismen gespickte deutsche Stil durfte zur Zeit des Barock an keinem deutschen Hof fehlen, sodass es Sitte wurde in Briefen und bei der Konversation an passender (aber auch unpassender) Stelle ein französisches Wort in den deutschen Text einzustreuen. Zudem kann man für das 18. Jahrhundert davon ausgehen, „daß wirklich überall „les gens de qualité“ mehr oder weniger gut Französisch sprachen und es jedenfalls verstanden.“ (Kramer 1992, S. 63) So schrieb Voltaire vom Hofe Friedrichs des Großen: „Je me trouve ici en France. On ne parle que notre langue. L’allemand est pour les soldats et pour les chevaux; il n’est nécessaire que pour la route.” (zit. n. Kramer 1992, S. 63) und „La langue qu’on parle le moins à la cour, c’est l’allemand. Je n’en ai pas encore entendu prononcer un mot. Notre langue et nos belles-lettres ont fait plus de conquêtes que Charlemagne.” (zit. n. Berschin u.a. 1978, S. 223). „Entsprechend seiner Stellung als Sprache einer bestimmten Gesellschaftsschicht, vor allem des Adels, und Gesellschaftsform, der höfischen Geselligkeit, wurde das Französische [aber] vorwiegend mündlich gebraucht. Geschrieben wurde es meist nur in dem der Konversation am nächsten stehenden Genre: dem Brief. Literarische oder wissenschaftliche Werke auf Französisch (Leibniz) haben in Deutschland Ausnahmecharakter.“(Berschin u.a. 1978, S. 223 ff.)
Bedeutsam für die Verbreitung des Französischen waren zudem die französischen Anhänger der Reformation - die Hugenotten. Diese verloren aufgrund der Aufhebung des Edikts von Nantes von 1598 durch Louis XIV. im Oktober 1685 ihre Glaubensfreiheit in Frankreich und emigrierten nach England, in die Niederlande und in die protestantischen deutschen Staaten. So verließen hunderttausende Hugenotten das französische Territorium. „Für Frankreich war dieser Aderlaß ebenso verhängnisvoll, wie er für die deutschen Länder segensreich war: Die Glaubensflüchtlinge waren in erster Linie fähige Kaufleute, Gewerbetreibende, Handwerker, Bauern und Gelehrte, und sie konnten in Deutschland, das nach dem Dreißigjährigen Krieg darniederlag, ihre Fähigkeiten beim wirtschaftlichen Aufbau einsetzen“(Kramer 1992, S. 78). Auf diesem Wege beeinflussten sie den deutschen Fachwortschatz von Gewerbe und Handwerk sowie den Fachwortschatz der sich entwickelnden Wissenschaften in besonderem Maße.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts ging die Beliebtheit und die Verwendungshäufigkeit der Französismen dennoch merklich zurück, da das Bürgertum für die Sprachgeschichte eine immer entscheidendere Rolle zu spielen begann. „[D]ie stark vom Französischen geprägten höfischen Kreise verloren an Wichtigkeit, das weniger mit der Hofsprache verkettete und daher „deutschere“ Bürgertum begann den Ton anzugeben.“ (Kramer 1992, S. 69)
Erst zur Jahrhundertwende (18./19. Jahrhundert) nahm der Einfluss des Französischen auf das Deutsche wieder zu.
2.3 Die dritte Periode: Von der Französischen Revolution bis zum Premier Empire
Am 14. Juli 1789 begann in Frankreich mit dem Sturm auf die Pariser Bastille die Französische Revolution. In deren Folge fanden in Frankreich zahlreiche politische und gesellschaftliche Umwälzungen statt, welche sich auch auf das innerstaatliche Geschehen der Nachbarstaaten auswirkten. „ Die Französische Revolution, die zu einem radikalen Bruch […] mit der bisherigen staatlichen Ordnung führte, fand in Deutschland bei vielen Dichtern und Philosophen sowie bei der politisch interessierten Jugend schnell eine große Anhängerschaft.“ (DUDEN – Das Herkunftswörterbuch 2007, S. 716) Auf diesem Wege sind mit den Ideen der Revolution Begriffe wie Bürokratie (frz.: bureaucratie), Koalition (frz.: coalition), Komitee (frz.: comité), liberal (frz.: libéral), Nationalhymne (frz.: hymne national) und terrorisieren (frz.: terroriser) in den deutschen Sprachgebrauch aufgenommen wurden. Auch die „Moden der Französischen Revolution verbreiteten sich innerhalb kurzer Zeit in ganz Europa, obgleich sie von den Monarchien als Sinnbilder der Revolution gefürchtet wurden“ (Thiel 2000, S. 303) und es verging nur wenig Zeit, „bis die neuen Moden ihren politischen Charakter verloren und sogar die Gegner der Revolution Zopf und Puder, und Spitzenmanschetten aufgaben und Tuchröcke, Pantalons und Stiefel ihrer Widersacher trugen.“ (ebd., S. 303) Zur Verbreitung der neuesten französischen Moden trug in Deutschland das 1786 vom Weimarer Verleger Friedrich Justin Bertuch ins Leben gerufene Journal des Luxus und der Moden bei. So konnte man darin zum Beispiel im Januar 1790 folgende Beschreibung der aktuellen Kleidermoden lesen[2]:
„Hierbey folgt ein elegantes Balkleid (Taf. 2) vom neuesten Geschmacke, das ich im Circque sahe. Huth, Rock, Armschleifen und die Achselstücken waren Lilas Taft; für die Nacht aber müssen sie Rosa seyn, weil Lilas bey Licht keine Wirkung thut. Schürze und Rock hatten eine Handbreite Frange; die letz-tere war Lilas und weiß, das Corset war paille Atlas und hatte unter dem Busen zwey Festons von weißen Flor ge-pufft. Die Ceintüre war paille mit Silber gestickt, und mit geschliffnen Stahlplatten. Um den Hals war ein schmales aber sehr langes Flor-Fichü sehr leicht geschlungen. Es fiel über die Mitte des Busens herab, lief schräg über das Corset und war auf der linken Hälfte in eine große Schleife gebunden. […] Ich lege hier die Zeichnung eines eleganten Demi-Negligé (Taf. 1. Fig. 2.)bey. Leib und Schleppe am Kleide (welches eine Robe cou-pée ist) sind von Canariengelben Atlas, Rock und Aermel aber von Angustine oder weißen Musselin mit breiten weißen Atlas-Streifen. Der Rock ist Hand breit mit Lilas Atlas eingefaßt. Um die Taille läuft eine sehr breite Lilas und weiß in die Queer gestreifte, und hinten in eine große Schlei-fe gebundene Schärpe, in welcher vorn eine Uhr steckt. Die Dame trägt ferner ein Fichu à la Coulisse, und ein Bonnet à la liberté triomphante. – Wir haben übrigens wieder 2 Monate Hoftrauer, deren Neuigkeiten ich näch-stens melden werde.
Unsere jungen Männer tragen außer den schon bekannten weißen, vorn mit Spitzen besetzten Cravaten, auch wieder welche von schwarzen Taft mit schwarzen Spitzen; beyde aber immer nur zum Frack oder Negligee, nie aber zum vol-len Anzuge, zu welchem immer die gewöhnliche weiße Hals-binde gehört. Man würde hier sehr ausgelacht werden, wenn man en Cravate oder mit einem Tuche um den Hals gebunden, und im Degen und Parure dazu erscheinen wollte.“ (zit. n. http://zs.thulb.uni-jena.de [11.08.2008])
[...]
[1] Im Folgenden soll für „altfranzösisch“ die Abkürzung „afrz.“, für „mittelhochdeutsch“ die Abkürzung „mhd.“ und für „französisch“ die Abkürzung „frz.“ verwendet werden.
[2] Der vollständige Artikel befindet sich im Anhang zu dieser Arbeit.